Lufteinschläge

Schwerster Angriff auf die Ukraine seit Kriegsbeginn

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Bei beispiellosen russischen Raketen- und Drohnenangriffen auf die Ukraine sind laut offiziellen Angaben aus Kiew mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen.  

Die Zahl der Verletzten wurde am Freitag mit 75 angegeben, meldeten ukrainische Medien unter Berufung auf das Innenministerium. Es handelte sich laut dem ukrainischen Militär um die größte Welle an Luftattacken seit Beginn der umfassenden, russischen Invasion im Februar 2022. In vier Regionen ist der Strom ausgefallen.

Allein in der östlichen Stadt Dnipro gab es fünf Todesopfer unter Zivilisten und mehr als 20 Verletzte, wie die dortige Militärverwaltung mitteilte. Das ganze Land wurde mit Luftschlägen überzogen. Laut der ukrainischen Luftwaffe kamen 158 Raketen und Kampfdrohnen gegen das Land zum Einsatz. Der ukrainische Oberbefehlshaber Waleryj Saluschnyj sprach von 122 Raketen und Marschflugkörpern sowie von 36 Drohnen. Die Flugabwehr habe über 70 Prozent davon abfangen können. Der Angriff erfolgte dabei demnach in mehreren Wellen aus verschiedenen Richtungen und unter Einsatz strategischer Bomber. Ziel der Angriffe seien Einrichtungen der zivilen und militärischen Infrastruktur sowie der Industrie gewesen.

Enorme Schäden

Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sind die Schäden im zivilen Bereich groß, eine Entbindungsstation, Bildungseinrichtungen, ein Einkaufszentrum und viele private Wohnhäuser seinen getroffen worden, teilte er mit. Die Aussagen unterlegte er mit einem Video, das unter anderem ein völlig zerstörtes Einkaufszentrum zeigte. "Heute hat Russland mit fast allem geschossen, was es in seinem Arsenal hat - mit Kinschal, S-300, Marschflugkörpern, Drohnen. Strategische Bomber haben Ch-101/Ch-505 (russische Marschflugkörper) abgefeuert", schrieb Selenskyj. Er sprach von einem terroristischen Akt, versicherte aber zugleich, dass die Ukraine darauf antworten werde. Russland werde seinen Angriffskrieg verlieren; und die Ukraine werde alles dafür tun, ihre eigene Sicherheit zu garantieren.

Russland hat vor mehr als 22 Monaten den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Regelmäßig beschießt das russische Militär dabei auch zivile Einrichtungen hinter der Front, um die Widerstandskraft der Ukrainer zu brechen.

Todesopfer wurden auch aus nordöstlichen Charkiw, dem westlichen Lwiw (Lemberg) und dem südlichen Odessa gemeldet. In Dnipro wurden nach Angaben des Gouverneurs der Region die von Selenskyj genannte Entbindungsklinik und ein Einkaufszentrum getroffen. Das Gesundheitsministerium teilte mit, dass eine nicht näher bezeichnete medizinische Einrichtung in der Stadt erheblich beschädigt worden sei. Alle Patienten und Mitarbeiter hätten sich aber in Sicherheit bringen können.

In der Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa wurden zwei Menschen getötet, wie der dortige Regionalgouverneur zunächst mitteilte. Mindestens 15 weitere Menschen seien verletzt worden, darunter zwei Kinder. Raketen seien in Wohnhäuser eingeschlagen. Lokale Medien meldeten unter Berufung auf das Gesundheitsministerium den Beschuss eines Schulgebäudes. Nach Angaben von Bürgermeister Hennadij Truchanow geriet ein Hochhaus bei einem "weiteren feindlichen Angriff" in Brand. Es sei von Trümmern einer abgeschossenen Drohne getroffen worden.

Ein Todesopfer wurde zunächst aus der Großstadt Charkiw im Nordosten der Ukraine gemeldet. Dort gab es zudem acht Verletzte. Bürgermeister Ihor Terechow erklärte im Fernsehen, es seien 22 Luftangriffe auf die Stadt gezählt worden. Ein Krankenhaus, mehrere Wohngebäude und Industrieanlagen seien getroffen worden.

Angriffe auf die ganze Ukraine

In Lwiw wurde den Behörden zufolge ein Wohngebäude von einer Rakete getroffen. Ein Mensch starb, drei weitere wurden verletzt, wie der Gouverneur der Region, Maksym Kosyzkyj, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram in einer ersten Reaktion mitteilte. Lwiw war im Ukraine-Krieg bisher vergleichsweise selten Ziel russischer Angriffe.

Aus der Hauptstadt Kiew wurden ebenfalls sieben Verletzte gemeldet. Bürgermeister Witali Klitschko teilte auf Telegram mit, eine als Luftschutzraum genutzte U-Bahn-Station sei beschädigt worden. Laut der Stadtverwaltung geriet ein Wohngebäude durch herabstürzende Trümmer in Brand. Auch eine Lagerhalle stehe in Flammen. Klitschko erklärte weiter, die Luftabwehr in Kiew sei im Großeinsatz.

Auch aus den Städten Sumy und Konotop wurden nächtliche Angriffe gemeldet. Die ukrainische Luftwaffe sprach von einem massiven Luftangriff mit verschiedensten Waffen. So habe Russland neben Drohnen auch Marschflugkörper sowie Hyperschall- und ballistische Raketen eingesetzt, teilte ein Sprecher im Fernsehen mit. Auch Raketen des Typs X-22 kämen zum Einsatz, die extrem schwer abzufangen seien.

Nach den massiven russischen Luftschlägen kam es nach Angaben der Regierung in Kiew in vier ukrainischen Regionen zu Stromausfällen. Betroffen davon seien der Norden und Süden des Landes, teilte das Energieministerium mit. Ministerpräsident Denys Schmyhal warf Russland vor, nicht nur die Energie- sondern auch die soziale Infrastruktur ins Visier zu nehmen.

Am Donnerstag waren bei russischen Angriffen auf mehrere Ziele in der Region Saporischschja im Süden der Ukraine nach Angaben der ukrainischen Behörden drei Menschen getötet und neun weitere verletzt worden.

Der Stabschef des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, bat die westlichen Verbündeten der Ukraine erneut um weitere Militärhilfen. "Wir tun alles, um unseren Luftschutzschild zu stärken. Aber die Welt muss einsehen, dass wir mehr Unterstützung und Kraft brauchen, um diesen Terror zu stoppen", schrieb Jermak auf Telegram. Die USA hatten am Mittwoch ihre vorerst letzte Militärhilfe für die von Russland im Februar 2022 angegriffene Ukraine im Umfang von 250 Millionen Dollar (gut 226 Millionen Euro) freigegeben. Eine Einigung auf neue Ukraine-Hilfen ab dem kommenden Jahr war zuletzt am Widerstand der oppositionellen Republikaner im US-Kongress gescheitert.

Aus Russland gab es zu der jüngsten Angriffswelle zunächst keine Äußerungen. Moskau erklärte jedoch, einen "versuchten" ukrainischen Drohnenangriff vereitelt zu haben. Dieser habe auf die Region Kursk im Westen Russlands gezielt.

Charkiws Bürgermeister Terechow sprach von einem "massiven Angriff" in drei Wellen. Die Polizei der Region Charkiw erklärte, die Stadt sei in der Früh mit Raketen vom Typ S-300 angegriffen worden, in der Stadt seien zehn Explosionen zu hören gewesen. Die regionale Militärverwaltung von Charkiw erklärte, Russland habe etwa zehn Angriffe auf die Stadt ausgeführt. Der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, teilte mit, es habe zwei Angriffe gegeben.

(Redaktionelle Hinweise: GRAFIK 1689-23, Format noch offen.)

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