Angst vor Raketen

So brutal tobt der Kampf in Libyen

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Unser Reporter Karl Wendl live vom Schlachtfeld in Brega.

 Sie nennen die Küstenstraße „Highway to Hell“, den Weg zur Hölle: Neben der zweispurigen Fahrbahn ausgebrannte Panzer, abgefackelte Pick-ups. Zeichen von heftigen Schlachten. Auch von katastrophalen Irrtümern.

So geschehen in der Nacht zum Samstag, als alliierte Bomber einen Rebbelen-Konvoi mit Gaddafi-Truppen verwechselten. Sie nahmen sie unter schweren Beschuss. 13 Menschen starben.

Ich fahre nach Brega. 200 Kilometer östlich von Bengasi. Seit Tagen hat sich hier die Front festgefressen. In der Stadt haben sich Gaddafis Truppen verschanzt. Direkt davor die Rebellen. 20 Kilometer vor Brega ein Mega-Stau auf der Küstenstraße. Hunderte PKWs, Klein-LKWs, Pick-ups verstellen die Fahrbahn. Kriegs-Chaos. In den Dünen neben der Fahrbahn: 3.000, 4.000 Rebellen. Jeder hat eine Kalaschnikow, Handgranaten. Ein wildes Waffengewirr. Die gesamte Rebellenstreitkraft.

„Bei der nächsten Rakete gibt es wieder Massaker“
Auf der Straße liegen Bahnen mit großkalibriger Munition. Mit Sprit wird sie von Sand gesäubert. Dazwischen wird geraucht, wild in die Luft geschossen. Blankes Chaos. Kommandant ist keiner ausmachbar. Nur ein Medizinteam. Chef ist Dr. Ahmed al-Gnashi (30): „Würde hier wieder eine Rakete einschlagen“, sagt er, „es gäbe abermals ein Massaker“.

Von dieser Stelle aus startete in der Nacht zum Samstag jener Rebellen-Konvoi, der von Alliierten zerbombt wurde. Der Trupp bestand aus drei Pkws und einer Ambulanz. Im Krankenwagen: Drei Sanitäter. Medizinstudenten aus Bengasi. Was keiner wusste: Zur gleichen Zeit flogen die Alliierten Angriffe auf Gaddafi-Truppen. In der Angriff-Formation auch eine Thunderbolt A-10. Das fliegende „Warzenschwein“.

Tödlicher Fehler: Rebellen schossen aus Freude
Ein langsam fliegender Jet mit enormer Feuerkraft. Der Pilot donnerte im Tiefflug über Brega. Verwechselte den Rebellen-Konvoi mit einer Gaddafi-Stellung. Feuerte. Sowohl Raketen als auch mit der Bordkanone. Die Fahrzeuge wurden zerfetzt, 10 Rebellen und drei Sanitäter verkohlten in dem Gerippe: „Wir haben selbst den Fehler gemacht“, sagen sie nun: „Unsere Leute haben Leuchtspur-Munition in die Luft geschossen, aus Freude, weil die Jets kamen. Wie hätte der Pilot das wissen können?“. Andere sagen: „Gaddafis Luftabwehr hat gefeuert, darauf hat der Pilot reagiert.“

Aussagen, die nachdenklich machen. Doch sie spiegeln die Realität wider. Niemand hat hier die Kontrolle. Von Brega ist Kampflärm zu hören. Zischen und Pfeifen von Stalinorgeln. Wer hier auf wen schießt, ist nicht auszumachen. Ständig rasen Jeeps über die Wüstenstraße, kommen wieder zurück.

„Schaffen wir keine Ordnung in den eigenen Reihen“, sagt Dr. Gnashi, „werden schreckliche Vorfälle wie diese immer wieder geschehen. Euphorie allein ist zu wenig“.

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