Landwirtschaft

Land Grabbing in Ungarn nimmt zu

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Auch österreichische Akteure sorgten für Landkonzentration und Kahlschlag in ländlichen Regionen.

Immer mehr Agrarland in Mittel-Osteuropa befindet sich konzertiert in den Händen weniger Großgrundbesitzer und Investoren, stellt eine Studie der Bauernorganisation und Via Campesina und des Netzwerks Hands-off The Land fest. In Ungarn und Rumänien mischen dabei auch Akteure aus Österreich mit, sagten Bauernvertreter aus den beiden Ländern am Mittwoch in Wien. Die EU-Landwirtschaftspolitik fördere diese Entwicklung. Auf der Strecke blieben Kleinbetriebe und die ländliche Entwicklung.

Für Auslandsinvestoren anziehend sind gute Böden, niedrige Grundstückspreise, Agrarsubventionen der EU, die große Betriebe bevorzugen, sowie nationale Förderungen für Projekte, die aus Ackerland beispielsweise Golfplätze oder Rennstrecken machen. In seiner Heimat Rumänien hätten die Regierungen seit den 90er Jahren den Einstieg ausländischer Großinvestoren begünstigt, sagte Attila Szocs von der Organisation EcoRuralis. "Sechs Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Rumänien sind schon dem Land Grabbing zum Opfer gefallen", gab Szocs zu bedenken.

Dies ziehe vor allem "super-intensiv bewirtschaftete, auf den Export ausgerichtete Monokulturen" nach sich, die rein auf den "unmittelbaren Gewinn" abzielten - mit negativen Folgen dieser "Unverantwortlichkeit": "Missachtung der Umwelt", "aussterbende Dörfer", "Streit um Wasserressourcen", zählte Szocs auf. Jene Kleinbauern, die durch die Regierungspolitik vom Weitermachen entmutigt würden, fänden sich dann allzu oft als erdbeerpflückende Gastarbeiter und Niedriglohnempfänger auf spanischen Plantagen wieder. Sie könnten sich keine zusätzlichen Flächen leisten, um auf Betriebsgrößen zu kommen, die sie benötigten, um ihre Familien zu erhalten.

"Es gibt keine lokale Entwicklung, lokale Gemeinschaften verschwinden", pflichtete ihm Bio-Bauer Dan Cismas bei. Szocs betont: "Wir sind keine Nationalisten." Es gehe nicht darum rumänisches Land nur Rumänen zugänglich zu machen. Cismas verwies auf zahlreiche Projekte in der nachhaltigen Landwirtschaft mit ausländischen Partnern, die man befürworte.

Die Lankonzentration in Rumänien hin zu Firmen aus dem Ausland spiele sich auf legaler Basis ab, wobei es laut Szocs allerdings zu Korruption gekommen sei. Anders ist die Lage in Ungarn: Dort konnten Ausländer zwischen 1990 und 1994 legal Grund und Boden erwerben. Später wurde das aber verboten. Der EU-Beitritt Ungarn machte jedoch eine erneute Öffnung nötig, wobei diese aber nach einer Übergangsphase erst im Mai nächsten Jahres endgültig erfolgen wird.

Laut Robert Fidrich, der den Ungarn-Beitrag der Land-Grabbing-Studie verfasst hat, könnte dies einerseits zu verstärkter Landkonzentration ab Mitte 2014 führen, andererseits hätten sich Investoren und Fonds aus Österreich, Italien, Deutschland oder den Niederlanden bereits über sogenannte "Taschenverträge" längst eine Million Hektar und mehr an Ländereien gesichert. Dabei wurden "im Geheimen" und "intransparent" bereits Verträge mit Land Grabbern abgeschlossen, nur das Datum sei offengelassen worden. Nach Auslaufen der Übergangsfrist werde das Datum ergänzt und der Verkauf bei den Behörden registriert.

Diese Taschenverträge, die den bisherigen Eigentümern bereits die Kontrolle über ihre Äcker entzogen haben, sind auch der rechtskonservativen ungarischen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban ein Dorn im Auge. Sie wurden in das neue Strafgesetzbuch aufgenommen. Eine mögliche Enteignung sorgte für Unruhe unter den rund 200 Österreichern, die im Nachbarland landwirtschaftliche Flächen besitzen und rief auch die Bundesregierung auf den Plan: Außenamts-Staatssekretär Reinhold Lopatka (V) pochte vorige Wochen in Budapest auf Rechtssicherheit. Durch österreichische Bauern in Ungarn erworbener Boden sei "nicht in Gefahr, wenn dieser rechtmäßig erworben wurde", versicherte Ungarns Europastaatssekretär Gergely Pröhle.

Mit ihrem Vorgehen setzt sich die ungarische Regierung allerdings laut Fidrich nicht unbedingt für die Anliegen Kleinbauern gegenüber ausländischer Interessen ein. Die Regierung begünstige nämlich zugleich, dass staatliche Ländereien großflächig an Personen verpachtet werden, die Orbans Fidesz-Partei nahestehen. Kritik übte Fidrich auch am neuen Gesetz zum Schutz des ungarischen Bodens vor "Spekulanten und Auslandskapital". Statt diesen würden nun durch zahlreiche "Schlupflöcher", ungarische "Oligarchen" und "Platzhirsche" massiv an Ackerflächen kommen. Kleinere Bauern gingen wieder leer aus. Fidrich forderte, dass Käufer länger in Ungarn ansässig sein müssten und die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens langfristig festgeschrieben werden müsste.

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