Quelle, Escada, BayernLB: Horrorjahr für Bayerns Wirtschaft

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Für die bayerische Wirtschaft geht ein Jahr des Schreckens zu Ende. Mit den Insolvenzen von Quelle, Escada und Rosenthal gerieten einstige Vorzeigeunternehmen des größten deutschen Bundeslandes mit tausenden Arbeitsplätzen ins Wanken.

Der Finanzplatz München verlor mit dem Absturz der BayernLB und der Verstaatlichung der Hypo Real Estate den letzten Rest seiner Bedeutung, nachdem die HypoVereinsbank bereits an die italienische Großbank UniCredit verkauft worden war und nun auch deren Namen trägt. In der bayerischen Industrie wurde nach Siemens im Vorjahr nun auch noch der MAN-Konzern von einer Schmiergeldaffäre erschüttert. Die großen bayerischen Wirtschaftsdramen 2009 im Überblick:

- BAYERNLB: Nach Milliarden-Belastungen durch Fehlspekulationen auf dem US-Hypothekenmarkt stolpert Deutschlands zweitgrößte Landesbank zum Jahresende 2009 ins nächste Fiasko: Die österreichische BayernLB-Tochter Hypo Group Alpe Adria (HGAA) gerät wegen fauler Kredite in Ost- und Südosteuropa in Schieflage und muss in letzter Sekunde durch die Verstaatlichung vor der Pleite bewahrt werden.
BayernLB-Chef Michael Kemmer räumt wegen des Debakels nach nur 1,5 Jahren an der Spitze der Landesbank seinen Posten und kommt damit seinem Rauswurf zuvor. Auch die CSU-Staatsregierung gerät durch die neue Milliarden-Krise der BayernLB schwer unter Beschuss. Die bayerischen Steuerzahler hat das Drama um die HGAA 3,7 Mrd. Euro gekostet, nachdem die BayernLB selbst im Vorjahr bereits mit 10 Mrd. Euro vom Freistaat gestützt werden musste.

- HYPO REAL ESTATE: Kein anderer Finanzkonzern in Deutschland ist in der Krise so tief gefallen wie die Hypo Real Estate. Nach Nothilfen von mehr als 100 Mrd. Euro wurde die HRE im Oktober als erstes Unternehmen vollständig verstaatlicht, um nicht doch noch zu kollabieren und den Finanzplatz Deutschland in den Abgrund zu reißen.
Den repräsentativen Firmensitz im noblen Münchner Stadtteil Lehel musste der klamme Konzern vor einigen Monaten aufgeben und in den günstigeren Vorort Unterschleißheim ziehen. Die meisten Büros im Ausland machte die HRE dicht, Hunderte Mitarbeiter verloren ihren Job. Der bayerischen Justiz beschert die HRE hingegen noch für Jahre Arbeit: Mehr als 50 Schadenersatzklagen früherer Aktionäre stapeln sich auf den Schreibtischen der Ermittler, hinzu kommen mehrere Klagen gegen die Verstaatlichung des Unternehmens.

- ESCADA: Die Insolvenz des Modekonzerns Escada im August gehörte zu den größten Wirtschaftspleiten des Jahres. Anders als bei vielen anderen Unternehmen gab es in diesem Drama aber ein Happy End für die Mitarbeiter: Weil die Marke Escada weltweit noch immer einen guten Namen hat, meldeten sich eine ganze Reihe von Kaufinteressenten beim Insolvenzverwalter.
Den Zuschlag für das Unternehmen aus Aschheim bei München erhielt im Herbst die indische Milliardärsfamilie Mittal, die Escada mit frischeren Kollektionen wieder zu Glanz verhelfen will. Die meisten der rund 2.000 Beschäftigten sollen übernommen werden. Escada-Vorstand Bruno Sälzer denkt darüber nach, unter der neuen Leitung auch in den Markt für Männermode einzusteigen, den er aus seinen früheren Zeiten als Chef von Hugo Boss noch gut kennt.

- QUELLE: Was die Insolvenz eines Unternehmens im schlimmsten Fall bedeutet, das erfuhren Tausende Beschäftigte des insolventen Versandhauses Quelle in Nürnberg und Fürth. Monatelang durchlebten sie ein Wechselbad der Gefühle. Hoffnung keimte auf, als mit einem Massekredit in letzter Sekunde der neue Katalog gedruckt werden konnte.
Dann, am Abend des 19. Oktober, der Schock: Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg verkündete, dass kein Investor gefunden worden sei und Quelle abgewickelt werde. Von rund 10.500 Beschäftigten der Versandsparte konnten nach Angaben eines Sprechers bis Mitte Dezember nur für gut ein Zehntel Jobs gesichert werden, darunter beim Verkaufssender HSE24, bei Call Centern sowie bei der Küchen Quelle, die von mittelständischen Investoren übernommen wurde.

- MAN: Nach dem milliardenschweren Schmiergeld-Skandal bei Siemens wurde auch der Maschinenbau- und Nutzfahrzeugekonzern MAN von einer Korruptionsaffäre erschüttert. Ins Rollen kam sie mit einer Großrazzia im Mai. Die Staatsanwaltschaft München geht davon aus, dass Verkäufer in den Niederlassungen Bestechungsgelder an MAN-Kunden zahlten und hat dem DAX-Konzern ein Bußgeld von mehr als 150 Mio. Euro aufgebrummt.
Die Affäre hat fast die komplette MAN-Führungsmannschaft ihre Jobs gekostet, allen voran Konzernchef Hakan Samuelsson, der mit seinem Rücktritt die Verantwortung für den Skandal übernahm. Immer wieder wird aber auch spekuliert, dass der mächtige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech beim Abgang Samuelssons die Finger im Spiel hatte, weil er sich so freie Bahn für eine Übernahme des Münchner Unternehmens verschaffen wollte.

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