Brisantes Gutachten

Schwere Körperverletzung in Beauty-"Klinik"

Aufgeplatzte Lippen, verfaulende Nasen. Zwei Beauty-Betreiberinnen werden wegen mutmaßlicher schwerer Körperverletzung in Wien angeklagt. Ein oe24 vorliegendes Rechtsgutachten schildert minutiös was den 88 Geschädigten passierte

Es ist ein knapp 80-seitiges Gutachten, das sich liest wie ein Krimi oder eine einstige Folge aus Nip & Tuck, die einstige US-Erfolgsserie über zwei Schönheitschirurgen in Kalifornien.  

Nur statt echten plastischen Chirurgen und Beverly Hills spielten in diesem Drama eine vermeintliche Ärztin und ihre Mediziner-Schwester mitten in der Wiener Innenstadt die Hauptrollen. Und statt Modellkarrieren blieben Patientinnen mit „verfaulenden“ Nasen und aufgeplatzten Lippen zurück.  

Video zum Thema: Plastischer Chirurg Veith Moser im Interview | Isabelle Daniel

Eine Razzia beendete – nach zig Beschwerden von „Patientinnen“ – das scheinbare Treiben der zwei Deutschen iranischer Herkunft. Die zwei Frauen sind mittlerweile untergetaucht. Ihr Anwalt Rudolf Mayer erklärt, dass seine Mandantinnen behaupten würden „alle ihre Behandlungen fachgemäß durchgeführt zu haben“.  

Aber: Das ausführliche Gutachten des gerichtliche Sachverständigen - selbst ein anerkannter plastischer Chirurg - Veith Moser listet minutiös die nicht „lege artis“ – also nicht medizinisch sachgerechten Behandlungen – auf. Und: die teils schweren Folgen für die meist weiblichen Patientinnen. Den zwei "Klinik"-Betreiberinnen steht jedenfalls ein Prozess wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung bis Betrug bevor. Es gilt die Unschuldsvermutung. 

56 Patientinnen mit „schweren Komplikationen“ 

Insgesamt geht es jedenfalls um 88 Geschädigte. Bei 17 davon gab es „kurzfristige bzw. leichte Komplikationen“. Bei 56 (!) kam es „zu langfristigen bzw. schweren Komplikationsraten“. 

Um die Außergewöhnlichkeit und Dramatik dieser Raten darzustellen, rechnet Gutachter Moser vor, dass das eine „Langzeitkomplikationsrate von 65 Prozent“ darstelle. Die erwartbare Langzeitkomplikationsrate (bei sachgemäßen Anwendungen) betrage 1 bis maximal 10 Prozent.  

Die „Damen“ in ihrer „Beauty Klinik“, die mit „leistbare Schönheit für jeden“ geworben hatte, dürften laut Gutachten Produkte aus Dubai, Korea verwendet haben und teils Botox statt Hyaloron oder umgekehrt gespritzt haben. 

Gutachten: 47 Fälle mit wohl „schwerer Körperverletzung“ 

Mit teils dramatischen Folgen, wie Moser Detailreich untermauert. So kommt er in seinem Gutachten zum Schluss, dass es sich in 47 Fällen um „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ – er listet diese konkret auf – um „schwere Körperverletzung“ handle. Neun Fälle seien „an sich schwer“. Bei 15 Fällen würde eine „mit an Sicherheit grenzende leichte Körperverletzung“ vorliegen. Um reine „Kurpfuscherei“ – das heißt Behandlung ohne dementsprechende Ausbildung, aber ohne Verletzung – gab es bei sechs Personen.

Die 88 Geschädigten sind jene, die sich offiziell bei der Staatsanwaltschaft gemeldet hatten. In Justizkreisen geht man von einer viel höheren Dunkelziffer aus. Ob die Beschuldigten sich dem Prozess stellen werden? Das Gutachten verspricht wohl eher kein happy End für die untergetauchten Hauptdarstellerinnen …

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