Analyse

Er will neuer Tschechien-Premier werden: Das Babiš -Porträt

Der tschechische Oppositionschef, Gründer und langjährige Vorsitzende der Bewegung ANO, Andrej Babiš, ist mit seinen 71 Jahren ein Veteran in der tschechischen Politik. 

Jetzt ist er auf dem besten Weg, erneut Regierungschef zu werden. Sollte dies gelingen, würde er zum ersten Politiker in der Geschichte des nördlichen Nachbarlandes, dem ein Comeback in das Premiersamt gelingt.

Der gebürtige Slowake Babiš stand schon in den Jahren 2017-2021 an der Spitze des Prager Kabinetts, zuvor war er Vizepremier und Finanzminister. Anfang 2023 kandidierte er für den Posten des Staatspräsidenten, unterlag jedoch deutlich dem früheren Generalstabschef Petr Pavel. Dieser sollte nun Babiš zum Ministerpräsidenten ernennen, falls alles so läuft wie allgemein erwartet.

"Halsstarriges Rindvieh"

Noch Anfang dieses Jahres wusste Babiš nicht sicher, ob er selbst als ANO-Spitzenkandidat bei der Parlamentswahl antreten wird. Er selbst spekulierte, seinen langjährigen Mitarbeiter und ANO-Vizechef Karel Havlíček ins Rennen zu schicken. Schließlich gewann in dem Workaholic Babiš doch seine Vorliebe für Herausforderungen. "Ein normaler Mensch wäre schon gegangen, aber ich bin, wie allgemein bekannt, ein halsstarriges Rindvieh", sagte der einstige Besitzer des Konzerns Agrofert und einer der reichsten Bürger Tschechiens.

Zur Freude seiner Gegner geriet auch diesmal vor den Wahlen die sogenannte "Storchennest-Affäre", in der Babiš EU-Subventionsbetrug im Ausmaß von zwei Millionen Euro für sein mittelböhmisches Wellnessresort "Storchennest" vorgeworfen wird, ins Rampenlicht. Der frühere Freispruch wurde erneut aufgehoben und eine neue Gerichtsverhandlung angeordnet. Babiš bestreitet nach wie vor jegliches Fehlverhalten und spricht von einer "politischen Hetzjagd" gegen ihn.

Umstritten ist Babiš auch aus anderen Gründen. Wiederholt wird er mit Vorwürfen eines Interessenskonflikts als hochrangiger Politiker und Unternehmer konfrontiert. Außerdem muss er Kritik wegen seiner angeblichen Zusammenarbeit mit der tschechoslowakischen Stasi vor 1989 abwehren. Konkret betrifft dies die Zeit, als Babiš, damals KP-Mitglied, als Delegierter eines tschechoslowakischen Außenhandelsunternehmens in Marokko tätig war. Beides bestreitet Babiš vehement.

EU-Kritiker

Kein Blatt vor den Mund nimmt er sich auch in Richtung EU. Babiš gilt als starker Kritiker von Verteilungsquoten für Flüchtlinge. Man lasse sich nicht diktieren, wer in Tschechien leben wird, meint er. Über die Solidarität zwischen großen und kleineren Ländern innerhalb der EU sagt er, diese existiere "nur auf Pressekonferenzen, nicht im Verhandlungssaal". Babiš bekennt sich zur NATO- und EU-Mitgliedschaft Tschechiens, die Einführung des Euro, den EU-Migrationspakt und den Green Deal lehnt er aber ab.

In diesem Zusammenhang kritisiert er die bisherige Regierung des konservativen Premiers Petr Fiala, die sogenannte Visegrad-Gruppe (Tschechien, Slowakei, Ungarn, Polen) "zerschlagen" zu haben. Diese Gruppe mit 65 Millionen Einwohnern habe großes Sagen innerhalb der EU gehabt, so Babiš in Anspielung darauf, dass die jetzige Regierung sich klar von den Positionen der Slowakei und Ungarns zum Ukraine-Krieg distanziert. Babiš versicherte, seine mögliche künftige Regierung werde keine Waffen an die Ukraine liefern und auch die sogenannte tschechische Munitionsinitiative stoppen.

Babiš bekennt sich ansonsten zur Politik von US-Präsident Donald Trump. "Ich bin Trumpist, weil ich mit seinem Programm einverstanden bin", behauptet der ANO-Chef. Gleichzeitig zeigte sich Babiš von Trump enttäuscht. "Er hat versprochen, den Ukraine-Krieg zu beenden, allerdings hat er versagt", so Babiš, der sich sonst zum Ukraine-Konflikt eher ausweichend äußert. Auf eine Frage, wie sich die Ukraine gegen Russland wehren solle, sagte er, dies sei "eine Frage an Herrn Trump und (den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr) Selenskyj, nicht an mich".

Ursprünglich liberale Partei nun in rechtspopulistischer EU-Fraktion

Bei der 2011 als Protestbewegung gegründeten Partei "Aktion unzufriedener Bürger" (tschechische Abkürzung ANO, auf Deutsch JA) handelt sich um eine ursprünglich liberalorientierte Gruppierung. Seit dem Vorjahr ist ANO Mitglied der europäischen Rechtsaußenpartei der Patrioten, der auch die FPÖ angehört. Babiš hatte 2024 gemeinsam mit FPÖ-Chef Herbert Kickl und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán die Gründung der EU-Fraktion in Wien angekündigt.

Mit Stolz brüstet sich der Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch sprechende Wirtschaftsingenieur Babiš damit, sein Unternehmen Agrofert aus dem Nichts, ohne Betrug und ohne die sogenannte Kupon-Privatisierung, also die umstrittene Privatisierungsmethode Anfang der 1990er Jahre, aufgebaut zu haben. Mit Vorliebe sagt er auch, er wolle den "Staat wie eine Firma führen".

Babiš ist zum zweiten Mal verheiratet. Aus erster Ehe hat er zwei Kinder, weitere zwei Kinder hat er mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Monika, die er 2017 im "Storchennest" heiratete. Im vergangenen Jahr kündigte jedoch Babiš überraschend die Trennung von Monika an.

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