Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung anvisiert

Kika/Leiner will morgen Insolvenzantrag stellen

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Nach dem Verkauf des operativen Kika/Leiner-Geschäfts durch die Signa Retail Gruppe des Tiroler Investors Rene Benko an den Handelsmanager Hermann Wieser will der neue Eigentümer morgen, Dienstag, in St. Pölten ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragen.

Dies bestätigte Kika/Leiner-Sprecher Michael Slamanig auf APA-Anfrage. Angesichts von neuen Finanzdetails zu Kika/Leiner fordert die Gewerkschaft eine Rückabwicklung des Verkaufs.

Bei einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung übernimmt zumeist eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt mit wirtschaftlichem Background als Masseverwalter zeitlich befristet die Kontrolle über das Unternehmen. Voraussetzung für ein derartiges Sanierungsverfahren ist, dass der Sanierungsplan schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegt wird und innerhalb von zwei Jahren mindestens 20 Prozent der Schulden bezahlt werden. Außerdem muss die Mehrheit der Gläubiger dem Sanierungsplan zustimmen.

Signa hat sich vertraglich abgesichert

Signa hat sich beim Verkauf des operativen Kika/Leiner-Geschäfts an Wieser vertraglich abgesichert. Gewährleistung und Haftungen seien auf die Höhe des Kaufpreises beschränkt, in Summe also auf drei Euro, schrieb der "Standard" kürzlich. Außerdem könne der Käufer keine Ansprüche gegen bisherige Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder, Gesellschafter oder Darlehensgeber geltend machen und er könne nicht vom Vertrag zurücktreten bzw. den Kontrakt anfechten. Die kolportierten Vertragsdetails bestätigte der Kika/Leiner-Sprecher gegenüber der APA. Unternehmensinterne Zahlen wollte der Sprecher aber nicht kommentieren und verwies auf die baldige Beantragung des Sanierungsverfahrens. Laut "Krone" sollen die Verbindlichkeiten von Kika/Leiner rund 150 Mio. Euro betragen, der Großteil davon sollen Steuer-Stundungen sein.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) verwies im Zusammenhang mit dem im Raum stehenden Verlust von Steuergeldern durch ein etwaiges Insolvenzverfahren von Kika/Leiner auf die Finanzprokuratur. Man habe diese "beauftragt, die Interessen der Republik wahrzunehmen" und zu prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten es gebe, bekräftigte er am Montag vor Journalisten.

Dem Unternehmen wurden Steuern gestundet 

Am Wochenende wurde bekannt, dass dem Unternehmen in der Coronapandemie Steuern gestundet worden waren, die Kika/Leiner eigentlich später zurückzahlen sollte. Man schaue sich "jetzt im Detail an, was überhaupt die Herausforderungen sind", so Brunner. In den kommenden "Stunden und Tagen" soll unter Federführung der Finanzprokuratur geprüft werden, "was überhaupt die Konsequenzen sein werden". Dabei gehe es um unterschiedliche Themenbereiche wie die zur Verfügung gestellten Unterstützungsgelder oder den Insolvenzentgeltfonds, so Brunner.

Der operative Teil der Möbelkette schrieb schon lange rote Zahlen. Für den südafrikanischen Kika/Leiner-Eigentümer Steinhoff (2013-2018) und für Signa (2018-2023) war der Möbelhandel ein Verlustgeschäft. Bis Ende September 2021 summierte sich über die Jahre ein Bilanzverlust bei der Kika Möbel-Handelsgesellschaft und bei der Rudolf Leiner Gesellschaft von 106 Mio. Euro bzw. 83,7 Mio. Euro, geht aus dem Firmenbuch (Wirtschafts-Compass) hervor. Mitte 2022 wurden beide Gesellschaften miteinander verschmolzen und firmieren seitdem unter Leiner & kika Möbelhandels GmbH. Der Jahresabschluss für 2021/2022 liegt noch nicht vor.

Immobilien der Möbelkette um 350 Mio. Euro verkauft

Nach knapp fünf Jahren als Eigentümer verkaufte die Signa Retail Gruppe Anfang Juni die Immobilien der Möbelkette laut APA-Informationen um 350 Mio. Euro an die Supernova Gruppe des deutschen Fachmarkt-Unternehmers Frank Albert. Wieser als neuer Eigentümer des operativen Geschäfts kündigte an, 23 von 40 Standorten per Ende Juli zu schließen und 1.900 von 3.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kündigen. Beim geplanten Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung entscheidet dann der Masseverwalter über Filialschließungen und Stellenabbau.

Die operativen Kika- und Leiner-Gesellschaften zahlten in den vergangenen Jahren Mieten in Millionenhöhe an eigene Immobiliengesellschaften, welche die Standorte besaßen. Die Miet-und Leasingverpflichtungen beliefen sich im Geschäftsjahr 2020/21 bei Kika auf 24 Mio. Euro, bei Leiner auf 19 Mio. Euro. Der über die Jahre summierte Bilanzgewinn der KIKA Immobilien GmbH betrug Ende 2021 laut Firmenbuch (Wirtschafts-Compass) 60 Mio. Euro und bei der Leiner Immobilien GmbH waren es 6,6 Mio. Euro. "Die Höhe der Mieteinnahmen wird allerdings noch zu einigen Diskussionen führen, da diese für den Verlust in der operativen Gesellschaft mitverantwortlich war", so der Chef des KMU-Beraters Finanzombudsteam, Gerald Zmuegg, am Montag in einer Aussendung. Die Bankverbindlichkeiten, etwa ein Kredit von 123,2 Mio. durch die RLB NÖ-Wien, seien aus den Mieteinnahmen der operativen Gesellschaft beglichen worden. Für Zmuegg ist es kein Zufall, dass der Jahresabschluss der Leiner & kika Möbelhandels GmbH zum 30. September 2022 noch nicht beim Firmenbuch hinterlegt ist. "Anfechtungsfristen könnten hier in die Überlegung miteingeflossen sein", erklärte der Finanzombudsteam-Chef.

"Was hier passiert, ist ein Skandal"

"Was hier passiert, ist ein Skandal auf dem Rücken der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie Beschäftigten", kritisierte GPA-Vorsitzende Barbara Teiber in einer Aussendung. "Der gesamte kika/Leiner-Deal muss rückabgewickelt werden. Der Finanzminister hat die Republik schadlos zu halten", forderte Teiber.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kika/Leiner warten nun auf Details des Sanierungsverfahrens. Ab morgen sind bis zum Ende der Woche Betriebsversammlungen an allen Filialstandorten von Kika/Leiner in ganz Österreich geplant. Die Arbeiterkammer und der Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer:innen (ISA) werden dort über die Wahrung der Ansprüche (u.a. laufendes Entgelt, Sonderzahlungen) informieren. Nach Eröffnung der Insolvenz übernimmt der öffentliche Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) nach Geltendmachung die Zahlung der Mitarbeitergehälter. Offene Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis müssen zur Wahrung der Ansprüche zeitnahe beim Landesgericht St. Pölten sowie bei der IEF Service GmbH geltend gemacht werden.

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