EZB: Abbau der Krisen-Schulden wird 20 Jahre dauern

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Die in der Krise angehäufte Schuldenlast wird vielen Euro-Ländern noch lange Jahre kaum Luft zum Atmen lassen. Selbst unter günstigen Annahmen könne es noch 20 Jahre dauern, bis die Schuldenquote wieder auf ein mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt vereinbares Niveau gefallen ist, rechnet die EZB in ihrem Monatsbericht vor.

Um den Schuldenberg schneller abzutragen, müssten viele Staaten ihre Konsolidierungsanstrengungen deshalb kräftig erhöhen, heißt es in dem Bericht. Die Kosten der Krise haben die Verschuldung in den Euro-Ländern im Schnitt auf knapp 85 % des BIP in die Höhe getrieben. Vor der lag die Quote bei 70 %.

Die EU-Regeln sehen eine Staatsschuld von maximal 60 % des BIP vor. "Selbst bei einer durchschnittlichen Haushaltskonsolidierung in Höhe von 0,5 Prozentpunkten des BIP pro Jahr dürfte es 2 Jahrzehnte dauern, bis die auf Euroraumebene verzeichnete Schuldenquote wieder auf ihren Stand vor der Finanzkrise zurückkehrt", schreibt die Notenbank. Die EU fordert von den Staaten pro Jahr einen Schuldenabbau um 0,5 Prozentpunkte.

Die EZB legt ihren Aussagen drei Szenarien zugrunde. Im günstigsten Fall fahren die Euro-Länder ihre Verschuldung pro Jahr um 1 Prozentpunkt zurück. Dann würde erst 2026 die Grenze von 60 % wieder eingehalten; der Höhepunkt der Schuldenmisere wäre demnach 2013 erreicht.

Es ist das einzige der drei Szenarien, in dem der Verschuldungsgrad überhaupt wieder in einem überschaubaren Zeitraum einen mit den EU-Regeln vereinbaren Wert annimmt. Im schlimmsten Fall - wenn die Länder keinerlei Sparanstrengungen unternehmen - würde die Verschuldung im Jahr 2026 einen Wert von 150 % des BIP erreichen.

Besonders gefährdet sind Griechenland als Defizitsünder Nummer eins und andere Staaten, die bereits vor der Krise hoch verschuldet waren und deren Kapitalaufnahme mittlerweile aus dem Ruder zu laufen droht. "Vor großen Herausforderungen stehen vor allem Euro-Länder, die infolge der Krise hohe bis sehr hohe Defizit- bzw. Schuldenquoten aufweisen oder relativ hohe Zinsen auf ihre Staatsschuld oder ein niedriges Potenzialwachstum zu verkraften haben."

Aber auch Länder wie Deutschland müssen sich demnach gehörig strecken, um auf absehbare Zeit wieder die Maastricht-Kriterien einzuhalten. Die Bundesregierung will die Verschuldung ab kommendem Jahr jährlich um 1 % zurückfahren.

Die EU-Vorgaben zum Defizitabbau bringen nicht nur Österreich unter Druck. Quer durch die Union muss gespart werden, wobei Griechenland zweifellos am stärksten betroffen ist. Die ins Auge gefassten Maßnahmen reichen von Tabak-, Alkohol- oder Mehrwertsteuererhöhungen über gekürzte Sozialleistungen, Pensionsalter-Erhöhungen bis zu hinausgeschobenen Infrastrukturprojekten. Proteste und Widerstand der Betroffenen scheinen vorprogrammiert. Im Folgenden einige Beispiele:

In GRIECHENLAND geht die Furcht vor der Zahlungsunfähigkeit um, die Gesamtverschuldung dürfte 2010 rund 120 % des BIP erreichen. Nun soll das Defizit von zuletzt 12,7 % des BIP allein heuer um mindestens 4 Prozentpunkte reduziert werden. Anfang März wurde das bereits 3. Sparpaket in kurzer Folge angekündigt. Unter anderem steigt die USt von 19 auf 21 %. Außerdem wurden alle Renten eingefroren, Weihnachtsgeld und Löhne von Staatsbediensteten beschnitten. Auch Benzin, Tabak und Spirituosen wurden erneut teurer. "Gott helfe uns" und "Harmagedon - das jüngste Gericht", titelten daraufhin die Zeitungen.

In PORTUGAL (Defizit 2010 voraussichtlich 8,3 %) will man die Maastricht-Grenze von maximal 3 % jährliche Neuverschuldung zur Hälfte durch Ausgabenkürzungen (Einfrieren der Beamtengehälter, Kappen von öffentlichen Investitionen) erreichen. Geplant sind zudem Privatisierungen und das Anheben der Spitzensteuersätze. Infrastrukturprojekte wie eine Hochgeschwindigkeitsbahn werden um zwei Jahre verschoben. Auch in SPANIEN will man sparen, zuletzt wurde nach Protesten aber die Erhöhung des Pensionsalters von 65 auf 67 Jahre wieder zurückgenommen, ebenso wie Einschnitte bei den Beamten.

Auch in den NIEDERLANDEN (erwartetes Defizit 2010: rund 6 %) stehen nach dem Platzen der Regierung die Sparpläne auf der Kippe. Überlegt wird dort die Erhöhung des Pensionsalters, Änderungen bei internationalen Hilfsprogrammen und eine neue Einkommenssteuer von 60 % für jeden, der mehr verdient als der Ministerpräsident. In IRLAND wurden bereits die Gehälter im öffentlichen Dienst linear um 7,5 % gekürzt und die Einkommensteuer für alle erhöht. Für die höheren Einkommensklassen gibt es Zusatzsteuern. Die Tabaksteuer wurde um 25 % angehoben.

Relativ entspannt zeigt man sich vorerst in DEUTSCHLAND (Defizitprognose 2010: 5,5 %). 2011 will die CDU/FDP-Koalition dann auf die Schuldenbremse steigen. Im laufenden Jahr plant die Bundesregierung eine Rekordneuverschuldung, auch an geplanten Steuersenkungen wird festgehalten. Der Aufschwung soll nicht schon im Keim erstickt werden, lautet das Argument.

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