Spindelegger

"Sparbedarf könnte sich verdoppeln"

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VP-Chef Spindelegger fürchtet, dass Österreich jetzt bis zu 2 Milliarden Euro mehr Zinsen zahlen muss.

ÖSTERREICH: Ist der Triple-A-Entzug durch die Ratingagentur gerechtfertigt?
Michael Spindelegger: Verständlich ist mir diese Entscheidung nicht. Zwei andere Agenturen hatten erst kürzlich erklärt, wir seien stabil. Die Logik kann ich nicht nachvollziehen: Aber, nur weil das so ist, können wir jetzt nicht einfach ,Böse Ratingagentur‘ sagen und zur Tagesordnung übergehen. Wir wissen, was zu tun ist. Und wir müssen es jetzt auch machen.

ÖSTERREICH: Als Standard & Poor’s bereits im Dezember mit einer Abwertung gedroht hatte, sagten Sie, dann müsste die Republik zwei Milliarden mehr an Zinsen zahlen ...
Spindelegger: Diese Gefahr ist nach wie vor gegeben. Jetzt ist es ja eine Frage, wie die Märkte in den nächsten Wochen reagieren werden. Für uns wird es jetzt sicher nicht leichter. Die Lücke wird eher auseinandergehen.

ÖSTERREICH: Aber wenn wir bis zu zwei Milliarden mehr an Zinsen zahlen müssten, würde sich auch der Sparbedarf stark ausweiten, oder?
Spindelegger: Ja, natürlich. Dann würde sich der Sparbedarf verdoppeln. Wenn wir zwei Milliarden zusätzliche Zinsen zahlen müssten, müssten wir vier Milliarden einsparen.

ÖSTERREICH: SP-Bundeskanzler Werner Faymann schließt eine Anhebung des Sparbedarfs aber trotzdem aus. In ÖSTERREICH sagt er, er bestehe auf den vereinbarten zwei Milliarden Euro.
Spindelegger: Schauen Sie, ich hoffe natürlich auch, dass die Märkte nicht so reagieren, dass wir das müssten. Aber noch einmal: Der Sparbedarf ist keine politische Entscheidung, sondern ergibt sich nüchtern aus den Zahlen der Finanzministerin. Wenn mehr fehlt, muss mehr gezahlt werden. Wir müssen jetzt rasch Maßnahmen beschließen und auch die Schuldenbremse in der Verfassung verankern. Wir wollen ja jetzt nicht für Ratingagenturen sparen, sondern für unser Land und die Zukunft unserer Kinder.

ÖSTERREICH: Wirtschaftskammer-Chef Leitl sagt, dass „jetzt der Hut brennt“ und es die „letzte Chance“ sei. Das klingt schon sehr alarmierend, nicht?
Spindelegger: Er hat damit recht. Und ich hoffe, dass seine Worte ein Umdenken bei seinen sozialpartnerschaftlichen Freunden auslösen. Wir brauchen jetzt strukturelle Reformen. Wir müssen bei den Frühpensionen und den ÖBB klar agieren. Die ÖVP hat ihre Sparvorschläge bereits vor sechs Wochen vorgelegt. Ich hoffe, dass nun allen der Ernst der Lage klar ist.

ÖSTERREICH: Ist das jetzt ein Seitenhieb auf Ihren Koalitionspartner SPÖ?
Spindelegger: Ich möchte die SPÖ nicht kritisieren. Das richtet sich jetzt an alle, die an jedem Cent festhalten wollen und Sparmaßnahmen verhindern. Strukturmaßnahmen sind mehr als notwendig. Ich hoffe, dass nun alle aufgewacht sind.

ÖSTERREICH: Wie stark wollen Sie denn nun das faktische Pensionsantrittsalter anheben?
Spindelegger
: Ich habe vorgeschlagen, das faktische Pensionsantrittsalter bis zum Jahr 2020 um vier Jahre anzuheben. Jedes einzelne Jahr würde eine Milliarde Euro an Einsparungen bringen. Das ist ein sinnvoller Vorgang. Diese Reformen gehören jetzt gemacht. Wir sollten keine Zeit mehr verlieren.

 

Biografie: Das ist Michael Spindelegger

Geboren wurde Spindelegger am 21. Dezember 1959 in Mödling.

Der Jurist wurde 2008 Österreichs Außenminister.

Begonnen hat seine politische Karriere unter dem damaligen Außenminsiter Alois Mock.

Ab 1991 war Spindelegger Bundesobmannstellvertreter des ÖAAB.

Von 2000 bis 2006 war er Klubobmann-Stellvertreter der ÖVP im Nationalrat.

Ab 2006 war er dann zweiter Nationalratspräsident.

Von Josef Pröll wurde er im Dezember als Außenminister nominiert.

Nach Prölls Rückzug aus der Politik folgt er ihm nun als ÖVP-Chef nach.

Seine Wahl erfolgte einstimmig.

Ob Spindelegger Außenminister bleibt, ist noch völlig unklar.

In seine Amtszeit fiel die zweijährige österreichische Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen von 2009 bis 2010.

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