Insider-Prozess

OMV-Chef am Donnerstag vor Gericht

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Ruttenstorfer muss sich wegen Verdachts auf Insider-Handel verantworten.

Kommenden Donnerstag muss sich OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer am Wiener Straflandesgericht wegen Verdachts auf Insider-Handel im Zusammenhang mit einem von ihm getätigten Kauf von Aktien des eigenen Unternehmens im März 2009 verantworten. Damals hat sich der börsenotierte österreichische Ölkonzern von seiner 21,2-Prozent-Beteiligung an der ungarischen MOL getrennt. Als Höchststrafe drohen bei dem Delikt fünf Jahre Haft, es ist aber auch eine Diversion möglich, ein außergerichtlicher Tatausgleich. Der Chef des börsenotierten Ölkonzerns hat die Vorwürfe stets bestritten.

Ungereimtheiten bei Surgutneftegaz-Deal
Wenige Tage vor dem Verkauf des MOL-Pakets für 1,4 Mrd. Euro an den russischen Konkurrenten Surgutneftegaz, der laut OMV sehr kurzfristig und überraschend zustande kam, hatte Ruttenstorfer OMV-Aktien für knapp 632.000 Euro erworben. Am selben Tag erschien im Nachrichtenmagazin "profil" ein Interview, das der Konzernchef in der Woche davor gegeben hatte. Darin sagte er, dass die OMV ihren MOL-Anteil bis Ende 2009 "durchaus behalten" werde. Hinter den Kulissen hatten die Russen aber schon Tage davor vorgefühlt. Und einen Tag, ehe das Interview geführt wurde, faxte die OMV am 17. März 2009 ihre Preisvorstellungen an die Investmentbank JPMorgan.

FMA erstattet im Sommer 2010 Anzeige
Ruttenstorfer rechtfertigte sich später damit, dass er zum Zeitpunkt des Interviews "nicht davon ausgehen konnte, dass es zu einer möglichen Transaktion" in Sachen MOL kommen wird. Außerdem seien die im Rahmen eines langfristigen Incentive-Programms für Vorstände erworbenen OMV-Aktien ohnedies "für kurzfristige Spekulationen nicht geeignet", da sie zumindest drei Jahre lang behalten werden müssten. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) vertrat eine andere Ansicht und erstattete im Sommer 2010 Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Es sei irrelevant, dass Ruttenstorfer die Aktien nicht zu Geld gemacht habe: Es gehe nicht darum, ob ein Gewinn erzielt wurde, sondern ob eine missbräuchliche Verwendung von Insiderinformationen vorliege, argumentierte die Behörde.

Fünf Jahre Höchststrafe
Seit November 2010 liegt die Anklage gegen den OMV-Chef in Form eines Strafantrages vor. Die Höchststrafe für missbräuchliche Verwendung von Insiderinformationen liegt bei fünf Jahren Haft, es ist aber auch eine Diversion denkbar. Ein solcher außergerichtlicher Tatausgleich kann auch von einem Verdächtigen selbst beantragt werden. Möglich ist eine Diversion etwa durch die Zahlung eines Geldbetrages, wie dies - erstmals in Österreich bei einem Spitzenmanager eines börsenotierten Unternehmens - bei einem früheren Voest-Chef (Franz Struzl, Anm.) der Fall war.

Kapsch-Insiderverfahren
Im vergangenen Jahr endete auch das Insider-Verfahren gegen den Vize-Aufsichtsratschef von Kapsch TrafficCom (Kari Kapsch, Anm.) und seine Ehefrau mit einem außergerichtlichen Tatausgleich: Zusammen mussten die beiden samt Verfahrenskosten über 34.000 Euro bezahlen und zudem noch 25.000 Euro einer karitativen Organisation spenden. Beim Ex-Voest-Chef war das Verfahren wegen Nichtmeldung von Aktienkäufen im Jahre 2003 eingestellt worden, ohne dass die Öffentlichkeit zunächst den Grund erfuhr; er lieferte 50.000 Euro dem Bund ab und spendete den gesamten Kursgewinn für karitative Zwecke.

Solidarität für Ruttenstorfer
Nach der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft wurde OMV-Chef Ruttenstorfer in etlichen Solidaritätsbekundungen der Rücken gestärkt. Aufsichtsratschef und Noch-ÖIAG-General Peter Michaelis sowie der übrige OMV-Gesamtvorstand und auch der OMV-Betriebsratschef stellten sich im Herbst rasch hinter ihren Konzernchef, und der Aufsichtsrat bestätigte Ruttenstorfer trotz der Insider-Anklage in seiner Position als Generaldirektor. Dass Ruttenstorfers Vertrag Ende März 2011 ausläuft und ihm dann der bisherige Vize Gerhard Roiss an der Konzernspitze nachfolgt, war vom Aufsichtsrat bereits im März 2009 fixiert worden.

Auch von außen erhielt Ruttenstorfer Unterstützung: In einem offenen Brief in führenden Tageszeitungen betonten 27 Spitzenmanager, sie würden den OMV-Chef "seit vielen Jahren als Musterbeispiel eines verantwortungsvollen und persönlich integren Managers" kennen, und dieser habe aus ihrer Sicht "völlig korrekt gehandelt".

Richard Schenz, Kapitalmarktberater des Finanzministeriums und Vorgänger Ruttenstorfers als OMV-Chef, sagte, er hätte den Unterstützungsbrief der 27 Manager ebenfalls unterzeichnet, "wenn ich gefragt worden wäre, weil ich auch der Meinung bin, dass Ruttenstorfer an sich ein sehr korrekter und sehr vorsichtiger Mann ist und so einen Insider-Deal nie gemacht hätte". Aus seiner Sicht habe es sich nur "vordergründig" um einen Insider-Deal gehandelt; man müsse die Verbindung mit dem vom Aufsichtsrat genehmigten Stock-Options-Plan sehen, da habe die FMA zu wenig recherchiert und vordergründige Elemente der Staatsanwaltschaft übergeben.

Einen Schritt weiter ging Vienna-Insurance-Chef Günter Geyer, der die Petition für den OMV-Boss und VIG-Aufsichtsratschef mitunterschrieben hatte. Er sprach sich im Lichte der Insider-Causa für klare Regeln aus und meinte, er könne sich ein gesetzliches Verbot der sogenannten Directors Dealings vorstellen. Nur ein Verbot könne auch internationalen Analysten erklären, warum heimische Vorstände keine Papiere des eigenen Unternehmens kaufen, argumentierte der VIG-Chef. Zumindest müssten Ereignisse taxativ aufgezählt werden, bei denen Vorstände Aktien der eigenen Firma erwerben dürfen, etwa bei einer Kapitalerhöhung oder nach einer Pressekonferenz, nach der die Informationen auch am Markt vorhanden sind.

Auch der Wiener-Börse-Vorstand Heinrich Schaller regte eine Überprüfung des Insiderrechts an. Ohne das laufende Verfahren kommentieren zu wollen, meinte Schaller: "Das Management soll vernünftig in das eigene Unternehmen investieren können", ohne sich mit einem Fuß in der Kriminalität zu befinden. In ihrem Inserat hatten sich die 27 Top-Manager besorgt gezeigt, dass "der Kauf von Aktien des eigenen Unternehmens durch Managerinnen und Manager generell in Misskredit gebracht wird".

Die Justiz dagegen verwahrte sich gegen die Zeitungsinserate zugunsten des OMV-Chefs. Grundsätzlich dürfe sich jedermann in der Öffentlichkeit über Strafverfahren äußern, diese Form in der Causa Ruttenstorfer sei bisher in Österreich in dieser Weise aber nicht bekannt, meinte Klaus Schröder, Richter am Oberlandesgericht Innsbruck und Vorsitzender der Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes (GÖD) im Dezember.

"Keine mediale Inszenierung"
"Die Richter und Staatsanwälte lassen sich durch keine mediale Inszenierung in einer ausschließlich dem Gesetz verpflichteten, objektiven und sorgfältigen Prüfung eines Sachverhaltes auf seine strafrechtliche Relevanz beeinflussen", teilte die Bundesvertretung Anfang Dezember per Aussendung mit.

Erst am vergangenen Freitag war eine von der FMA gegen OMV-Chef Ruttenstorfer verhängte Verwaltungsstrafe in Höhe von 20.000 Euro wegen Irreführung des Marktes durch das seinerzeitige "profil"-Interview rechtskräftig geworden: Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Wien als Berufungsbehörde wies nämlich eine Beschwerde des OMV-Chefs gegen die FMA-Strafe ab. Der UVS hielt es für erwiesen, dass Ruttenstorfer mit seiner Aussage im "profil"-Interview vom 18. März 2009 (OMV wolle die MOL-Aktien bis Ende 2009 "durchaus behalten") dem Börsepublikum falsche Signale geschickt habe, da schon in den Tagen davor Vorbereitungen für den MOL-Verkauf eingeleitet worden seien. Das Interview wurde am 23. März veröffentlicht. Der OMV-Chef, der seit neun Jahren an der Spitze des größten heimischen Industriekonzerns steht, kündigte den Gang zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH) an - denn ein ordentliches Rechtsmittel ist gegen den FMA-Bescheid nicht mehr zulässig.

Die UVS-Richter betonten bei ihrer mündlich verkündeten Entscheidung am Freitag jedoch ausdrücklich, dass der FMA-Strafbescheid wegen Marktmissbrauchs und auch ihre Abweisung der Berufung keine Aussage zum bevorstehenden Strafprozess am 27. Jänner wegen Insider-Verdachts am Landesgericht Wien darstellten.

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