Urteil: Staat muss Immofinanz-Anleger entschädigen

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Dem Staat droht eine Flut von Klagen, weil er die Aktien von Immofinanz und Meinl European Land in Werbeprospekten als "mündelsicher" angepriesen hat. Auslöser dafür könnte ein Urteil des Wiener Landesgerichts sein. Dieses gab einer Schadenersatzklage eines Minderjährigen recht. Sein durch einen Vormund angelegtes Geld war wegen der Talfahrt der Immofinanz-Aktie weniger geworden.

"Das Urteil zeigt, dass der Staat seinen Kontrollpflichten nicht nachgekommen ist", so der Grazer Anlegeranwalt Harald Christandl zur "Presse". Unter "mündelsicher" versteht der Gesetzgeber im Regelfall Anlageformen, die mit sehr geringem Risiko behaftet und daher für "Mündelgeld" geeignet sind. Weil spekulative Wertpapiere wie Aktien davon nicht erfasst sind, bedarf es Gutachten von Sachverständigen.

Das Besondere daran: Was sich "mündelsicher" nennen darf, kann nicht nur dem Portfolio von Minderjährigen beigemischt werden, sondern wird auch als Verkaufsargument gegenüber vorsichtigen Investoren verwendet. Tausende Anleger lösten ihre Ersparnisse auf und kauften die als mündelsicher beworbenen Papiere von Immofinanz und Meinl European Land (MEL).

Nach den Kursstürzen ist der Großteil des Geldes weg. Ein Minderjähriger ließ sich das nicht gefallen und klagte. Der Betroffene war neun Jahre alt, als er nach einem tragischen Unfall 75.000 Euro Schadenersatz zugesprochen bekam. Sein Vormund legte rund die Hälfte des Geldes in Immofinanz-Aktien an.

Der Minderjährige forderte nach der Talfahrt der Immofinanz-Aktie, dass der Staat für den Schaden aufkommt. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien gab ihm recht. Anlegeranwalt Christandl geht noch einen Schritt weiter. Er wirft der Finanzmarktaufsicht die Verletzung der Kontrollpflichten vor.

Kapitalmarktexperte sieht nur "Einzelurteil"

Allerdings: Das Urteil stellt laut dem Kapitalmarktexperten Andreas Pascher keinen "Dammbruch" dar. Er sieht darin nur ein Einzelurteil und warnt vor zu viel Euphorie.

Das Urteil baue darauf auf, dass das Pflegschaftsgericht die Zustimmung zur Investition von mehr als 50 Prozent in Aktien einer einzigen Gesellschaft erteilt hat, so Pascher. Die Ersatzpflicht gründe sich nach dieser Entscheidung nicht nur auf den Begriff "mündelsicher", sondern ziehe auch das Ausmaß und die fehlende Streuung zur Haftungsbegründung heran. Nicht automatisch daraus abgeleitet werden könne, dass das Gericht zum gleichen Ergebnis gekommen wäre, wenn nur 10 Prozent in Immofinanz-Aktien investiert worden wären.

Eine individuelle Prüfung sei mehr denn je wichtig. So sei zu prüfen, ob Verstöße des Finanzdienstleisters gegen die Wohlverhaltensregeln gefunden werden können, wie z.B. ob das Wertpapier für den Anleger geeignet war, er ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen hatte, um in Meinl/Immofinanz investieren zu können, er das Risiko einsehen konnte.

Haftungsausschluss für FMA gegenüber Anlegern bedenklich

Beachtet werden müsse auch, dass der Gesetzgeber seit 27. Oktober 2008 für Schäden aufgrund von Verstößen der FMA vorsieht, dass nur gegenüber von der FMA kontrollierten Rechtsträgern (z.B. Banken, Wertpapierfirmen) gehaftet wird. Die Amtshaftung gegenüber geschädigten Anlegern ist dadurch per Gesetz ausgeschlossen worden. Dies ist für jüngere Ereignisse bedeutend.

Es bestehen laut Pascher verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit eines solchen Haftungsausschlusses. "Die Qualität der Prüfungen der FMA hätten dadurch kein Korrektiv. Ein diesbezügliches Verfahren ist beim VfGH anhängig, dessen Ausgang für viele Anleger wie auch die Effizienz zukünftiger staatlicher Aufsicht von wesentlicher Bedeutung sein wird", erklärt Pascher.

Die Wiener Kanzlei Pascher & Schostal vertritt derzeit einige hundert geschädigte Anleger gegen AvW, Primeo (Madoff), Immofinanz sowie AWD.

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