In einer gemeinsamen Stellungnahme zeigten sich heimische Top-Mediziner besorgt über die aktuelle Lage in Österreich. Sie warnten vor einer Eskalation.
Eine hohe Aufnahmerate von Patienten mit Covid-19 führe unvermeidlich zu Versorgungsengpässen, warnten österreichische Mediziner in einer gemeinsamen Stellungnahme. Die durchschnittliche Zeit der Intensivbehandlung von Patienten, die durch SARS-CoV-2 schwer erkranken, sei zudem "mehr als das Doppelte einer durchschnittlichen Behandlungsdauer". "Ungebremste" Wellen von vielen, gleichzeitigen Covid-19-Erkrankungen würden daher die Spitäler erheblich belasten.
"Ein funktionierendes Gesundheitssystem setzt voraus, dass stationäre Kapazitäten nicht überlastet werden. Auch sehr gut ausgebaute Gesundheitssysteme weisen, unabhängig von der aktuellen Pandemie, bereits eine hohe Auslastung auf, wobei insbesondere der Auslastungsgrad der anspruchsvollen Intensivressourcen bei ca. 90 Prozent liegt", erläuterten die Experten. Das persönliche Risiko für eine tödliche Covid-19-Erkrankung von vermutlich rund 0,3 Prozent der Infizierten sei "unter Bedingungen eines funktionierenden Gesundheitssystems für die Gesamtbevölkerung" zwar gering. In Regionen mit ungebremster Ausbreitung erreiche es aber um ein Vielfaches höhere Werte und steige in höherem Alter deutlich an.
Betroffen seien vor allem Intensivstationen, wurde betont - mit negativen Folgen, auch für die Versorgung von Patienten mit anderen Erkrankungen. In der am Donnerstagnachmittag veröffentlichten und von der MedUni Wien initiierten Aussendung äußerten sich folgende Experten: Stephan Aberle, Judith Aberle, Heinz Burgmann, Hans-Peter Hutter, Klaus Markstaller, Markus Müller, Elisabeth Puchhammer-Stöckl, Monika Redlberger-Fritz, Anita Rieder, Eva Schernhammer, Christoph Steininger, Robert Strassl, Miranda Suchomel, Florian Thalhammer, Stefan Thurner, Rudolf Valenta, Oswald Wagner, Ursula Wiedermann-Schmidt und Markus Zeitlinger, Medizinische Universität Wien, Dorothee von Laer und Günter Weiss von der Medizinischen Universität Innsbruck, Philipp Metnitz und Robert Krause von der Medizinischen Universität Graz, Bernd Lamprecht vom Kepler Universitätsklinikum Linz, Medizinische Fakultät der Johannes Kepler Universität, Richard Greil von der Universitätsklinik für Innere Medizin 3, Uniklinikum Salzburg, Michael Binder vom Wiener Gesundheitsverbund, Christoph Wenisch vom Wiener Gesundheitsverbund, Klinik Favoriten sowie Thomas Szekeres von der Österreichischen Ärztekammer.
Laut Schätzungen der WHO waren bisher maximal zehn Prozent der Weltbevölkerung dem SARS-CoV-2-Virus ausgesetzt, sodass nach wie vor die große Mehrheit der Bevölkerung anfällig ist, hieß es weiter. Noch weitgehend unbekannt sei, welche Faktoren für ein hohes persönliches Risiko für einen schweren Verlauf verantwortlich sind.
Die Ausbreitung lasse sich durch Kontaktreduktion und allgemeine Hygiene "effektiv reduzieren", lautete ein Appell der Mediziner. Die Vermeidung von Situationen, in denen Distanz nicht möglich und ein potenziell hohes Übertragungsrisiko gegeben ist, sei wichtig, das Tragen von MNS-Masken "nachweislich eine zusätzlich wirksame Maßnahme". Und da SARS-CoV-2 auch von infizierten Personen vor Auftreten von Symptomen übertragen werden kann, sei zur Kontrolle der Infektionssituation das Identifizieren und Isolieren sowohl von "ansteckenden" Personen als auch von Patienten mit Symptomen entscheidend.
Das klinische Management und die Prognose von Covid-Patienten hätten sich seit dem Frühjahr verbessert. Eine effiziente, kausale Therapie gibt es aber weiter nicht, wurde betont. Eine Entspannung der Situation werde voraussichtlich durch die Verfügbarkeit eines Impfstoffes eintreten. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden im Laufe des Jahres 2021 wirksame Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 verfügbar sein, ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis vorausgesetzt.