20-Seiten-Haftbefehl

Demjanjuk wird an D ausgeliefert

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John Demjanjuk wird ausgeliefert - am Dienstag soll der mutmaßliche NS-Verbrecher in München landen. Ein Eilantrag, Deutschland die Aufnahme zu untersagen, scheiterte am Montag.

Der mutmaßliche NS-Verbrecher John Demjanjuk wird am Dienstag in Deutschland erwartet. Er soll im Laufe des Vormittags in München landen. Von Bord der Maschine soll der 89-Jährige sofort ins Untersuchungsgefängnis Stadelheim gebracht werden. Ein Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Deutschland die Aufnahme zu untersagen, scheiterte am Montag.

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Rettung holte ihn ab
Demjanjuk hat am Montagnachmittag (Ortszeit) in einem Krankenwagen sein Haus in Seven Hill (US-Bundesstaat Ohio) verlassen. Es war zunächst unklar, ob er von US-Justizbeamten zum Flughafen nach Cleveland gebracht werden sollte oder aber in ein Krankenhaus.

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Vergeblich gegen Abschiebung gewehrt
Der 89-Jährige hatte sich seit Wochen in den USA vor allem mit Hinweis auf seinen schlechten Gesundheitszustand gegen seine Abschiebung gewehrt und den Obersten Gerichtshof eingeschaltet. Die Staatsanwaltschaft München wirft Demjanjuk vor, während des Zweiten Weltkrieges als 23-jähriger Wachmann im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen Beihilfe zum Mord an mindestens 29.000 Juden geleistet zu haben. Das Amtsgericht München hatte im März dieses Jahres Haftbefehl gegen ihn erlassen.

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US-Beamte hatten Demjanjuk bereits am Freitagnachmittag (Ortszeit) einen Vollstreckungsbefehl mit der Anweisung überbracht, sich der Immigrationsbehörde in Cleveland (Ohio) zwecks Abschiebung nach Deutschland zu stellen.

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Demjanjuk lebt in Seven Hills, einem Vorort der Stadt. Richter John Paul Stevens vom Obersten Gerichtshof der USA hatte am Donnerstag einen Antrag Demjanjuks auf eine Blockade der Abschiebung abgelehnt. Auch ein neuer Vorstoß Demjanjuks vor dem Verwaltungsgericht Berlin war in der vergangenen Woche gescheitert. Die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg blieb nun ebenfalls erfolglos.

Die Richter urteilten am Montag, eine Entscheidung darüber, ob eine abgeschobene Person in Deutschland aufgenommen werde, könne die deutsche Seite auch noch nach deren Eintreffen treffen. Die Frage, ob Demjanjuk transportfähig, insbesondere flugtauglich sei, unterliege nicht der Prüfung durch deutsche Behörden oder Gerichte. Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" informierte Demjanjuks amerikanischer Anwalt John Broadley das US-Justizministerium, dass man keine weiteren juristischen Schritte plane.

20-seitiger Haftbefehl
Der mutmaßliche NS-Verbrecher, dessen Abschiebung schon einmal in letzter Minute gestoppt worden war, wird voraussichtlich in einer gecharterten Maschine von Cleveland nach München geflogen, sagte sein Münchner Anwalt Günther Maull der Deutschen-Presse-Agentur dpa. Am Flughafen in München soll Demjanjuk abgeschirmt von der Öffentlichkeit von den deutschen Behörden in Empfang genommen und zunächst festgenommen werden. Von dort solle er zur Justizvollzugsanstalt Stadelheim gebracht werden. Erst dort soll ihm der rund 20-seitige Haftbefehl eröffnet werden.

Die Maschine, mit der Demjanjuk am Dienstag in München ankommen soll, sei für gesundheitlich gefährdete Passagiere ausgestattet, sagte Maull. An Bord seien Klinikgeräte sowie Sauerstoff und ein Defibrillator, außerdem werden ein Arzt und ein Pfleger den Flug begleiten. Am Vormittag soll in München zugleich der möglicherweise letzte Überlebende von Sobibor, der 82 Jahre alte Thomas Blatt, richterlich vernommen werden. Blatt hatte als 15-Jähriger in dem Lager Eltern und Bruder verloren und will als Nebenkläger auftreten.

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