Globale Jagd nach Ackerland in Entwicklungsländern

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Saudi-Arabiens König Abdallah nahm die ersten Reiskörner heuer im Frühjahr persönlich entgegen. Sie stammten aus Äthiopien, wo das arabische Land zigtausende Hektar Ackerland gekauft hat. Auch China, Südkorea und Libyen machen Jagd auf Ländereien in Entwicklungsländern. Und Inzwischen investieren auch immer mehr Hedgefonds ihr Geld in Äcker der Dritten Welt.

Ob Staaten oder Spekulanten, alle spekulieren auf eine Gleichung: Es leben immer mehr Menschen auf der Welt. Mehr Menschen haben mehr Hunger, weshalb die Preise für Böden und Lebensmittel steigen werden.

Kritiker warnen vor "Neokolonialismus"

15 bis 20 Mio. ha wurden seit 2005 laut UNO-Schätzungen von Dritte-Welt-Ländern an andere Staaten oder private Investoren verkauft oder verpachtet. Das entspricht einem Fünftel der europäischen Ackerflächen. Der Chef der FAO, Jacques Diouf, spricht von "Neokolonialismus". Denn die Käufer-Länder sichern sich die Ernte von Ländern, die oft auf Nahrungsmittel-Importe angewiesen sind.

Die genauen Zahlen der Land-Deals kennt niemand. Die meisten der Verträge werden geheim geschlossen. "Man verramscht Mio. ha Ackerland mit einem dreiseitigen Vertrag", sagt Olivier de Schutter, der UNO-Sonderbeauftragte für das Recht auf Nahrung. "Das passiert alles über die Köpfe der Bevölkerung hinweg." Am G-8-Gipfel in L'Aquila sollte deshalb Anfang des Monats mehr Transparenz bei den Geschäften vereinbart werden. Doch die Staatschefs konnten sich nicht darauf einigen.

Weltweites "Land-Roulette"

So geht das weltweite Land-Roulette weiter: China hat in der Demokratischen Republik Kongo rund 2,8 Mio. ha Land gekauft, um dort Palmöl für Bio-Energie anzubauen. Libyen baut Reis auf 100.000 ha im westafrikanischen Mali an. Das Emirat Katar wiederum bekam von Kenia Zehntausende ha Land.

Widerstand gibt es bisher nur selten. In Madagaskar wollte sich der südkoreanische Mischkonzern Daewoo die Rekord-Fläche von 3,2 Mio. ha sichern, eine Fläche so groß wie Belgien. Straßenproteste, die sich auch gegen den Deal richteten, fegten den Präsidenten Marc Ravalomanana im März aus dem Amt.

Die Länder, die Ackerland kaufen, argumentieren, dass sie Geld und Technologie ins Land bringen, um die Landwirtschaft zu entwickeln. Auch Kritiker sehen hier eine Chance. Gut kontrolliert, könnten die Investitionen "eine Bereicherung für die ländlichen Gebiete darstellen", sagt UNO-Berichterstatter de Schutter. "Dazu muss man die Menschen an Ort und Stelle aber in die Vertragsverhandlungen einbinden. Und man muss ihnen garantieren, dass ein Teil der Ernte auch am Ort bleibt."

Solche Forderungen interessieren bei der Land-Jagd bisher kaum. Inzwischen fahnden nicht mehr nur Staaten nach Flächen in der Dritten Welt. Die Investmentfonds heißen Agri-Vie oder Agricapital. Sie sammeln Hunderte Mio. Euro ein, um sie in Ackerland in Entwicklungsländern zu stecken.

Sie hoffen auf eine Preisexplosion bei Lebensmitteln, wenn die Weltbevölkerung in den kommenden Jahrzehnten rasant steigen wird. Und heute ist ihr Ziel nicht mehr nur die Dritte Welt. Im vergangenen Jahr hat die deutsche Palmer Capital zusammen mit einem britischen Partner einen Fonds mit einem Volumen von 300 Mio. Dollar (211 Mio. Euro) aufgelegt. Das Geld soll in die Landwirtschaft ausgewählter Länder fließen. Sie heißen Polen, Ungarn, Tschechien oder Rumänien.

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