Von Schule bis zum Tabakgesetz: Die Koalition streitet nur noch. Die SPÖ wirft jetzt dem Koalitionspartner ÖVP offen vor, Neuwahlen zu planen.
In der Großen Koalition ist Feuer am Dach. Bei der gestrigen Ministerratssitzung ging gar nichts mehr weiter. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina ging im ÖSTERREICH-Interview in die Offensive und warf dem Koalitionspartner ÖVP offen vor, eine Absprungbasis aus der Regierung zu suchen. (Lesen Sie hier mehr) Ziel: baldige Neuwahlen und das Umdrehen der Mehrheitsverhältnisse im Parlament. Kalina gibt Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel die Schuld für den Dauerstreit in der Koalition: „Schüssel agiert wie ein Pokerspieler, der nichts zu verlieren hat. Wer schon zwei Mal in Neuwahlen flüchtete, dem ist nicht zu trauen“. Gleichzeitig sagte Kalina, er verstehe nicht, dass sich so konstruktive Politiker wie Josef Pröll oder Wilhelm Molterer von Schüssel einspannen ließen.
Regierungsdesaster
Was war passiert? Wichtige Vorhaben wie die
gesetzliche Grundlage für die Schulversuchs-Modellregionen von
SPÖ-Bildungsministerin Claudia Schmied oder das Tabakgesetz von
Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky mussten gestern im Ministerrat wegen
gegenseitiger Blockaden auf Eis gelegt werden. Und nicht nur das: Die 68.
ASVG-Novelle von SPÖ-Sozialminister Erwin Buchinger mit einer
Berücksichtigung der Krankenstandstage bei der Pensionsberechnung scheiterte
am Nein von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Ein etwas entnervter
Buchinger geriet vor allen Journalisten sogar mit Bartensteins Kabinettschef
aneinander, als es darum ging, wer schuld an der Verschiebung des Gesetzes
sei.
Neuer Schweige-Kanzler
Sichtbarste Folge des Desasters: Kanzler
Alfred Gusenbauer nahm am Ministerratspressefoyer nicht teil: Es gebe ja
schließlich keine Einigung zu verkünden, hieß es aus seiner Umgebung.
Gesprächiger war da schon Vizekanzler Wilhelm Molterer – und der wollte von einer Totalblockade oder gar einer Koalitionskrise nichts wissen. Der ÖVP-Chef zu ÖSTERREICH: „Wir arbeiten, der Ministerrat hat wichtige Finanzgesetze beschlossen.“ Der Vizekanzler rechnet damit, dass die nächsten Entscheidungen der Regierung kommende Woche fallen werden: Das sei schon deshalb so, weil der 31. Oktober der Termin ist, an dem Gesetze beschlossen werden müssen, die mit Anfang 2008 in Kraft treten sollen.
Harte ÖVP
Gleichzeitig machte Molterer aber klar, dass
seine Partei besonders beim umstrittenen Schulversuchs-Paragrafen nicht
nachzugeben gedenke. Molterer zu ÖSTERREICH: „Mit uns wird es kein
Drüberfahren über Lehrer, Eltern und Schüler geben.“ Dies habe schließlich
auch Kanzler Gusenbauer selbst gesagt. Ob die Lage in der Koalition ernst
sei? Molterer belustigt: „Sehen wir so aus?“
Neuwahl nach Jet-Bericht
In der SPÖ traut man der ÖVP jedenfalls
nicht über den Weg – schon wird von Neuwahlszenarien berichtet: So werde
Schüssel den Rechnungshof-Rohbericht über den Eurofighter-Deal von
SP-Verteidigungsminister Darabos nutzen, um die Koalition platzen zu lassen.
Tatsächlich äußern ÖVP-Politiker bei jeder Gelegenheit die Vermutung,
Darabos habe sie in Sachen Eurofighter angelogen.