"Wirtschaftswunderland Polen" hatte 2009 das Glück des Tüchtigen

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Dass Polen im Krisenjahr 2009 als einziges der größeren Länder in Europa seine Wirtschaftsleistung steigern konnte, hat es einerseits seiner guten Wirtschaftspolitik zu verdanken, andererseits hatten die Polen auch Glück - darüber waren sich die Teilnehmer einer Expertendiskussion am Dienstagabend in Wien einig. So habe Polens Wirtschaft sehr davon profitiert, dass das Land noch nicht der Eurozone angehöre und seine Währung abwerten konnte, erklärte der Volkswirt Josef Pöschl vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).

Jedenfalls habe das polnische "Wirtschaftswunder" eine enorme atmosphärische Bedeutung, betonte Pöschl. Noch vor wenigen Monaten habe es noch geheißen, die Bedrohung für die europäische Wirtschaft käme aus dem Osten, im Gegensatz zum stabilen Westeuropa. Dieses Klischee sei jetzt weg, "man wirft jetzt nicht mehr alle in einen Topf". Aber zu dem Meinungsumschwung habe natürlich auch Griechenland beigetragen.

Pöschl nannte für Polens wirtschaftlichen Erfolg in der Krise mehrere Faktoren. So sei Polens Wirtschaft stärker binnenorientiert, die Exporte spielten eine kleinere Rolle als etwa für Tschechien oder die Slowakei. Immerhin sei Polen ein großer Binnenmarkt, seine Wirtschaftsleistung entspreche jener von Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien zusammengenommen. Als günstig habe sich außerdem die Tatsache erwiesen, dass die polnischen Unternehmen in den Sektoren, die von der Krise am meisten betroffen waren, nicht so stark vertreten seien - während etwa die Slowakei sehr stark auf den Auto-Sektor spezialisiert sei.

Polen hatte nach Ansicht von Pöschl auch das Glück, dass es eine Kapitalflucht gegeben habe - durch die Abwertung des Zloty seien ausländische Produkte um 16 % teurer geworden, heimische Produkte hingegen billiger. Eine vom IWF zugesicherte Kreditlinie habe andererseits die polnische Währung stabilisiert und verhindert, dass sie ins Bodenlose fällt, erläuterte der WIIW-Ökonom bei der vom Polnischen Institut und dem IDM (Institut für den Donauraum und Mitteleuropa) organisierten Expertenrunde.

Einen kurzfristigen Schwenk habe die Regierung in Warschau bei ihrer Budgetpolitik vollzogen und die Ausgaben nicht so stark gekürzt wie geplant, sondern ein höheres Defizit zugelassen, das von 2 auf 7 Prozent des BIP gestiegen sei. Das habe die private und die Staatsnachfrage sowie den Bausektor gestützt. "Das konnte sich Polen leisten, weil es vorher brav und fiskalpolitisch diszipliniert war." Die polnischen Haushalte und Firmen seien nicht so stark verschuldet wie in anderen Ländern, die Investitionen eher EU-finanziert.

Die EU-Fördermittel für große Infrastruktur-Projekte seien eine starke Triebfeder gewesen, bestätigte Thomas Urbanczyk von der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer. Polen stünden für den Zeitraum 2007 bis 2013 65 Mrd. Euro an EU-Förderungen zur Verfügung. Ein zweiter Konjunkturmotor sei schon seit Jahren der starke Konsum. So habe sich das Wachstum des Einzelhandels zwar verlangsamt, sei aber nicht zum Stillstand gekommen. Nach wie vor ziehe Polen ausländische Direktinvestitionen (FDI) an - seit dem Jahr 2000 in Summe fast 98 Mrd. Euro, und allein 2009 seien es 8,6 Mrd. Euro gewesen. Für heuer sei mit einer ähnlichen Größenordnung an FDI zu rechnen.

Zu den Investitionen hat auch der börsenotierte österreichische Immobilienentwickler Warimpex seinen Beitrag geleistet - bisher rund 500 Mio. Euro, berichtete Warimpex-Vorstand Christian Fojtl, der seit 1993 das Warimpex-Geschäft in Polen geleitet hat. "Wir sollten aber nicht damit rechnen, dass Polen das Wirtschaftswunderland Europas sein wird - ich glaube, dass Polen 2009 auch Glück hatte." Die wirtschaftliche Bedeutung der Fußball-EM 2012 - die Polen gemeinsam mit der Ukraine ausrichtet - wird nach Fojtls Ansicht deutlich überschätzt. "Es lohnt sich einfach nicht, für einen Event, der sechs Wochen dauert, ein Hotel zu bauen, das hoffentlich hundert Jahre steht."

Das Thema Arbeitslosigkeit wird Polen nach einhelliger Ansicht noch länger beschäftigen. Laut Krysztof Szadurski, Chef der Warschauer Hotelgruppe Syrena - einer gemeinsamen Tochter von Strabag und RCB - stieg die Arbeitslosenrate im Vorjahr von unter 10 % (2008) auf derzeit rund 13 %. "Die Vollbeschäftigung ist in weiter Ferne", bestätigte auch WIIW-Experte Pöschl. Eine Inflationsgefahr - die Teuerung liegt derzeit bei rund 3,5 % - sieht Pöschl hingegen nicht, der Zloty werde eher wieder aufwerten.

Das Privatisierungsprogramm für heuer hat laut Szadurski ein Gesamtvolumen von 25 Mrd. Zloty (6,38 Mrd. Euro) und umfasst Unternehmen aus dem Energie- und dem Telekom-Sektor sowie die Warschauer Börse, an der auch die Börse Wien Interesse zeigt. Im laufenden Jahr hat Polen bereits rund 1,3 Mrd. Euro an Privatisierungserlösen eingenommen.

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