Abgang mit einem Knall

Rücktritts-Rede: Mitterlehners Abrechnung im Wortlaut

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Das sagte der Vizenkanzler bei seiner Rücktritts-Rede am Mittwoch.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren.

 

Ich darf Sie ganz herzlich begrüßen - zu etwas ungewöhnlicher Zeit, heute Mittag. Und auch zu einem ganz sicherlich nicht normalen Anlass. Ich muss einleiten damit, dass ich die letzten Tage mit intensiven Überlegungen verbracht habe, wie ich denn die Situation mit der Partei, mit der Regierung, aber auch persönlich gestalte. Und ich muss sagen, in dem Zusammenhang was und wie ich es tue, war ganz maßgeblich für mich dabei, dass ich sowohl Zeitpunkt als auch Inhalt von allen Schritten selber definiere. Und ich muss sagen, ich habe gestern unter anderem mit meiner Familie am Abend auch die Situation besprochen.

 

Und den letzten Mosaikstein - in einem eigentlich schon fertigen Bild - hat dann der ORF, nämlich die Zeit im Bild 2, abgegeben. Und zwar mit der Anmoderation von Armin Wolf. Cover: Django, die Totengräber warten schon. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn ich im Rabenhof bin oder wenn ich die Tagespresse lese, ja, finde ich irgendwie pointiert und gut inszeniert. Kann ich vielleicht sogar lachen. Am Schluss haben ja auch die Totengräber ihr Ende gefunden und der Django überlebt immer.

 

Aber ehrlich: Die Fragestellung jetzt für ein öffentliches Medium, das Leitmedium im Land. Und da geht es nicht mehr um die Inszenierung. Da geht es um den Menschen, der dahintersteht. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, finde ich das nicht mehr pointiert, sondern, das finde ich fehl am Platz.

 

Und das war eigentlich der letzte Punkt, aber kleiner Punkt. Dass ich zum Selbstschutz - aber auch zum Schutz meiner eigenen Familie - jetzt die entsprechenden Konsequenzen ziehen möchte. Ich bin kein wehleidiger Mensch, was den Umgang anbelangt mit Medien, überhaupt nicht. Das haben Sie in den letzten Jahren durchaus bemerkt. Das ist einmal so, einmal so - keine Frage. Ich finde, es ist genug.

 

Und ich darf das auch einigermaßen - was die Argumente anbelangt - untermauern. Sie kennen mich und ich hoffe, Sie schätzen mich so ein: Ich bin ein Mann des Ausgleichs. Ich bin einer, dem daran liegt, dass Inhalte entsprechend kommuniziert und integriert werden können in unsere Gesellschaft. Ich habe in den letzten Monaten und Tagen einfach keinen Sinn mehr gesehen. Bei einer Inszenierung - auf der einen Seite der Plan A, auf der anderen Seite Gegenreaktionen und wechselseitige Provokationen, in der Mitte gewissermaßen mit sinnhaften Darstellungen und mit dem Versuch, auch Inhalte zu transportieren, überzubleiben, das macht - auch wenn Sie die heutige Eskalation mit Idi Armin unter anderem sehen - einfach keinen wirklichen Spaß, aber auch keinen Sinn mehr.

 

Was aber tiefergehender ist und was dahinterliegt als Problem: Es ist meiner Meinung nach unmöglich, in einer derartigen Konstellation einerseits Regierungsarbeit zu leisten und gleichzeitig die eigene Opposition zu sein. Also: Regierungsarbeit, gleichzeitige Opposition ist irgendwo ein Paradoxon.

 

Zum Dritten: Ich bin kein Platzhalter, der auf Abruf, bis irgendjemand - Zeitpunkt, Struktur oder Konditionen festlegt, und die ihm passen - hier irgendwo agiert. Und vor allem, ich werde es dann kurz noch beleuchten, da irgendwo an einer Stelle oder gar an einem Amt verbleibt oder daran klebt. Wir brauchen darüber hinaus auch Entscheider - ich rede jetzt als Parteiobmann - mit allen Rechten und Pflichten in jedem Bereich, die eine Wahl auch rechtzeitig vorbereiten können. Und wir brauchen keine Doppelfunktion oder gar verdeckte Strukturen.

 

Deshalb meine Damen und Herren lege ich alle meine Funktionen zurück. In Partei und Regierung. Und zwar mit folgender Struktur und folgendem Zeitplan: Den Parteiobmann in der nächsten Vorstandssitzung, die wir zeitnahe - vermutlich am Wochenende - einberufen wird. Da geht es darum, einen geschäftsführenden Obmann zu bestimmen und dann den entsprechenden Bundesparteitag auszuschreiben und abzuwickeln. Das impliziert, das überrascht Sie natürlich angesichts dieser Situation nicht. Aber es ist trotzdem festzuhalten, dass ich nicht als Spitzenkandidat antrete. Das hat aber einen bestimmten Sinn, warum ich Ihnen das sage. Weil das die Spitzen der Partei und auch der präsumtive Nachfolger schon monatelang wissen.

 

Meine Damen und Herren, damit bin ich der 16. Parteiobmann der Österreichischen Volkspartei, der sein Amt jetzt entsprechend zur Verfügung stellt. Irgendwo fühle ich mich den Werten verpflichtet, ich fühle mich auch der Tradition verpflichtet. Es ist immerhin der vierte Obmann innerhalb der letzten zehn Jahre. Und schon der leichte Hinweis darauf: Es kann ein qualitatives Problem sein der jeweiligen Führungskräfte, könnte aber auch ein strukturelles Problem sein oder auch die Notwendigkeit unser Erscheinungsbild zu überdenken.

 

Zum Weiteren, was die Funktion anbelangt: Vizekanzler und Minister Wissenschaft, Wirtschaft, Forschung. Darf ich Ihnen sagen, dass ich auch diese Funktion zurücklege. Und zwar - nachdem die entsprechenden Entscheidungen der Partei am Wochenende fallen - mit 15. Mai. Das ist der kommende Montag.

 

In dem Zusammenhang darf ich Ihnen auch illustrieren, auch wenn Sie es weniger jetzt berühren oder illustrieren wird: Warum ich eigentlich in den letzten Monaten trotz aller Querschüsse und aller sonstigen Agitationen in der Politik geblieben bin. Und zwar aus einem ganz einem einfachen Grund. Mir ist es ein Anliegen, entsprechende Inhalte zu vermitteln und Österreich in der Wettbewerbsfähigkeit nach vorne zu bringen. Und irgendwo bin ich dann genau bei dem Punkt, den der Präsident Vogler in einem Gespräch einmal erwähnt hat. Irgendwer muss auch die Arbeit machen in dem Land. Und dem habe ich mich verbunden gefühlt.

 

Gestern hat eine Zeitung kommentiert, oder Heute: Als erfahren, irgendwie kompetent, irgendwo ausgleichend, aber irgendwo altmodisch. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, genau das sehe ich nicht so. Sondern, ich sehe genau in dieser Gegebenheit sogar eine Möglichkeit, Wirtschaft, Arbeitsplätze, die Kompetenz in dem Bereich auch in einem Wahlkampf so zu vermitteln, dass die Umsetzung erfolgreich sein kann. Das ist nicht so, wenn durchaus auch eigene Fehler dem zu Grunde liegen. Möchte nicht da irgendwem was zuschieben - keine Frage. Möchte aber trotzdem, was die Situation im Wirtschaftsbereich anbelangt oder überhaupt vorher, was dem zu Grunde liegt.

 

Wir haben in der Regierung das beste Programm geschnürt, das wir in den letzten zehn Jahren gehabt haben. Also, was wir im Jänner vorbereitet haben, war meines Erachtens besser als vieles je zuvor. Ich darf den Wirtschaftsbereich nur ansprechen: Wir haben heute den besten Wirtschaftsklimaindex sein mehreren Jahren. Wir haben, was das Wachstum anbelangt, das beste Wachstum, die Wirtschaftskrise überwunden. Die Arbeitslosigkeit geht entgegen allen Prognosen nach unten. Wir haben eine Investitionsprämie, wir haben Lohnnebenkostensenkung in einem Ausmaß, wie wir uns das früher nicht einmal träumen hätten lassen können. Meine Damen und Herren, in dem Bereich gehe ich auch nicht die berühmte Ricola-Diskussion ein - wer hat es erfunden? Es ist mir zu blöd. Weil im Endeffekt, Sie brauchen es nur lesen, wo es entstanden ist. Und Sie wissen auch, wem es zuzuordnen ist. Aber ein kleiner Tipp für alle, die nachher noch in der Regierung tätig sind, der Hinweis: Vielleicht Regierungsarbeit zu trennen von Parteiarbeit und damit das Image der Regierungsarbeit zu heben, könnte vielleicht eine wertvolle Anregung sein, muss es aber nicht.

 

Zweiter Punkt im Bereich Wissenschaft und Wirtschaft: Sie wissen alle, welche Vorbehalte man dieser Zusammenlegung gegenübergestellt hat und wie die Verdachtsmomente waren. Die sind nicht nur ausgeräumt, ich traue mir zu sagen, wir haben im Wissenschaftsbereich mit der höchsten Forschungsquote, die wir je hatten, die zweithöchste in Europa, haben viele vor mir damit begonnen. Aber ich habe die Finanzierung der Grundlagenforschung im wirtschaftswissenschaftlichen Fonds sichergestellt. Ich habe auch - und glaube, das sagen zu können -, dass das die Bundesimmobiliengesellschaft auch wesentlich verantwortet hat, über drei Milliarden in den Universitätsbereich gebracht. Also dort läuft ein Bauprogramm, das seinesgleichen sucht.

 

Sie wissen, alles ist immer noch zu wenig. Aber wir haben auch mit der Forschungsprämie eine Einrichtung, die dafür sorgt, dass große Unternehmen nach Österreich kommen. Ich kann Ihnen sagen, meine Damen und Herren, ist das jetzt alles? Nein, das ist jetzt ein Bild, das vielleicht gerade nicht in Ihr Szenario passt. Es gibt noch viel zu tun.

 

Und es tut mir auch leid für die entsprechenden Zielgruppen. Beispielsweise für den Universitäten-Bereich, was Studienplätze anbelangt oder auch die Klima- und Energiestudie, die wir vorbereitet haben, die Strategie. Oder auch - hätte sogar das Interesse, vielleicht noch eine entsprechende Aktion zu starten... Volksbegehren für einen objektiven ORF. Also, durchaus Anregungen von anderen Seite und das und das.

 

Ja, nicht sauer schauen, liebe Kollegen vom ORF. Aber, das ist mir einfach ein... Ich kann heute die Möglichkeit nutzen, einfach alles in Richtung Seherinnen und Seher zu bringen und ich tu das auch.

 

Also, im Endeffekt, das sind lauter Themen, muss ich Ihnen sagen, wo Sie sagen: Das interessiert mich nicht, oder das interessiert mich nicht. Ich sage Ihnen: Bei einigen dieser Themen geht dem einen oder anderen die Sonne auf oder unter. Und im Endeffekt geht es um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich. Das ist mein Anliegen.

Ja meine sehr geehrten Damen und Herren. Damit darf ich auch danken. Ich danke ausdrücklich meinen Weggefährten in der Partei, in der Regierung. Insbesondere in meinem Büro und in meinem Kabinett. Da haben viele - wie links und rechtsstehend Harald Kaszanits oder auch der Volker Hollenstein - über Jahre die Treue gehalten. Hoffe, es schadet ihnen nicht. Ich bedanke mich selbstverständlich auch beim Koalitionspartner. Dort sehe ich sicherlich, ich habe angesprochen, in der ständigen Inszenierung auch einen Grund, warum wir so dastehen. Möchte aber sagen, dass ich mit dem Herrn Bundeskanzler an sich ein sehr positives Verhältnis schon vorher gehabt habe und auch heute habe. Zum Dritten bedanke ich mich ausdrücklich bei den Sozialpartnern inklusive der Industriellenvereinigung. Ich bedanke mich auch bei der Opposition. Und ich muss sagen: Natürlich sind wir Gegner inhaltlich. Aber es war im Wesentlichen mit den NEOS, auf der anderen Seite auch mit den Grünen nicht nur eine inhaltliche Zusammenarbeit bei Studienplatzfinanzierung oder Energieeffizienz, sondern auch immer eine faire Auseinandersetzung. Das gilt auch für die Freiheitliche Partei. Ich bedanke mich auch bei den Medien ganz pauschal. Alles andere ist in dem Zusammenhang gesagt. Und bedanke mich - last but not least - natürlich auch bei meiner Familie, die immer auch zu mir gestanden ist.

 

So, meine Damen und Herren, Sie können sich wahrscheinlich noch erinnern. Vor einem Jahr habe ich noch im Parlament - teilweise ein wenig belächelt - Hermann Hesse zitiert. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Ich darf heute aus demselben Gedicht die Stufen nochmal was zitieren. Und zwar: 'Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.'

 

Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer. Danke Ihnen und wünsche Österreich alles Gute.

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