Drama vor Lampedusa

Flüchtlinge zündeten Decke auf Boot an

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Hunderte Menschen noch vermisst. Trauertag in ganz Italien.

Die Suchaktion nach den Vermissten nach dem Flüchtlingsdrama, bei dem am Donnerstag vor der süditalienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ein Boot mit circa 500 Flüchtlingen an Bord in Brand geraten und gekentert war, ist die ganze Nacht lang fortgesetzt worden. Trotz schwieriger Wetterlage und starken Winds suchten Tauchermannschaften weiterhin nach Leichen neben und im Wrack des Bootes, das sich in einer Tiefe von 40 Metern befindet. Bisher wurden 111 Leichen geborgen, 155 Migranten wurden gerettet.

Der italienische Innenminister Angelino Alfano betonte, dass die Bilanz der Todesopfer voraussichtlich steigen werde. Tauchermannschaften hatten von Dutzenden von Leichen berichtet, die sich noch im Wrack befänden. Auf Lampedusa wird am Freitagvormittag eine Fähre aus Sizilien mit circa 100 Särgen eintreffen. In ganz Italien wurde der heutige Freitag zum Trauertag erklärt.

Brand an Bord des Schiffes
An Bord des Schiffes hatte sich ein Brand entwickelt, der Panik unter den Migranten ausgelöst hatte. Vermutet wurde, dass die Flüchtlinge einige Decken in Brand gesetzt hatten, in der Hoffnung, vorbeifahrende Schiffe würden die Flammen sehen. Das Feuer dürfte aber außer Kontrolle geraten sein.

Lampedusa
© APA

Grafik: APA

Nach Angaben von Tauchermannschaften könnten sich über die bereits geborgenen Opfer hinaus sogar insgesamt hundert Leichen unter dem Wrack des nach einem Brand gekenterten Flüchtlingsbootes befinden.

EU-Regionalkommissar Johannes Hahn (ÖVP) drückte im Namen der EU seine Erschütterung für das Flüchtlingsdrama auf Lampedusa aus. „Diese Tragödie zwingt uns, hart zu arbeiten, um Lösungen für die Migrationsströme über das Mittelmeer zu finden. Die EU muss Italien im Umgang mit der Flüchtlingswelle helfen“, betonte Hahn in Brüssel.

„Es ist ein absoluter Horror. Aus den Booten wird eine Leiche nach der anderen geholt“, berichtete die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini, die sich am Hafen der Insel befand. Sie sprach von einer „riesigen Tragödie“, die sich vor der Insel abgespielt habe. „Ich habe die Rettungseinheiten gebeten, mir die Situation zu beschreiben: Sie haben geantwortet, dass das Meer voller Tote ist“, sagte Nicolini.

Der italienische Premier, Enrico Letta, sprach ebenfalls von einer „riesigen Tragödie“. Innenminister Angelino Alfano sollte in den kommenden Stunden auf Lampedusa eintreffen. Eine in Rom geplante Pressekonferenz Alfanos über die politischen Entwicklungen nach der von der Regierung Letta bewältigten Vertrauensabstimmung wurde abgesagt. Verkehrsminister Maurizio Lupi forderte von der EU und der internationalen Gemeinschaft eine gemeinsame Initiative zur Bekämpfung des Flüchtlingsstroms über das Mittelmeer.

Kurz vor dem Drama war auf Lampedusa ein Flüchtlingsboot mit 463 Migranten an Bord angekommen. Sie wurden in das Auffanglager der Insel geführt, in dem sich zurzeit 700 Personen befinden. Am Mittwochabend waren weitere 117 Migranten an Bord eines Bootes gerettet und in den Hafen der sizilianischen Stadt Syrakus gebracht worden.

Erst vor zwei Wochen hatte Papst Franziskus Lampedusa besucht. Er wollte auf das Schicksal tausender Bootsflüchtlinge aufmerksam machen, die ihr Leben riskierten, um nach Europa zu gelangen. Dabei gedachte er auch der tausenden Opfer, die bei der Überfahrt ertrunken sind. Fast täglich treffen auf der Insel neue Boote mit hunderten Flüchtlingen aus Nord- und Schwarzafrika ein.

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