Der türkische Ministerpräsident will eine neue Verfassung für sein Land. Noch vor dem nächsten EU-Fortschrittsbericht soll der Entwurf vorliegen.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will Ende kommenden Monats den Entwurf für eine neue Verfassung für sein Land vorlegen. Die "zivile Verfassung" (im Gegensatz zu der vom Militär diktierten von 1982) werde derzeit von einer Kommission seiner Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) erarbeitet, sagte Erdogan nach türkischen Zeitungsberichten vom Dienstag. Ende September und damit noch vor dem nächsten Fortschrittsbericht der EU zum Bewerberland Türkei soll der Entwurf vorgestellt und anschließend mit anderen politischen Parteien sowie mit Verbänden und Institutionen diskutiert werden. Die Beratungen sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Anschließend ist eine Volksabstimmung über die Annahme der Verfassung geplant.
Weniger Macht fürs Militär
Die derzeit geltende
Verfassung wurde nach dem letzten Staatsstreich der Militärs von 1980
ausgearbeitet und wird von Rechtsexperten schon lange als undemokratisch und
restriktiv kritisiert. Nach Presseberichten sieht die neue "zivile
Verfassung" unter anderem eine Ausweitung der bürgerlichen Freiheitsrechte
und eine weitere Eindämmung der politischen Macht der Militärs vor. Die neue
Verfassung könnte positive Auswirkungen auf die türkische EU-Bewerbung haben.
Beitritts-Verhandlungen gestoppt
Zum Thema EU sagte Erdogan am
Montagabend in einem Fernsehinterview, wenn bis Ende des Jahres unter
portugiesischer Ratspräsidentschaft drei weitere Verhandlungskapitel
eröffnet werden könnten, bedeute dies, "dass der Zeitplan gut funktioniert".
Mit Blickrichtung auf die Zypern-Frage schloss Erdogan erneut einseitige
Zugeständnisse der Türkei hinsichtlich der von der EU geforderten
Hafenöffnung aus. Im Dezember hatte Brüssel die Beitrittsverhandlungen mit
der Türkei in acht der 35 Arbeitskapitel eingefroren, nachdem die Regierung
in Ankara sich geweigert hatte, ihre Häfen und Flughäfen für das EU-Mitglied
Zypern zu öffnen.
Zur Kritik am AKP-Präsidentschaftskandidaten Außenminister Abdullah Gül sagte Erdogan im Fernsehsender Kanal D, in dem Moment, in dem Gül zum Staatsoberhaupt gewählt werde, würden die Seile zwischen ihm und der Regierungspartei gekappt. Schließlich werde Gül der Präsident aller Türken sein. Mit der Wahl Güls im Parlament wird spätestens am kommenden Dienstag gerechnet.