Weltpolitik

Regierungskrise in Italien - Draghi führte Gespräch mit Staatschef

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Im Hinblick auf den Stichtag Mittwoch, an dem Premier Mario Draghi dem italienischen Parlament über die Regierungskrise berichten wird, hat der Ministerpräsident am Dienstag mehrere politische Gespräche geführt.

So traf Draghi Staatschef Sergio Mattarella im Quirinal, dem Präsidentenpalast in Rom. Außerdem sprach er mit dem Vorsitzenden der Sozialdemokraten, Enrico Letta. Draghi feilt an seiner Ansprache vor dem Parlament, in der er über die politische Lage berichten wird.

Auch die Parteien führten Gespräche in Hinblick auf Draghis Rede, der eine Vertrauensabstimmung im Parlament folgen wird. Die Fünf-Sterne-Bewegung, Italiens stärkste Einzelpartei, ringt um eine gemeinsame Linie. Ein Flügel um Parteichef Giuseppe Conte drängt auf einen Austritt aus der Regierungskoalition, was zu Neuwahlen am 25. September oder am 2. Oktober führen könnte.

Ein gemäßigterer Flügel um den Minister für die Beziehungen zum Parlament, Federico D'Incà, bemüht sich dagegen um einen Verbleib der Cinque Stelle in der Koalition. Sollte die Fünf-Sterne-Bewegung aus der Koalition austreten, wären etwa 15 Parlamentarier bereit, die Cinque Stelle zu verlassen, um sich der von Außenminister Luigi Di Maio gegründeten Fraktion Insieme per il futuro (Miteinander für die Zukunft) anzuschließen, die die Regierung Draghi unterstützt. Einige Abgeordnete betonten, dass bis Mittwoch eine gemeinsame Position gefunden werden müsse, um die Meinungsverschiedenheiten der vergangenen Wochen zu überwinden und eine weitere Spaltung der Partei zu vermeiden.

Fünf-Sterne-Chef und Ex-Premier Giuseppe Conte fordert von Draghi Garantien, dass die Regierung politische Prioritäten der Bewegung wie einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn und den Erhalt des Grundeinkommens für Menschen unterhalb der Armutsgrenze im kommenden Jahr durchsetzt. Conte verlangt die Umsetzung eines Neun-Punkte-Programms, das die Partei dem Premier bereits vor einigen Wochen vorgelegt hatte, als Bedingung für ihren Verbleib in der Mehrparteienkoalition.

"Das Land befindet sich in einer wirklich dramatischen Lage. Angesichts dieser Situation müssen wir aus Verantwortung Draghi bitten, die von uns genannten Prioritäten auf die Regierungsagenda zu setzen", betonte Conte am Montagabend.

Draghi wird Mittwochvormittag zuerst im Senat eine Regierungserklärung abgeben. Die Diskussion wird mit einer Vertrauensabstimmung enden. Am Donnerstag folgt dann Draghis Ansprache vor der Abgeordnetenkammer mit einem anschließenden Vertrauensvotum. Auslöser der politischen Krise war die Enthaltung der Fünf-Sterne-Bewegung bei einem Vertrauensvotum am Donnerstag im Senat. Sollte die Fünf-Sterne-Bewegung die Regierungskoalition verlassen, könnte es zu vorgezogenen Parlamentswahlen im Herbst kommen, ein Unikum in Italien, wo bisher stets im Frühjahr gewählt wurde.

In Italien mehren sich inzwischen Unterschriftensammlungen und Aufrufe an den Premier, im Amt zu bleiben. Ex-Premier Matteo Renzi hat mit seiner Petition für einen Amtsverbleib Draghis in vier Tagen 100.000 Unterschriften gesammelt. Der 47-jährige Chef der mitregierenden Kleinpartei Italia Viva ist bereit, eine zweite Regierung um Premier Draghi zu unterstützen. "Sollte Draghi nicht weitermachen wollen - und das würde mir sehr leid tun -, muss es zu sofortigen Parlamentswahlen kommen. Am 25. September oder am 2. Oktober", sagte Renzi.

Einen Appell an Draghi richteten auch mehrere katholische Organisationen, der Umweltschutzverband Legambiente und die Vereinigung der Universitätsrektoren. Draghis Verbleib sei notwendig, um die eingeleiteten Reformen umzusetzen, die mit dem EU-Wiederaufbauprogramm finanziert werden. Auch über 1.300 italienische Bürgermeister unterzeichneten eine Petition an Draghi, um ihn zum Verzicht auf den Rücktritt zu bewegen. In Rom fand am Montagnachmittag eine Demonstration für den Amtsverbleib des seit Februar 2021 amtierenden Ministerpräsidenten statt.

250 Topmanager, Unternehmer und Akademiker unterzeichneten wiederum einen Appell der Mailänder Wirtschaftszeitung "Sole 24 Ore" an Draghi für seinen Verbleib. "Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um das Land ohne Führung zu lassen und sich mit einem außerordentlich spaltenden Wahlkampf auseinanderzusetzen", schrieb der Chefredakteur des Blattes, Fabio Tamburini. Er ist dafür, die Legislaturperiode regulär zu Ende zu führen. Laut Tamburini würde ein Sturz Draghis bedeuten, dass Italien erst Mitte November eine neue Regierung hätte, was die Verabschiedung des Budgets für 2023 gefährden würde.

Der Handelsverband Confcommercio warnte unterdessen vor den negativen Folgen eines Regierungssturzes auf die italienische Wirtschaft. "Der Konsum stagniert, die Inflation wächst, der Ukraine-Konflikt dauert an: In diesem schwierigen Szenario könnte ein Regierungssturz eine Wirtschaftskrise auslösen", warnte der Chef des Handelsverbands, Carlo Sangalli, am Dienstag in einer Erklärung.

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