Wiege der Menschheit

"Höllenloch der Schöpfung" droht Auslöschung durch Mega-Erdbeben

Die Luft flimmert, der Boden brennt. Wer die Danakilwüste im Nordosten Äthiopiens betritt, betritt eine der extremsten Landschaften der Erde. Tagsüber klettert das Thermometer regelmäßig über die 60-Grad-Marke – Rekordwerte, die selbst das US-amerikanische Death Valley übertreffen.  

In dieser glutheißen Senke, gelegen im Dreiländereck von Äthiopien, Eritrea und Dschibuti, scheint Leben kaum vorstellbar. Und doch gilt die Danakil als eine der Wiegen der Menschheit. Heute aber steht sie vor einem dramatischen Wandel.

Während aus dem Nordosten beständig heiße Passatwinde einfallen, schirmt das äthiopische Hochland im Westen jeden Tropfen Regen ab. Die Folge: eine trockene Höllenlandschaft, deren Jahresdurchschnittstemperatur 34,4 Grad Celsius beträgt. Straßen aus Asphalt sucht man hier vergeblich – sie würden schlichtweg in der Hitze schmelzen.

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Und doch war die Region einst ein lebensfreundliches Paradies – eine Flachwasserzone, die wohl zum Roten Meer gehörte. Korallenreste deuten auf eine reiche Unterwasserwelt hin. Im Laufe von Jahrmillionen hob und senkte sich das Land wiederholt, bis es schließlich austrocknete. Heute ist das sogenannte Afar-Dreieck geologisch einer der aktivsten Orte der Welt: Drei Kontinentalplatten driften hier mit mehreren Zentimetern pro Jahr auseinander – der afrikanische Kontinent zerbricht, ein neuer Ozean entsteht.

Unter dem Meeresspiegel - Dammbruch droht

Bereits jetzt liegt die Danakilsenke rund 100 Meter unter dem Meeresspiegel, nur noch ein rund 25 Meter hoher Felsriegel trennt sie vom Roten Meer. Sollte dieser natürliche Damm brechen – etwa infolge eines Erdbebens –, könnte das Gebiet binnen Tagen überflutet werden. Und mit ihm würde nicht nur eine spektakuläre Landschaft untergehen, sondern auch ein einzigartiges Forschungsgebiet.

Denn hier, im sogenannten „Höllenloch der Schöpfung“, fanden Paläoanthropologen einige der bedeutendsten Fossilien der Menschheitsgeschichte. 1976 entdeckten sie „Lucy“, ein 3,2 Millionen Jahre altes Skelett der Frühmenschenart Australopithecus afarensis. Lucy konnte bereits aufrecht gehen und gilt als eine der bekanntesten Vorfahrinnen des modernen Menschen. 2009 folgte ein weiterer Sensationsfund: „Ardi“, ein noch älterer Hominid der Art Ardipithecus ramidus, lebte vor 4,4 Millionen Jahren. Seine Existenz wirft bis heute Fragen zum Ursprung des aufrechten Gangs auf – denn Ardi lebte nicht in der Savanne, sondern im Wald.

Doch das Zeitfenster für weitere Entdeckungen schließt sich. Erdbeben erschüttern die Region regelmäßig, der aktive Vulkan Erta Ale brodelt, einer von nur fünf Lavasee-Vulkanen weltweit. Und im nahegelegenen Dallol steigen ätzende Salzlösungen aus dem Boden, färben die bizarren Gesteinsformationen schwefelgelb und rötlich. Das Afar-Volk, das hier in der Hitze überlebt, gewinnt aus dem Salz noch heute seinen Lebensunterhalt. Doch die schroffe Schönheit der Danakil ist bedroht.

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