Matter Tausch

SPÖ gibt nach - ÖVP bekommt ihren Willen

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Die Transparenzdatenbank kommt trotz roter Ablehnung. Sonst hätten die Schwarzen die Zustimmung zur Mindestsicherung verweigert.

Die Regierung hat sich bei ihrer Klausur in Graz endgültig auf die Einführung der Mindestsicherung geeinigt. Im Gegenzug wird eine "Transparenzdatenbank" eingeführt, womit dem Wunsch der ÖVP nach einem "Transferkonto" entgegengekommen wird. Die gesetzlichen Grundlagen sollen bis Jahresende ausgearbeitet werden.

Alle Zuschüsse erfassen
Konkret ist fürs Erste die Einrichtung einer Arbeitsgruppe geplant, in die mehrere Ressorts - unter anderem Sozial- und Finanzministerium - eingebunden werden sollen. Ergebnisse sollen bis zur Einführung der Mindestsicherung vorliegen, die für September geplant ist. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, in Zusammenarbeit mit den Gebietskörperschaften die "Grundlagen für die zentrale, strukturierte und transparente Erfassung aller monetären Leistungen ohne unmittelbare Gegenleistung zu erarbeiten".

Davon erfasst sind Leistungen, die von Bund, Ländern oder EU ausbezahlt werden. Es geht also nicht nur um Transferleistungen, sondern auch um Förderungen etwa für Selbstständige, Landwirte und Kultur. Wie die Datenbank genau aussehen wird, steht freilich noch in den Sternen. In dem Regierungspapier heißt es äußerst vage: "Die Arbeitsgruppe erarbeitet Grundlagen für ein Modell für die Darstellung der Leistungen sowohl in aggregierter als auch in individueller Form und bewertet die damit verbunden Verwaltungsleistungen."

Bedingung für Mindestsicherung
Die ÖVP hatte zuletzt dem Vernehmen nach ihr Ja zur Mindestsicherung mit der Zustimmung zu einer Art Transferkonto junktimiert. Das Finanzministerium hatte in Sachen Mindestsicherung, die grundsätzlich schon mehrfach außer Streit gestellt worden war, zuletzt wieder Skepsis angemeldet, da die Finanzierung dieser neuen Sozialhilfe nicht entsprechend gesichert sei.

Tot oder lebendig?
Am Dienstag wollte niemand den Eindruck erwecken, in der Debatte den Kürzeren gezogen zu haben. Also entspann sich ein Interpretationsstreit zwischen SPÖ und ÖVP in der Frage, ob die "Transparenzdatenbank" schlicht das ÖVP-"Transferkonto" mit neuem Namen ist, oder aber eine Verwässerung der ÖVP-Forderung bedeutet. "Das Transferkonto ist tot, praktisch", freute sich SPÖ-Sozialminister Rodulf Hundstorfer. Für ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf ist es dagegen höchst lebendig.

Kein Tauschgeschäft?
Uneinig zeigte man sich auch, ob es ein Junktim für die ÖVP-Zustimmung zur Mindestsicherung gegeben hat. Kopf beantwortete diese Frage vor Journalisten mit einem klaren "Ja". Er sei "nicht unzufrieden", sagte er lächelnd, "wir haben gegenseitige Blockaden auflösen können". Ganz anders sah das Hundstorfer. "Es gab überhaupt keinen Abtausch", betonte er. Das nun Vereinbarte versuchte er herunterzuspielen. "Was kommt, ist eine Transparentmachung in allem, was es gibt."

ÖAAB-Obmann Michael Spindelegger pochte ebenso wie Kopf auf die Verknüpfung der beiden Punkte. "Mit Einführung der Mindestsicherung ist klar, dass die Sozialleistungen transparent werden müssen", betonte er. Das Wichtigste sei, dass die Gebietskörperschaften nun einen Datenaustausch machen. Für die Datenbank müsse geprüft werden, ob dies besser individuell oder für ganze Gruppen - etwa die Auszahlungskriterien der Länder für Leistungen an einen bestimmten Teil der Bevölkerung - gestaltet werden solle. Möglicherweise sei es finanziell zu aufwendig, für jeden Einzelnen ein Konto einzurichten.

Die ÖVP machte mehrfach klar, was für sie die "Transparenzdatenbank" ist, nämlich das von ihr geforderte "Transferkonto". "Jetzt müssen wir das Transferkonto nicht mehr fordern, jetzt haben wir es", verkündete etwa Sozialsprecher August Wöginger. Auch Generalsekretär Fritz Kaltenegger sprach von einer "Einigung auf Transferkonto". Für SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas ist hingegen das von der ÖVP angestrebte "Neidkonto, in dem nur Sozialtransfers enthalten sind", endgültig vom Tisch.

Faymann und Pröll zufrieden
SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann und ÖVP-Vizekanzler Josef Pröll haben sich ausnehmend zufrieden mit dem Beschluss der Mindestsicherung und der Vereinbarung bezüglich einer Arbeitsgruppe zur Einführung einer "Transparenzdatenbank" gezeigt. Pröll betonte, dass diese Datenbank eine Weiterentwicklung seines Transferkontos für Sozialleistungen sei. Faymann versicherte, dass auch die SPÖ Interesse an Transparenz bei Förderungen aller Art habe.

"Kein Neidkonto"
Allerdings unterstrich der SPÖ-Vorsitzende, man werde aufpassen, dass die Arbeit in die richtige Richtung gehe: "Wir werden darauf achten, dass es nicht zu einem Neidkonto kommt." Überdies sei die Datenbank noch gar nicht beschlossen sondern nur die Arbeitsgruppe dazu, auch wenn Faymann grundsätzlich von einem Ergebnis dieser ausgeht. Ziel sei jedenfalls, dass die richtigen Leistungen an die Richtigen kämen.

"Nicht über den Tisch gezogen"
Pröll hielt sich mit Freudensbekundungen, dass sein Prestigeprojekt Transferkonto in abgewandelter Form kommen könnte, einigermaßen zurück. Der Finanzminister beteuerte, es gehe nicht um "Über den Tisch ziehen". Der Name tue nichts zur Sache, "natürlich" handle es sich bei der Datenbank aber um ein breiteres Transferkonto. Worum es ihm gehe, sei "Doppelgleisigkeiten und Missbrauch" zu verhindern.

Faymann wiederum bekräftigte, dass es bei der Debatte nicht um "Gegeneinander ausspielen" gehen könne. In der Arbeitsgruppe werde sich die Diskussion nicht nur um Sozialleistungen drehen sondern auch um nicht-monetäre Leistungen. Darunter versteht die SPÖ indirekte Begünstigungen wie etwa billigere Theaterkarten, die durch staatliche Subventionen ermöglicht werden. Zusätzlich würden auch Leistungen für Selbstständige und Landwirte aufgelistet.

Schon unter Dach und Fach - zumindest was die Bundesseite angeht - ist die Mindestsicherung, was von Faymann umfassend gewürdigt wurde. Österreich sei somit ein Land, das auch in der Krise die Sozialsysteme stärke und nicht zerstöre. Pröll betonte, dass man auch für die Ärmsten die richtigen Schritte setze, umso mehr, da die Leistung nur dann gewährt werde, wenn auch die Bereitschaft zur Annahme von Arbeit vorhanden sei.

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