Plassnik über Türkei

"Wir brauchen eine Atempause bei EU-Verhandlungen"

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Vor dem entscheidenden EU-Gipfel fordert Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik eine Verhandlungspause mit der Türkei. Und schlägt den Türken statt dem EU-Beitritt eine „Gemeinschaft“ vor.

ÖSTERREICH: Die Türkei lenkt im Zypern-Streit ein. Wird das die Chancen der Türken auf einen EU-Beitritt verbessern?
URSULA PLASSNIK: Von Einlenken kann noch keine Rede sein. Die österreichische Position ist, dass es in den Verhandlungen keine Automatik für einen EU-Beitritt der Türkei geben darf, sondern dass das ein Verhandlungsprozess mit einem offenen Ende sein muss. Und dass es eine Alternative zum Beitritt geben muss.

ÖSTERREICH: Es gibt immer mehr Skeptiker für einen EU-Beitritt der Türkei. Finanzminister Grasser hätte sogar gerne ein „Nein“ zum Beitritt der Türkei in der Koalitionsvereinbarung.
PLASSNIK: Das ist nicht meine Position. Ich halte es nicht für richtig, die Türe zuzuschlagen. Ich will einen ernsten, offenen Verhandlungsprozess. Aber eines ist auch klar: Wir können in den Verhandlungen mit der Türkei nicht weiter machen, als wäre nichts geschehen. Wir können nicht weitermachen, als wäre alles in Ordnung.

ÖSTERREICH: Sie sprechen den kritischen Bericht der Europäischen Kommission an...
PLASSNIK: Dieser Bericht ist ein sehr kritischer. Wir werden ihn Montag im Rahmen der Außenminister diskutieren – und ich werde mich dabei einsetzen für eine Atempause in den Verhandlungen. Ich glaube wir brauchen eine Atempause zwischen EU und Türkei, weil ich sehe, dass wir sonst auf einen Konflikt zusteuern, der beiden Seiten nichts bringt.

ÖSTERREICH: Wie soll diese Atempause konkret aussehen?
PLASSNIK: Ich glaube wir brauchen eine Verhandlungspause, ein Aussetzen der Verhandlungen mit der Türkei von mindestens einem Jahr - das ergibt sich auch aus den innenpolitischen Gegebenheiten der Türkei. Dort finden im nächsten Jahr zwei Wahlen statt – Parlament und Präsident – und dann 2008 noch die Wahl in Zypern. In dieser Zeit sollte es eine Verhandlungspause geben, die Türkei sollte ihre Klärungsprozesse, ob sie etwa bei Menschenrechten den europäischen Weg beschreiten will, durchführen – und dann sollte es durch die EU eine politische Bewertung geben.

ÖSTERREICH: Wird es je einen EU-Beitritt der Türkei geben?
PLASSNIK: Das ist nicht vorhersehbar, deshalb sollte es Zwischenschritte und Alternativen geben. Mein Wort dafür wäre „türkisch-europäische Gemeinschaft“, die sehr partnerschaftlich unsere Beziehung regelt, ohne dass die Türkei gleich einen EU-Vollbeitritt erreicht.

ÖSTERREICH: Wird das Kapitel „EU-Beitritt“ der Türkei im Koalitionsabkommen stehen?
PLASSNIK: Da wird sicher festgeschrieben, dass es eine Zustimmung Österreichs zu einem EU-Beitritt erst nach einer Volksabstimmung geben wird.

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