Stanley Praimnath

"Durch den Schock ist mein Nervensystem kollabiert"

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Feuerball. Der Investmentbanker Stanley Praimnath (58) sitzt im 81. Stock des World-Trade-Center-Südturms in den Büros der "Fuji Bank" , als er das ohrenbetäubende Röhren hört.

„Ich starre in diesen riesigen Jumbo, gerade 100 Meter weg, sehe noch die Buchstaben U und A”, sagt er mit zittriger Stimme. „Der Jumbo rast auf mich zu, nochmals heulen die Triebwerke auf”, fährt Stanley fort. Als tiefgläubiger Kirchenmann ruft er aus: „Lieber Gott, ich lege mein Schicksal in deine Hände!” Dann hechtet er unter den Schreibtisch. Er überlebt die Explosion, den Aufprall des 179 Tonnen schweren Jumbos mit 91.000 Liter Kerosin und 930 km/h. Neben ihm liegt ein Teil der brennenden Tragfläche. „In dem Feuerball, den die ganze Welt im Fernsehen gesehen hat”, erzählt er, „genau da war ich drinnen!”

Stanley weint, betet, brüllt trotzig in das Inferno: „Ich will nicht sterben! Ich will meine Frau und meine Töchter wiedersehen!”

Überlebenskampf
Er kriecht durch den beißenden Rauch, stößt an eine Zwischenwand, hört Geräusche. „Spring drüber, wenn du leben willst”, ruft Brian Clark, Vizepräsident der Firma „Euro Brokers”. Die Wand ist drei Meter hoch, Stanley schafft es nicht, ein rostiger Nagel reißt eine tiefe Fleischwunde in seine Hand. Schließlich stößt er seine Faust in „einer Explosion an verbliebener Kraft”, wie er sagt, durch die Spanplatte, beide machen das Loch größer und Stanley steht seinem Retter gegenüber. Er küsst ihn auf die Wange, doch Clark, ganz Brite, zuckt zurück und streckt ihm förmlich die Hand entgegen. „Von nun an sind wir Brüder für den Rest unseres Lebens”, sagt Stanley. Die Männer entkommen, Sekunden bevor der Turm kollabiert. Doch auch für die Überlebenden ist nach 9/11 nichts mehr so wie es war.

Praimnath etwa verließ die Praxis des Therapeuten nach nur drei Sitzungen, obwohl er nach seiner Rettung tagelang nur unverständliches Zeug plapperte und wochenlang kaum Menschen erkannte. „Durch den Schock ist mein Nervensystem kollabiert”, sagt er. Doch drei Wochen nach dem Horror nahm er die Arbeit wieder auf, tingelt heute mit seiner „gottgewollten Überlebensgeschichte”, wie er sagt, durchs Land, um Leuten Hoffnung zu geben. Und immer wieder erzählt er dann von dem Sicherheitsmann, der bei einem Schwerverletzten im Stiegenhaus blieb und sein Leben dafür opferte. „Aber der Wachmann wollte nicht von seiner Seite weichen.“

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