Der Wandel ist voll im Gang, aber Mercedes ist noch immer die Messlatte.
Nach einem Jahr Eingewöhnungsphase geht die Formel 1 in die erste Saison, in der sich die Visionen des neuen Rechteinhabers Liberty Media schon deutlich abzeichnen werden. Zum Wandel gehören eine neue Streaming-Plattform und die Abschaffung der Grid Girls, optisch verändert der Halo-Kopfschutz die Autos markant. Auf dem Asphalt ist Mercedes wieder Favorit Nummer eins, doch Red Bull will angreifen.
35 Wochen sind es vom ersten Rennen in Melbourne bis zum Finale in Abu Dhabi. Nach einem größeren Schub von Neuerungen vor der Saison 2017 sind die Regeln diesmal weitgehend stabil geblieben. Das aktuelle Power-Unit-Reglement ist noch bis 2020 in Kraft, was Mercedes erneut zu dem Team macht, das es zu schlagen gilt. Seit die Formel 1 2014 in die Hybrid-Turbo-Ära eingetaucht ist, haben die "Silberpfeile" 63 von 79 Rennen gewonnen und viermal den Titel bei den Konstrukteuren abgeräumt.
Erfolgreichster Fahrer in dieser Zeitspanne war Lewis Hamilton, der auf dem Weg zu drei WM-Titeln 40 Rennen gewann - mehr als die Hälfte. Der Titelverteidiger ist erneut der erste Anwärter auf den Titel. Der Brite kann heuer wie Ferrari-Frontman Sebastian Vettel zum fünften Mal Champion werden, was bisher nur Michael Schumacher und Juan Manuel Fangio gelungen ist. Bei Hamilton ist die Vorfreude jedenfalls groß. "Unser Auto ist in jeder Beziehung besser als das vom vorigen Jahr", betonte der 33-Jährige.
Halo und "Flip-Flop"-Aufsatz
Änderungen im Vergleich zur Vorsaison betreffen etwa die Motor-Standfestigkeit. So dürfen heuer nur drei Exemplare verwendet werden, eine Antriebseinheit muss sieben Rennen halten. Pirelli bringt zwei neue Reifenmischungen namens Hypersoft und Superhard. Optisch betritt die Formel 1 heuer mit dem Cockpitschutz Halo absolutes Neuland. Der sperrige "Flip-Flop"-Aufsatz, wie Mercedes-Boss Toto Wolff die sicherheitstechnische Revolution einmal bezeichnet hat, soll den Kopf vor herumfliegenden Objekten schützen.
Für Halo kann Liberty Media nichts. Die Einführung war schon vor dem Einstieg des US-Unternehmens in die Wege geleitet. Hauptanliegen der neuen Machthaber ist eine neue Philosophie, die den Sport attraktiver, glitzernder und für ein jüngeres Publikum zugänglicher machen soll. Auf der Formel-1-Webseite kann man künftig etwa via Bezahl-Livestream die Rennen verfolgen, aber auch zu jeder beliebigen Zeit nachher darauf zugreifen.
Im Hintergrund hat der Medienkonzern die Arbeitsweise, wie die Formel 1 funktioniert, bereits umgekrempelt und das Personal massiv aufgestockt. Weitere Neuerungen werden folgen. Eine kosmetische Korrektur ist das bereits umgemodelte Logo, eine offizielle Formel-1-Titelmusik soll bald her. Nicht in die Vorstellungen von Liberty Media passten die Grid Girls. An ihrer Stelle werden künftig ähnlich dem Fußball Kinder neben die Sportler ins Bild gerückt werden.
Alle Reformen werden sich letztlich am wirtschaftlichen Erfolg messen lassen müssen. Dass das Produkt Formel 1 schwächelt, hängt ursächlich nicht zuletzt mit der sportlichen Vorhersehbarkeit zusammen. "Es sollte so sein, dass an einem guten Tag Force India ein Rennen gewinnt", drückte Sportchef Ross Brawn die Hoffnung von Liberty Media für die Zukunft aus. Dass sich diese heuer erfüllt, ist nicht zu erwarten.
Red Bull & Ferrari an Mercedes dran?
Die Winter-Testfahrten lieferten allerdings Anzeichen, dass Red Bull in dieser Saison näher an Mercedes dran ist, was mehr Spannung verspricht. "Ich glaube noch immer, dass wir noch ein bisschen mehr brauchen, um Mercedes zu fordern, aber ich glaube nicht, dass wir weit weg sind", sagte Pilot Daniel Ricciardo. "Wir stehen viel besser da als vor einem Jahr", stellte Teamkollege Max Verstappen fest.
Ferrari träumt weiter von der Rückkehr auf den WM-Thron. Nach drei Jahren Aufbauarbeit will Vettel endlich wieder reüssieren, nach dem Testbetrieb machte sich ob der Leistungsstärke der Scuderia jedoch Skepsis breit. "Es gibt noch einige Rätsel zu lösen", gab der Deutsche zu bedenken. Je länger das Rätselraten dauert, desto kürzer wird wohl der Geduldsfaden von Konzernchef Sergio Marchionne geraten.
Für Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda ist noch alles offen. "Es ist auf jeden Fall eng zwischen den ersten drei Teams", meinte der dreimalige Formel-1-Weltmeister. Wenn Renault eine stärkere und leistungsfähigere Power Unit gelungen ist, würde davon jedenfalls nicht nur Red Bull, sondern auch McLaren mit Fernando Alonso und das Renault-Werksteam mit Nico Hülkenberg und Carlos Sainz profitieren.