Trotz Waffenruhe

Ukraine: Mariupol unter Beschuss

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Separatisten warfen Truppen Verletzung der Feuerpause vor.

Einen Tag nach Inkrafttreten einer Waffenruhe ist es bei der ostukrainischen Stadt Mariupol offenbar zu erneuten gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. In der Hafenstadt waren am Samstagabend laut Medienberichten anhaltendes Artilleriefeuer aus östlicher Richtung und mehrere schwere Explosionen zu hören. Bereits zuvor hatten sich beide Seiten gegenseitig den Bruch der Feuerpause vorgeworfen.

Artillerieangriff
"Es gab einen Artillerieangriff. Wir haben eine Reihe von Einschlägen abbekommen, aber noch keine Informationen über Opfer", erklärte ein Offizier der ukrainischen Armee vor Ort. Die Rebellen warfen unterdessen den Regierungstruppen vor, Stellungen nahe Mariupol zu beschießen.

Wie ein Separatistenvertreter am Samstag berichtete, sei die Feuerpause schon drei Stunden nach Inkrafttreten von den Regierungstruppen in Donezk gebrochen worden. Die prowestliche Führung in Kiew wies die Beschuldigungen zurück und warf ihrerseits den militanten Gruppen Verstöße vor. Die Separatisten hätten am Freitag 28 Mal auf ukrainische Einheiten geschossen, zehn der Vorfälle hätten sich nach Inkrafttreten der Waffenruhe ereignet.

Trotz den Vorwürfen wollen die Aufständischen ihrer Gefangenen bald freilassen. "Noch heute werden wir die ersten Männer gehen lassen, trotz der Verstöße des ukrainischen Militärs gegen die Waffenruhe", sagte Separatistenführer Alexander Sachartschenko am Samstag. Er gehe davon aus, dass die Regierung in Kiew ihre Gefangenen spätestens an diesem Montag überstelle. Die Aufständischen haben Schätzungen zufolge etwa 1.000 Soldaten in Gefangenschaft, die prowestliche Führung demnach etwa 200 Kämpfer.

Weitere Maßnahmen

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin waren sich bei einem Telefonat unterdessen einig gewesen, dass die Waffenruhe halte. Es seien aber weitere Maßnahmen nötig, um ihn dauerhaft zu machen. Die große Skepsis der Bevölkerung zeigte aber gleichzeitig, wie groß das Misstrauen und wie verhärtet die Fronten sind.

Nach Einschätzung des Roten Kreuzes die Waffenruhe noch nicht völlig stabil. Die Organisation habe in der Früh Lastwagen mit humanitärer Hilfe in die Separatistenhochburg Luhansk (Lugansk) geschickt, wegen Granateneinschlags hätten die Fahrzeuge aber umdrehen müssen, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz am Samstag per Twitter mit.

Neue Sanktionen?
Sollte die Waffenruhe nicht halten, sollen Anfang der Woche neue Sanktionen gegen Russland in Kraft treten. Die EU-Botschafter hatten sich am Freitag auf eine Verschärfung der Strafmaßnahmen gegen Russland verständigt. Wirksam werden sollen sie allerdings erst zu Beginn der Woche. Die EU erklärte zudem, die zusätzlichen Strafmaßnahmen könnten ausgesetzt werden, wenn Russland seine Soldaten aus der Ostukraine abziehe und die neu vereinbarte Waffenruhe zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungseinheiten eingehalten werde.

Russland kündigte für den Fall neuer EU-Strafmaßnahmen eine Reaktion an. "Sollte die neue Liste der Sanktionen der Europäischen Union in Kraft treten, wird es zweifellos eine Reaktion von unserer Seite geben", warnte das Außenministerium. Die EU sende mit der Drohung ein Signal der Unterstützung für die "Kriegstreiber" in Kiew.

Schwere Menschenrechtsverletzungen
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf den Konfliktparteien unterdessen schwere Verstöße vor. "Alle Seiten in diesem Konflikt haben Missachtung für das Leben von Zivilisten gezeigt und verletzen eklatant ihre internationalen Verpflichtungen", teilte Generalsekretär Salil Shetty mit. Amnesty-Helfer hätten in der Ostukraine Fälle von willkürlichem Beschuss, Entführungen und Morde dokumentiert. Die Verbrechen würden sowohl von prorussischen Separatisten als auch von Milizen aufseiten der Regierung begangen. Die Regierung in Kiew müsse die Täter zur Rechenschaft ziehen.

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