Obama gewinnt dank „Sandy“, doch er sieht zerstört aus.
Obama hat offenbar ein politisches Kunststück geschafft. Er hat eine schon verlorene Wahl in nur vier Tagen zu einem nun fast sicheren Sieg umgedreht. Noch vor einer Woche sah der konservative Herausforderer Romney wie der sichere Sieger aus. Die Amerikaner hatten das Vertrauen in Obama verloren. Er hat in seinen ersten vier Jahren wahnwitzig hohe Schulden aufgebaut, aber, entgegen seinen Versprechen, der US-Wirtschaft keine Impulse gebracht.
Zusätzlich hat Obama das Land gespalten – mit dem konservativen Kongress führt er „Heilige Kriege“ um die teure Krankenversicherung, um harte Regeln für die Wallstreet, um die Abtreibung. Heute wählt eine Hälfte der US-Bürger Obama: das sind Frauen, Latinos und Schwarze. Die andere Hälfte ist klar für Romney: die große Mehrheit der Männer, der Weißen und Berufstätigen.
Romney wirkt als ehemaliger Investmentbanker kompetenter in allen Wirtschaftsfragen. Und er wirkte wie ein junger Reagan: bürgernah, charmant, dynamisch. Obama dagegen wirkte wie ein geprügelter Hund: mürrisch, nicht mehr optimistisch, gezeichnet von vier Jahren Misserfolg.
Nebensache.
Dann kam „Sandy“ – und die Wahl war Nebensache. Zerstörte Häuser, überschwemmte Straßen, keine U-Bahn, kein Strom – nichts geht mehr. Romney machte seinen schwersten Fehler: Er setzte den Wahlkampf fort – das kam schlecht an, weil es keinen interessierte.
Obama machte es richtig: Er stoppte den für ihn schon hoffnungslosen Wahlkampf und flog in alle Krisengebiete. Der angeschlagene Präsident kam mit Tränen in den Augen zu den weinenden Bürgern. Er umarmte die Obdachlosen, sogar die bisher für Romney kämpfenden, republikanischen Gouverneure. Er versprach Geld und Hilfe. Und plötzlich war die gespaltene Nation wieder ein Land der Einheit mit einem gemeinsamen Ziel: Wir bauen Amerika wieder auf. Wir besiegen „Sandy“.
Obama feiert wie ein k.o. gegangener Boxer Auferstehung. Nur eines ist sicher: Wenn er die Wahl gewinnt, wird er so zerstört sein, wie die US-Ostküste nach dem Sturm. Obama braucht dringend einen Neustart. Wenn er so weitermacht, wären das für die USA düstere Aussichten.
Meinung an: wolfgangfellner@oe24.at