Das sagt ÖSTERREICH

Nach Faymann-Rücktritt: Gibt es die Chance auf einen Neustart ?

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Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Werner Faymann hat am Montag das Handtuch geworfen - wie ein schwer angeschlagener Boxer, der zwar weiß, dass er das "K.O." vermeiden, den Kampf um seine Partei aber nicht mehr gewinnen kann.

Faymanns Rücktritt kam just zu dem Zeitpunkt, als er - nach Hunderten mühsamen Telefonaten - endlich die Mehrheit der Partei hinter sich hatte. Häupl, Niessl, sieben der neun Landeschefs, zuletzt sogar noch die zerstrittene Gewerkschaft hatten sich auf ein Weitermachen mit Faymann verständigt. Aber diese Unterstützung war nur widerwillig, ohne positive Energie, nur als "Notlösung", damit es "die Partei nicht zerreißt".

Diesen großen Unmut in der Partei hat der Kanzler - spät, aber doch - gespürt. Werner Faymann hat über das Wochenende eingesehen, dass er seine Partei nicht mehr retten, kaum mehr einigen und ganz sicher nicht mehr mit dem so dringend nötigen "Neustart" reformieren kann. Dafür fehlte ihm nach sieben Jahren beinharter täglicher Regierungs-Knochenarbeit die Kraft, nach zahllosen Wahl-Niederlagen (zuletzt 11 % für Hundstorfer) das Sieger-Image und nach dem Pfeifkonzert am 1. Mai der Rückhalt der Partei.

Als Kanzler war Werner Faymann sicher besser als sein Image. Er hat dem Land die Finanz-Krise und die totale Eskalation der Flüchtlings-Krise erspart, er hat - von der Steuersenkung bis zur Ganztagsschule - viele sinnvolle kleine Reformen geschafft, die nötigen großen Reform-Offensiven (von Schulreform bis Wirtschaftsaufschwung) aber nicht hinbekommen. Zum Teil, weil er an der Blockade-Politik der Großen Koalition gescheitert ist - zum Teil, weil Faymann immer eher ein Day-to-day-Manager als ein Visionär war.

Als SPÖ-Chef hat Faymann seine Partei deshalb nie begeistern, sondern nur notdürftig zusammenhalten können - das ist ihm bis zum Hundstorfer-Wahldebakel mehr recht als schlecht gelungen. Dann ist für die SPÖ aber sichtbar geworden, dass sie als Partei bankrott ist: Alle Landesorganisationen (bis auf Wien und Burgenland) nur noch Ruinen, die Wiener Partei völlig zerstritten, die Burgenländer mit ihrer Rot-Blau-Strategie in Wahrheit eine Spaltpilz-Atombombe, die Gewerkschaft von allen guten Geistern verlassen. Selbst David Copperfield könnte diese Partei derzeit nicht mehr retten. Jetzt sucht die SPÖ den "Wunderwuzzi".

Wer immer Faymann jetzt als Kanzler und Parteichef nachfolgt, bekommt die schwerste Aufgabe dieser 2. Republik. Er muss die Regierung vor der Machtübernahme der FPÖ retten, er muss dem Land endlich Reformen ermöglichen (gegen den Widerstand des Partners ÖVP), er muss die SPÖ einen und neu aufstellen.

Christian Kern
ist in dieser Situation sicher die beste Wahl, weil er mit Abstand der beste politische Sanierungs-Manager ist. Kern hat der kaputten ÖBB einen neuen Erfolgskurs samt Gewinn und neuem Image verpasst - die SPÖ ist in einem durchaus vergleichbaren Zustand, auch wenn sie kaum noch auf Schiene ist.

Kern hat den Vorteil
, dass er nicht nur Day-to-day-Manager, sondern auch politischer Denker und Visionär sein kann, wenn er will. Wenn es jemand schaffen könnte, die besten Köpfe des Landes zu versammeln, um endlich neue Ideen und Reformen für Österreich zu entwickeln - dann er. Kern ist zudem voll Energie, er "brennt" auf den Job des Kanzlers - das sind besten Voraussetzungen für einen Neustart.

Kerns Nachteil, der zum Vorteil werden kann: Er ist ein politischer "Nobody" - (noch) ohne Netzwerk in der Partei, ohne Kontakte in der EU. Kern muss sich den Job erst erarbeiten.

Entscheidend
für Kern wird: Lässt ihn die ÖVP überhaupt zum Erfolgs-Kanzler werden? Wird der eigene Regierungs-Partner nicht alles daransetzen, um Kern so rasch wie möglich zu entzaubern? Und kann man als Reform-Politiker, der Kern werden muss, in dieser Blockade-Koalition überhaupt überleben?

Wenn Kern wirklich Kanzler wird, steht er vor der spannenden Frage: Soll er mit der ÖVP bis 2018 regieren? Kann er die - bei fast allen Wählern verhasste - Große Koalition zur Reform-Regierung machen und ihr (so wie den ÖBB) ein neues Image verpassen? Gelingt ihm mit diesem Regierungs-Team ein Neustart? Wird er ohne Wahl zum (Er)Volks-Kanzler und potenziellen Wahlsieger 2018? Oder verglüht er in dieser Blockade-Koalition so rasch wie "Django" Mitterlehner in den Mühen, Kämpfen, Streitereien des politischen Alltags?

Die spannendste Frage ist: Führt Kern diese unbeliebte Regierung fort - oder riskiert er selbst den Absprung? Wagt er die Neuwahl, die für einen neuen Kanzler eigentlich logisch und nötig wäre? Präsentiert er in diesem Wahlkampf den "Neustart", die Reformen, die Visionen, die dieses Land so dringend braucht? Und wird dieser Wahlkampf "Kern gegen Strache" vielleicht auch für den neuen SPÖ-Chef die einzige Chance, die zerstrittene SPÖ zu einen, bevor sie auch einem eher links-liberalen Kern unter der Hand zerbröselt?

Wenn Kern wirklich gewinnen will, regiert er nicht viel länger als ein halbes Jahr (also maximal bis zum Frühjahr 2017)  - und versucht dann mit einer Neuwahl den "Neustart" für die SPÖ und die Regierung.

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