Auf Unverständnis bei der AeW stößt die Begründung, die der VfGH zu seiner ablehnenden Haltung hinsichtlich einer Staatshaftung für eine AMIS-geschädigte Anlegerin geliefert hat. "Der VfGH stützt sich auf Aspekte, die nicht rechtlicher Natur sind."
"Er beruft sich in seiner Ablehnung de facto auf das 'Prinzip Hoffung', nämlich dass die Konzernmütter für einen Schaden, den nicht ihre Konzerntöchter verursacht haben, gerade stehen", kritisiert der Geschäftsführer der Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen (AeW), Johannes Gotsmy.
Für Gotsmy erscheint dies doppelt bedenklich, da damit eine zumindest moralische Haftung Dritter in den Raum gestellt wird. "Das widerspricht vollkommen der österreichischen Rechtsordnung und ist nur im Bereich der Sippenhaftung zu finden", kritisiert der AeW-Geschäftsführer. Abgesehen davon setze sich der Kreis der AeW-Mitgliedsinstitute zum überwiegenden Teil aus kleinstrukturierten spezialisierten Wertpapierfirmen zusammen.
"Keine rechtliche Grundlage"
Das Höchstgericht wies eine mögliche Staatshaftung in der AMIS-Causa unter anderem damit zurück, dass die AeW und ihre Gesellschafter in der Lage und gewillt sein könnten, durch Darlehen oder sonstige Finanzierungsmittel einen ausreichenden Haftungsfonds zu schaffen. "Das ist keine rechtliche Grundlage und abgesehen davon eine Illusion", so Gotsmy. Ähnlich argumentiert auch der Grazer Anlegeranwalt Harald Christandl. "Für mich ist das eine abstruse Begründung. Die 100 AeW-Mitglieder sind also derartig potent, dass sie in den Haftungsfonds hineinzahlen sollen. Wie das gehen soll, weiß ich nicht", so Christandl.
Gotsmy weist weiters darauf hin, dass zum Zeitpunkt des VfGH-Beschlusses am 24. Juni schon lange - seit 1. Mai - die novellierte Fassung der AeW-Bestimmungen im Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) in Kraft gewesen sind. Grundlage dieser neuen gesetzlichen Bestimmungen seien aber die Erkenntnis gewesen, dass die Anlegerentschädigung - wie auch die Einlagensicherung - Großschäden nicht aus eigenen Mitteln bedienen könne.
"Der Gesetzgeber hat also erkannt, dass die AeW bisher nicht in der Lage war, Großschäden aus eigenen Mitteln abzudecken. Genau dieser Aspekt entgeht offensichtlich dem VfGH", so Gotsmy. Der VfGH sage auch mit keinem einzigen Wort, auf welche rechtlichen Grundlagen er der Meinung ist, dass der Großschaden AMIS ersetzt werden soll.
Sollte sich aufgrund der in den nächsten Monaten zu erwartenden OGH-Entscheidungen eine Haftung der AeW für den Fall AMIS manifestieren, könnte die AeW die Anlegerforderungen nicht in voller Höhe bedienen, so Gotsmy. Absolut sinnlos wäre es aber, die AeW in Insolvenz zu schicken. Dann wäre die Staatshaftung wohl nicht mehr wegzudiskutieren und nicht ein Anleger würde einen Cent mehr sehen. Aufgrund der Konzessionsvoraussetzung der Wertpapierfirmen müsste zudem umgehend eine neue Anlegerentschädigung gegründet werden. Diese wäre der heutigen AeW gleichgestellt und brächte für den Fall AMIS auch keine Verbesserung, da sie für diesen Fall nicht mehr zuständig wäre.
"Gleichstellung mit österreichischen Banken"
"Wir erwarten, dass auf politischer Ebene jene Weitsicht regiert, die sich bei der künftigen Gestaltung der AeW durchgesetzt hat", fordert Gotsmy. Konkret heiße das, dass die Republik auch für den Fall AMIS jenen Rahmen ausschöpft, den sie für all künftigen Fälle geschaffen habe, und mit einer entsprechenden Haftung bzw. Vorfinanzierung die Forderungen der Anleger sichert und die Funktionsfähigkeit der Branche aufrecht erhält. Dabei handle es sich um keine Bevorzugung der Wertpapierfirmen, sondern eine Gleichstellung in der Behandlung mit den österreichischen Banken.
"Am Rande sei bemerkt, dass es hier um 30 bis 50 Mio. Euro geht - nichts im Vergleich zum 100 Mrd. Euro schweren Bankenrettungspaket", so Gotsmy.
Christandl vertritt wegen beklagter Fehler der Finanzmarktaufsicht (FMA) in einer Amtshaftungsklage gegen die Republik rund 3.300 AMIS-Geschädigte. Der Anwalt zeigt sich optimistisch, das vom OGH wieder an die Erste Instanz zurückgewiesene Amtshaftungsverfahren zu gewinnen. In der AMIS-Causa sei wesentlich, dass in Luxemburg noch 100 Mio. Euro liegen und diese bald ausgezahlt werden. Weiters sollte die Anlegerentschädigung zur Zahlung gebeten werden. "Dann wird sich herausstellen, dass der Staat einspringen muss, weil die AeW nicht zahlen kann", so der Anwalt.