Grossi: Nach Rückkehr Pressekonferenz in Wien

IAEA-Mission: Zwei Inspektoren bleiben in AKW Saporischschja

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IAEA-Chef Rafael Grossi will nach seiner Rückkehr aus der Ukraine noch am Freitagabend in Wien vor die Presse treten.

Kiew (Kyjiw)/Moskau/Saporischschja. Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben sechs Munitionsdepots im von russischen Truppen besetzten Süden des Landes zerstört. Fünf Munitionslager seien im Gebiet Cherson vernichtet worden, teilte das Kommando "Süd" des ukrainischen Militärs am Freitag auf Facebook mit. Daneben soll in der Stadt Melitopol im Gebiet Saporischschja ein Depot zerstört worden sein. Gleichzeitig herrscht Skepsis hinsichtlich einer neutralen IAEA-Begutachtung des AKW Saporischschja.

Ein nach Beschuss abgeschalteter Reaktor ist mittlerweile wieder ans Netz gegangen. Der Block fünf werde gerade wieder auf volle Leistung gebracht, teilte der ukrainische Atomkraftwerksbetreiber Enerhoatom am Freitag via Telegram mit. Wegen Mörserbeschuss war tags zuvor eine Notabschaltung eingeleitet worden.

Selenskyj enttäuscht über bisherige Inspektion

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich über die bisherige Inspektion des AKW enttäuscht. Der IAEA warf er am Donnerstag in seiner allabendlichen Ansprache vor, nicht deutlich die "Entmilitarisierung" des unter russischer Kontrolle stehenden Nuklearstandorts gefordert zu haben. Dabei habe er noch am Dienstag während eines Treffens mit IAEA-Chef Rafael Grossi in Kiew darüber gesprochen.

Bereits am Freitag erklärte Selenskyj, die Mission der IAEA könnte trotz der Schwierigkeiten, die durch die russische Präsenz vor Ort entstanden sind, weiterhin wichtig sein. "Wir haben alles getan, um sicherzustellen, dass die IAEA Zugang zum Kernkraftwerk Saporischschja erhält, und ich glaube, dass diese Mission immer noch eine Rolle spielen kann", sagte Selenskyj. Nach russischen Angaben werden zwei IAEA-Inspektoren dauerhaft im Kernkraftwerk bleiben.

IAEA-Chef Rafael Grossi will nach seiner Rückkehr aus der Ukraine noch am Freitagabend in Wien vor die Presse treten. Auf dem Flughafen in Schwechat ist laut IAEA gegen 20.00 Uhr MESZ eine Pressekonferenz geplant, teilt die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) mit. Grossi leitet den IAEA-Einsatz in Saporischschja.

"Die Besatzer lügen, verfälschen Tatsachen und Beweise"

Das staatliche ukrainische Atomunternehmen Enerhoatom bezweifelt indes, dass die Mission internationaler Atomexperten im Atomkraftwerk Saporischschja im Süden des Landes zur Klärung beitragen kann. "Die Besatzer lügen, verfälschen Tatsachen und Beweise", kritisierte Enerhoatom am Freitag mit Blick auf Russland am Freitag im Nachrichtenkanal Telegram. Der Delegation sei zudem der Zutritt ins Krisenzentrum der Anlage verwehrt worden. Dort sei derzeit russisches Militärpersonal stationiert. Russland unternehme alle Anstrengungen, dass keine Fakten zum AKW bekannt würden.

Nach Angaben des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu hat seine Armee keine schweren Waffen im besetzten Atomkraftwerk Saporischschja in der Südukraine stationiert. "Ich erkläre verantwortungsvoll, dass wir keine schweren Waffen auf dem Gelände des Kernkraftwerks oder in den angrenzenden Gebieten haben", sagte er am Freitag in Moskau. Er hoffe, die Experten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA könnten sich davon überzeugen. Gleichzeitig warf er der Ukraine erneut vor, das Atomkraftwerk zu beschießen und damit eine nukleare Katastrophe in Europa zu riskieren.

Die ukrainische Gegenoffensive im Süden des Landes scheiterte Schoigu zufolge weitgehend. "Die ukrainischen Streitkräfte setzen den Versuch von Angriffen im Raum zwischen Mykolajiw und Krywyj Rih und in anderen Richtungen fort, der Feind erleidet hohe Verluste", sagte Schoigu am Freitag.

Ziel der ukrainischen Angriffe ist es, die westlich des Dnipro stehenden russischen Truppen im Gebiet Cherson hinter den Fluss zurückzutreiben. Im Gegensatz dazu erklärte Schoigu, die russischen Truppen seien an die Gebietsgrenze zur benachbarten Region Mykolajiw vorgestoßen. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen.

Schweigen über Verlauf der Bodenoperationen

Über den Verlauf der Bodenoperationen hüllt sich die ukrainische Militärführung in Schweigen. Informationen gibt es lediglich über die Schläge der eigenen Artillerie. Demnach wurden neben den fünf Depots auch zwei von den Russen genutzten Fährverbindungen über einen Fluss getroffen. Die Brücken seien ebenso weiter unter Beschuss, teilte das ukrainische Militär mit. Die Fähr- und Brückenverbindungen gelten als strategisch wichtig für den Nachschub der russischen Kräfte westlich des Flusses Dnipro.

Im ebenfalls teilweise von russischen Truppen besetzten Gebiet Saporischschja ist erneut Melitopol Ziel ukrainischer Artillerieangriffe geworden. Ein Munitionslager nahe des Flughafens sei dabei so genau getroffen worden, dass es noch stundenlang Explosionen gegeben habe, teilte der ukrainische Bürgermeister der Großstadt, Iwan Fjodorow, auf seinem Telegram-Kanal mit. Auf dem beigefügten Video sind heftige nächtliche Detonationen zu erkennen.

Auch Großbritannien zufolge gehen die schweren Kämpfe im Süden der Ukraine weiter - auch im Bezirk Enerhodar, in dem das AKW Saporischschja liegt. Das teilte das britische Verteidigungsministerium mit. In Enerhodar geriet laut britischen Angaben ein Wohnhaus unter Beschuss. Soldaten liefen umher und Hubschrauber flögen über dem Gebäude. Es war nicht möglich festzustellen, wer geschossen hatte.

Beschuss von Enerhodar

Der von Russland eingesetzte Gouverneur der Region Saporischschja, Jewgeni Balizki, sagte, beim ukrainischen Beschuss von Enerhodar seien mindestens drei Menschen getötet und fünf verwundet worden. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak meinte dagegen, Russland habe den Vorfall in Enerhodar inszeniert, um der Ukraine die Schuld zu geben.

Unterdessen tauschten im ostukrainischen Gebiet Donezk die Ukraine und Russland erneut Gefangene aus. Es seien 14 Ukrainer freigekommen, teilte am Freitag der für Kriegsgefangene zuständige Koordinationsstab in Kiew im Nachrichtenkanal Telegram mit. Die Soldaten von zwei motorisierten Brigaden seien seit dem Frühling in Gefangenschaft gewesen. Unter ihnen befanden sich demnach ein Offizier und ein Militärsanitäter. Eine Bestätigung der russischen Seite stand zunächst noch aus. Kiew teilte nicht mit, wie viele russische Soldaten im Gegenzug freikamen. In der Regel lassen beide Seiten gleich viele Militärangehörige frei.

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