Drei Verfahren eingeleitet

EU setzt Ungarn Daumenschrauben an

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Brüssel prüft Budapest wegen Zentralbank, Datenschutz und Richtern.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat am Dienstagnachmittag in Straßburg drei Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn angekündigt. Dabei geht es um die Unabhängigkeit der Zentralbank, die Datenschutzbehörde und die umstrittene Herabsetzung des Pensionsalters von Richtern von 70 auf 62 Jahre.

Orban nach Brüssel zitiert
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban wird am kommenden Dienstag (24. Jänner) in Brüssel mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso wegen der strittigen Verfassungsreform zusammentreffen. Barroso sagte am Dienstag in Straßburg, er sei erfreut darüber, dass Orban sich bereiterklärt habe, "über unsere Sorgen zu sprechen".

Die EU-Kommission sende an Ungarn neben den drei Mahnbriefen außerdem eine breitere Informationsanfrage zur Frage der Unabhängigkeit der Justiz, erklärte Barroso. Dies sei das Ergebnis einer sorgfältigen rechtlichen Analyse der Kommission.

 "Wir hoffen, dass die ungarischen Stellen die notwendigen Änderungen durchführen, um die Achtung von EU-Recht zu garantieren. Dies war bisher nicht der Fall, deshalb haben wir entschieden, die Vertragsverletzungsverfahren zu starten", erklärte Barroso. "Die Entscheidungen, die wir heute getroffen haben, spiegeln unsere Entschlossenheit sicherzustellen, dass EU-Recht sowohl im Buchstaben als auch im Geiste voll respektiert wird, und dass es in allen unseren Mitgliedstaaten ein stabiles rechtliches Umfeld gibt."

Barroso betonte, Ungarn sei "wichtiges Mitglied der europäischen Familie. Wir wollen nicht, dass über dem Land weiterhin ein Schatten von Zweifel an der Achtung demokratischer Prinzipien und Werte bleibt. Je früher das gelöst ist, desto besser".

Hintergrund
Nach dem EU-Vertrag muss die Zentralbank unabhängig von politischem Einfluss über die Zinsen entscheiden können, um für Preisstabilität sorgen zu können. Der für die Geldpolitik zuständige Notenbankrat soll in Ungarn nun um zwei auf neun Posten erweitert werden. Notenbankchef Andras Simor - kein Orban-Mann - bekommt zudem einen weiteren, dritten Stellvertreter. Auch im Bereich Justiz hat die EU-Kommission zuletzt ihre Bedenken gegenüber Änderungen aufgrund der neuen Verfassung bekräftigt. Die Herabsetzung des Pensionsalters für Richter und Staatsanwälte von 70 auf 62 Jahre ist aus Sicht der Kommission "problematisch", weil die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie Altersdiskriminierung grundsätzlich verbietet. Außerdem kritisiert die Kommission, dass der 2008 für sechs Jahre ernannte nationale Datenschutzbeauftragte vorzeitig durch eine nationale Datenschutzagentur ersetzt wird.

In Ungarn reagierte die kleinere Regierungspartei KDNP (Christdemokraten) - eine formell von der größeren Regierungspartei Fidesz-MPSZ unabhängige, de facto aber von ihr untrennbare Formation - gelassen auf die Einleitung des Verfahrens. Ein Vertragsverletzungsverfahren sei eine "übliche Praxis der Union, eine in vielen Fällen angewendete Lösung", sagte Fraktionschef Peter Harrach am Dienstag gegenüber der ungarischen Nachrichtenagentur MTI. Gleichzeitig beklagte er, dass "die beispiellose Verleumdungskampagne der heimischen linksliberalen Opposition und ihrer internationalen Freunde unserem Land schweren Schaden zugefügt" habe. Die oppositionellen Sozialisten (MSZP) verwiesen indes darauf, dass das EU-Verfahren zu vermeiden gewesen wäre, wenn die Orban-Regierung sich die Kritik der MSZP an den umstrittenen Gesetzen zu Herzen genommen hätte. Die oppositionelle Grün-Partei LMP meinte dazu, Orban müsse nun wählen, "was er mehr in den Vordergrund stellen will: seine eigenen Machtinteressen oder die Interessen des Landes".

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