England feiert Hamilton nach Heimsieg. Totale Spannung in der WM mit drei Führenden. Auch Wurz und Honda happy.
Die Selbstzweifel besiegt, die ungeliebte Presse überzeugt und die Fans begeistert: Nachdem er die Rolle des Nationalhelden in seinem Heimatstück perfekt erfüllt hatte, war "König" Lewis Hamilton die Genugtuung anzumerken. Mit seinem Triumph in Silverstone hatte der Vizeweltmeister nicht nur ein filmreifes Happy End hingelegt, sondern es auch nach den schwierigsten Wochen seiner jungen Formel-1-Karriere sich und allen Kritikern gezeigt.
Familienmensch
"Es war ein emotional ganz besonderer Moment, mein
Heimrennen zu gewinnen, und ich möchte diesen Sieg meiner Familie widmen",
sagte der 23-Jährige nach der Wasserschlacht beim Grand Prix von
Großbritannien. "Wie jeder weiß, hatte ich einigen Ärger in den vergangenen
Wochen und sie waren immer für mich da und haben mich unterstützt." Seinen
jüngeren Bruder Nicholas nahm er nach seiner Zielankunft als ersten in den
Arm. "Vor dem Rennen sagte er zu mir: Mach dir keine Sorgen. Du bist der
Meister im Regen."
Beinahe wie ein Bruder im Geiste saß Nick Heidfeld in der Pressekonferenz neben Hamilton. Auch der deutsche BMW-Sauber-Pilot hatte enttäuschende Wochen hinter sich und das Krisengerede mit dem zweiten Platz verstummen lassen.
Eine Klasse für sich
Hamilton konnte er im Regen von
Silverstone nicht das Wasser reichen: Bei seiner Rückkehr in den silbernen
Motorhome-Bunker wurde der Brite gefeiert. Seine Chefs konnten ihre
Begeisterung über den schnellen Hauptdarsteller kaum zügeln. "Es gibt viele
sehr gute Fahrer und wenige sehr, sehr gute", sagte Mercedes-Motorsportchef
Norbert Haug und machte klar, zu welcher Kategorie er Hamilton zählt: "Lewis
war eine Klasse für sich." McLaren-Vorsteher Ron Dennis bescheinigte seinem
Zögling: "Lewis wird einer der Fahrer sein, die für eine lange Zeit in
Erinnerung bleiben."
Unter Druck
Hamilton hatte vor dem Rennen in Silverstone mächtig
unter Druck gestanden. Die Anspannung zeigte sich noch in der Qualifikation,
als er am Samstag die Pole Position leichtfertig vergab. Die beiden
Nullrunden in den Rennen zuvor in Montreal und Magny-Cours hatten in der
Presse aus leisen Zweifel laute werden lassen. Erstmals wurde Hamilton von
den Medien attackiert, sein Lebenswandel und sein enger Zeitplan außerhalb
der Strecke hinterfragt.
Medien jubeln
Mit dem grandiosen Sieg in Silverstone scheint
alles vergessen. Die britischen Zeitungen haben "Everybodys Darling" wieder
ins Herz geschlossen. "Lewis antwortet seinen Kritikern mit dem Rennen
seines Lebens", jubelte "The Sun". "Lewis Hamilton explodierte", schrieb der
"Daily Express". Und die seriöse "Times" befand, Hamilton habe "eines der
größten Regenwetter-Rennen in der Geschichte der Formel 1" hingelegt.
Hamilton bewies in England wie bei seinen bisherigen Saisonsiegen in Melbourne und Monaco, der Mann für die chaotischen Rennen zu sein. Wie auf Schienen steuerte er seinen Silberpfeil in Silverstone durch und um die Wasserlacken - und sich wieder mitten in den WM-Titelkampf.
Packender WM-Kampf
Der ist so aufregend wie schon lange nicht
mehr. Gemeinsam mit dem Ferrari-Duo Kimi Räikkönen und Felipe Massa startet
Hamilton mit je 48 Punkten nach neun Rennen in die zweite Saisonhälfte.
Zuletzt hatte es einen solchen Dreiklang an der Spitze 2007 gegeben -
allerdings nach nur drei WM-Läufen. Zwei Punkte hinter dem Trio rangiert vor
dem Großen Preis von Deutschland BMW-Sauber-Pilot Robert Kubica. "Das
verspricht eine super attraktive zweite Saisonhälfte", meinte BMW-Mann
Theissen.
Ferrari zum Vergessen
Die WM-Spannung ist vor allem fehlender
Konstanz geschuldet. So rutschte Kubica in England auf Platz drei liegend
von der Strecke. Doch die dicksten Patzer machte Ferrari. Mit einer
desaströsen Reifenstrategie verspielte die Scuderia den Sieg. Weltmeister
Räikkönen betrieb mit Platz vier Schadensbegrenzung. Der Brasilianer Massa
kreiselte mit seinem Ferrari wie ein Walzertänzer und wurde 13.
"Das ist ein Sonntag zum Vergessen"", gestand Teamchef Stefano Domenicali. Die Medien in der Ferrari-Heimat wurde noch deutlicher: "Schwarzer Tag für Ferrari - die Roten brechen ein", urteilte "La Repubblica". "Desaster für Massa", schimpfte "La Stampa".
Red Bull schwach
Nichts wurde auch aus den Hoffnungen für Red
Bull auf einen Podestplatz, nachdem sich der aus Reihe eins gestartete Mark
Weber im RB4 schon in der ersten Runde drehte und letztlich auf Platz zehn
landete. Die Stärke im Regen konnte auch Sebastian Vettel nicht ausspielen,
nachdem der Toro-Rosso-Fahrer ausgerechnet mit "Halbbruder" David Coulthard
kollidiert war.
Freude bei Honda
Jubeln durfte dafür Honda-Testfahrer Alex Wurz
über den überraschenden dritten Platz von Rubens Barrichello, mit dem der
von Wurz mitenwtickelte Honda auf die Erfolgsstraße zurückkehrte. Der
Österreicher testet bereits intensiv das 09er-Modell, mit dem alle Teams bei
Null anfangen. Und im kommenden Jahr will Honda unter neuem Reglement wieder
ganz vorne mitmischen.