Viele Details sind nach G-20-Gipfel noch offen

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Nach dem G-20-Gipfel müssen die mühsam erzielten Einigungen schnell konkretisiert werden.

Seit Freitag steht auch fest, dass das kleinere Treffen der G8 im italienischen L'Aquila im Juli das letzte seiner Art war. Die G-20 werden die G8 ersetzen und Wirtschaftsnationen wie China und Indien eine größere Rolle einräumen. Experten befürchten, dass die Verschiedenheit der Mitglieder künftige Entscheidungen schwieriger macht. Nach dem zweitägigen Weltfinanzgipfel überwog bei den Regierungschefs allerdings die Zufriedenheit.

US-Präsident Barack Obama zog ein positives Fazit. Die G-20-Länder hätten große Fortschritte gemacht, um der Weltwirtschaft wieder zu nachhaltigem Wachstum zu verhelfen, sagte der Gastgeber. Das Weltfinanzsystem sei sicherer geworden, betonte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihr Finanzminister Peer Steinbrück sagte, vom Gipfel gehe das Signal an die Finanzmärkte aus, dass man nicht weitermachen könne wie vor der Krise. Merkel mahnte aber: "Wir sind nicht am Ende der Arbeit".

Die G-20 müssten die Führung in globalen Wirtschaftsfragen übernähmen, sagte die Kanzlerin. Vor allem die USA und Großbritannien hatten darauf gedrängt, die G-20 zu einer Art ökonomischer Weltregierung zu machen. "Der Wechsel hin zu den G-20 und weg von den G7 ist eine Reaktion auf die wirtschaftlichen Realitäten", sagte der Vizechef des Internationalen Währungsfonds, John Lipsky. Das nächste G-20-Treffen findet im Juni 2010 in Kanada statt.

Wichtige Fragen nicht beantwortet

Die Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro kritisierte die Ergebnisse des Gipfels. "Wichtige Fragen wie beispielsweise die globale Aufsicht über systemrelevante Banken oder eine grenzüberschreitende Insolvenzordnung standen gar nicht erst auf der Pittsburgh-Agenda", sagte sie der "Welt am Sonntag". Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zeigte sich nicht voll zufrieden. Die Maßnahmen kämen zu langsam voran. "Es ist jetzt Zeit, ernst zu werden, nicht später", sagte er.

Dem Schlussdokument zufolge sollen die schärferen Eigenkapitalvorschriften für Banken 2010 formuliert und erst bis Ende 2012 eingeführt werden. Die Institute müssten dann - abhängig von ihrer Größe und den Risiken - mehr eigenes Geld vorhalten. Dadurch soll auch der Druck auf die Regierungen sinken, systemrelevante Banken bei Schieflagen mit Steuergeld zu retten. Die USA kündigten an, bis 2011 die bereits international verabredeten Banken-Eigenkapitalregeln "Basel II" einzuführen.

Die deutschen Privatbanken warnten bereits vor einem zu hohem Tempo bei der Änderung der Eigenkapitalvorgaben. Da die deutschen Banken nicht so kapitalmarktorientiert seien wie die angelsächsischen, stelle sich die Frage, wo das Kapital in so kurzer Frist herkommen solle, sagte der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, Andreas Schmitz. Der Verband Öffentlicher Banken (VÖB) warnte vor der erhöhten Gefahr einer Kreditklemme durch zu strikte Beschlüsse. Ähnlich äußerte sich der Verband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken.

Neues Banken-Insolvenzrecht

Die G-20-Länder verpflichteten sich zudem, ein spezielles Banken-Insolvenzrecht zu entwickeln, damit Gläubiger und Aktionäre zur Rechenschaft gezogen würden und nicht mehr die Steuerzahler. Die Konjunkturhilfen wollen sie erst nach dem Ende der Rezession gemeinsam zurückfahren. Zugleich würden Strategien zum Ausstieg aus den Konjunkturprogrammen vorbereitet, hieß es in der Abschlusserklärung. Zur Stützung von Banken und Konjunktur wurden seit dem Kollaps des Finanzmarktes staatliche Programme im Umfang von rund fünf Billionen Dollar aufgelegt.

Zudem sollen die umstrittenen Bonuszahlungen für Bankmanager künftig langfristigen Erfolg eines Instituts belohnen statt kurzfristige risikoreiche Geschäfte. Bei Misserfolgen soll es auch Malusregeln geben. Den Banken sollen zudem bei Verstößen Konsequenzen drohen: Aufseher könnten dann verlangen, mehr Eigenkapital zurückzulegen. Eine von Frankreich und Deutschland geforderte Bonus-Obergrenze scheiterte jedoch.

Auch die deutsche Forderung nach einer Beteiligung der Finanzmärkte an den Krisenkosten über eine Steuer auf alle Arten von Börsengeschäften wurde nicht umgesetzt. Dennoch sei dieser Vorschlag nicht vom Tisch, sagte Merkel. Die G-20 bäten den IWF, bis zum nächsten Treffen Vorschläge auszuarbeiten. "Und da ist eine Möglichkeit die Finanzmarkttransaktionssteuer", sagte die Kanzlerin. Sie habe hier viel Zustimmung erfahren.

Leitl begrüßt Einigung

Die Ergebnisse des G-20-Gipfels waren für Wirtschaftskammer-Präsident Christioph Leitl ein "hoffnungsvoller Schritt" und eine "wichtige Weichenstellung in die richtige Richtung". "Dass sich die Staatschef der wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt auf die wichtigsten Eckpunkte einer neuen Finanzmarktregulierung samt Frist für die Umsetzung geeinigt haben, ist ein Signal der Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit", so das Urteil des WKÖ-Chefs.

Zwar hätte er, Leitl, sich in einigen Fragen einen ehrgeizigeren Zeitplan und mehr Unterstützung für die - nach Österreich - nun auch von deutscher Seite ventilierte Idee einer Finanztransaktionssteuer gewünscht. Vorrangig sei jetzt aber, dass die beschlossenen Maßnahmen auf nationaler Ebene möglichst rasch umgesetzt werden, sagte Leitl laut Mitteilung. Die von den G20 angestrebte Reform von Vergütungen inklusive Bonuszahlungen im Finanzsektor bewertet Leitl positiv.

Trichet sieht globale Ungleichgewichte

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat die G-20 in ihrer neuen Funktion als Weltwirtschaftsregierung unterdessen aufgefordert, globale Ungleichgewichte auszuräumen. Neben einer Reihe von Unausgewogenheiten zwischen den Staaten müsste in den jeweiligen Ländern auch das Verhältnis von Sparen und Investieren zurechtgerückt werden, sagte Trichet der italienischen Zeitung "Corriere della Sera". "Wir wissen, dass diese Ungleichgewichte mit zu den Ursachen der derzeitigen Schwierigkeiten gehören", sagte der EZB-Chef. "Wenn wir sie nicht korrigieren, haben wir das Rezept für die nächste große Krise. Und das ist schlicht nicht zu akzeptieren."

Noch sei die wirtschaftliche Erholung nicht sehr nachhaltig, sagte Trichet der Zeitung. Vorrangig müsse wieder Vertrauen aufgebaut werden. Dazu müssten die staatlichen Konjunkturprogramme zum richtigen Zeitpunkt zurückgefahren werden. Sollte dies verpasst werden, ginge das zulasten des Vertrauens und verzögere den Aufschwung. Die EZB veröffentlichte die Interview-Auszüge am Sonntag auf ihrer Internetseite.

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