Konservativer Flügel der Partei von Ministerpräsident Tusk verhinderte gemeinsam mit rechtskonservativer Opposition Gesetz
Über 400.000 Polen haben in E-Mails an die rechtsliberale Regierungspartei Bürgerplattform (PO) gegen die Ablehnung eines Gesetzes für gleichgeschlechtliche Partnerschaften protestiert. Darüber berichtete die Zeitung "Gazeta Wyborcza". Der konservative Flügel der Partei von Ministerpräsident Donald Tusk hatte das Gesetz in erster Lesung verhindert, indem er am Freitag mit der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) stimmte.
"Ihr habt bewiesen, dass ihr euch nach Vorurteilen richtet - und nicht nach den Interessen von Tausenden Polinnen und Polen", heißt es im Text der standardisierten E-Mail. Politiker der PO zeigten sich beeindruckt von der großen Resonanz der Aktion. "Die Generation der 30-jährigen, von denen viele in nicht formellen Partnerschaften leben, wird uns das nicht vergessen", sagte der PO-Fraktionsvorsitzende Rafal Grupinski gegenüber dem Radiosender TOK FM.
Viele Beobachter stimmen der Opposition in ihrer Einschätzung zu, dass die Abstimmung eine persönliche Niederlage für Tusk war. "Ein schwarzer Tag für den Premier", kommentierte der Vorsitzende der SLD (Bündnis der demokratischen Linken), Leszek Miller. Von einem "Schlag ins Gesicht" für Tusk sprach Robert Biedron von der linksliberalen Bewegung Palikots (RP), der sich als erster Sejm-Abgeordneter als Homosexueller deklariert hatte, dem Fernsehsender TVN24.
Tusk hatte sich im Parlament in einer Rede für das Gesetzesprojekt eingesetzt, das aus seiner Partei stammte. "Die heutige Rechtslage entspricht nicht den Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht", erklärte Tusk. Die Abgeordneten sollten "die Augen vor der Tatsache nicht verschließen", dass es homosexuelle Paare gebe, so der Regierungschef. Das Gesetzesprojekt sah vor, dass Partner in eingetragenen Partnerschaften im Krankheitsfall Auskunft erhalten, automatisch voneinander erben und sich um das Begräbnis des anderen kümmern dürfen. Im Gegensatz zu anderen Vorschlägen schloss es eine gemeinsame Veranlagung bei der Einkommensteuer aus.
Gegen das Gesetz stellte sich Justizminister Jaroslaw Gowin (PO), er gilt als Anführer der 46 PO-Abgeordneten, die es ablehnten. Gowin erklärte, gleichgeschlechtliche Partnerschaften seien mit dem Schutz von Ehe und Familie, der in der Verfassung verankert ist, nicht vereinbar. Auch fast die gesamte Bauernpartei PSL, der kleine Koalitionspartner der PO, lehnte das Gesetz ab. Erwartet worden waren die Gegenstimmen der PiS und der rechtskonservativen Partei Solidarisches Polen (SP).
Kommentatoren weisen darauf hin, dass der Graben zwischen den konservativen PO-Abgeordneten und der Mehrheit der Fraktion immer tiefer wird. Jaroslaw Gowin und seine Anhänger sorgten schon vor kurzem für Erstaunen, als sie mit der PiS über deren geplante Verschärfung des Abtreibungsrechts stimmen wollten. Nach Insiderberichten verhinderte dies Parteichef Tusk mit der Drohung, vorgezogene Neuwahlen herbeizuführen.