Ein neuer vielversprechender Therapieansatz will nun die Wurzel des Übels bekämpfen – die Krebsstammzellen.
Obwohl viele Tumorarten heute als sehr gut behandelbar gelten und sich Krebs dank des medizinischen Fortschritts in zahlreichen Fällen von einer tödlichen zu einer chronischen Krankheit wandeln lässt, verlieren nach wie vor rund 20.000 Österreicher jährlich den Kampf gegen die bösartigen Zellveränderungen. Wissenschaftler auf der ganzen Welt forschen unter Hochdruck, um ein Heilmittel gegen Krebs zu finden. Der Molekularbiologe Wolfgang Gruber von der Universität Salzburg wurde nun für seine Entdeckung eines potenziell neuen Krebsmedikaments mit dem Dissertationspreis der Österreichischen Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaft und Biotechnologie (ÖGMBT) ausgezeichnet. Der neue Therapieansatz bietet die Möglichkeit, die extrem gefährlichen Krebsstammzellen zu eliminieren.
Molekularbiologe Wolfgang Gruber im Talk
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Was sind Tumorstammzellen?
Wolfgang Gruber: In einem Tumor sind nur sehr wenige Krebsstammzellen vorhanden. Die Tumorstammzelle sitzt ganz oben am Ursprung und ist sozusagen die Urgroßmutter aller Tumorzellen. Die Tumorstammzellen entstehen aus mutierten Stammzellen, von dort haben sie auch ihre Eigenschaften, die jedoch verändert sind. Sie können sich unendlich teilen und sind nicht mehr kontrollierbar wie normale Stammzellen.
Warum wirken Chemo-/Strahlentherapie nicht gegen die Krebsstammzellen?
Gruber: Chemo- oder Strahlentherapie zielen am meisten auf sich teilende Zellen ab. Die Krebsstammzellen teilen sich eher selten und können dadurch dieser Therapie entkommen. Teilweise sitzen sie auch in sehr geschützten Nischen, also geschützt von anderen Zellen und sind daher schlecht erreichbar für diese Substanzen. Sie sind von Grund auf weniger anfällig und haben zusätzlich noch spezielle Eigenschaften. So haben sie bestimmte Pumpen, die giftige Substanzen ausschleusen können. Diese sind bei Krebsstammzellen besonders aktiv. Mit ein Grund, warum sich diese Zellen unendlich oft teilen können, ist die sehr hohe Telomeraseaktivität. Normalerweise verkürzen sich bei jeder Zellteilung die Telomere, die Chromosomenenden, bis sich die Zelle nicht mehr teilen kann. Bei der Telomeraseaktivität der Krebszelle stellt ein Enzym die Telomere jedoch immer wieder neu her.
Sind die „schlafenden“ Krebsstammzellen schuld an Rezidiven und Metastasen?
Gruber: Krebsstammzellen teilen sich oft über lange Zeit nicht. Wenn dann Chemotherapien oder Ähnliches abgesetzt sind, fangen sie nach längerer Zeit wieder an, sich zu teilen und führen dann zu einem Rezidiv. Die Fähigkeit einer Krebsstammzelle ist ja, dass sie in der Lage ist, einen neuen Tumor zu initiieren. Bei einem Rezidiv macht sie das auch. Der Patient ist häufig fast tumorfrei, und aus einer einzigen Zelle kann dann wieder ein ganzer Tumor gebildet werden. Ähnlich bei einer Metastase, wo es nur einzelne Zellen schaffen, aus dem Tumor auszuwandern und in einer fremden Umgebung von Grund auf einen neuen Tumor zu bilden. Das ist für eine Tumorzelle sehr schwierig, das schaffen eigentlich nur Krebsstammzellen.
Wie kann man diese Zellen durch den neuen Therapieansatz ausschalten?
Gruber: Wenn man Krebsstammzellen und deren Eigenschaften studiert, kann man häufig Anfälligkeiten oder Empfindlichkeiten der Zelle ausfindig machen. Das haben wir getan. Wir haben ein Protein gefunden, das für die Krebsstammzelle ganz wichtig ist. In diesem Fall ist es ein Signalweg, der in den Krebsstammzellen aktiv sein muss. Dieser Signalweg ist ein Masterregulator, der viele Auswirkungen hat. Schaltet man diesen Signalweg ab, ist die Krebsstammzelle nicht mehr in der Lage, sich zu teilen und wird apoptotisch, das heißt, sie stirbt ab. Wir haben nun in diesem Signalweg ein zentrales Protein gefunden und gemeinsam mit einer Firma ein Molekül entwickelt, das genau dieses spezifische Protein ausschaltet, so den Signalweg abdreht und die Krebsstammzellen gezielt eliminiert.
Wie geht es nun weiter?
Gruber: Noch ist alles präklinisch, wir haben noch keine Patienten behandelt. Wir sind ja Biologen und Grundlagenforscher, aber im Mausmodell war es sehr erfolgreich. Klinische Studien sind angedacht und könnten in den nächsten ein bis zwei Jahren starten. Um wirklich zum Medikament zu werden, muss man alle klinischen Studien erfolgreich durchlaufen. Im positiven Fall wäre es vielleicht in zehn Jahren so weit.
Kann durch diese Therapie eine Heilung von Krebs erreicht werden?
Gruber: Man darf sich kein Wundermittel versprechen, aber wenn der Mechanismus an sich gut funktioniert, wäre das wirklich etwas, das man gegen viele Krebsarten anwenden kann. Unsere Modelle haben wir vor allem bei Bauchspeicheldrüsenkarzinomen durchgeführt, was ja ein sehr bösartiger Krebs ist, der sehr schnell zum Tod führt. Dort waren sie sehr erfolgreich. Die Theorie könnte auch bei vielen Krebsformen Anwendung finden.
Hierarchie der Krebszellen
Tumore setzen sich, ähnlich wie Organe, aus einer Vielzahl von Zellen zusammen, die sich in Funktion und Aufgabe unterscheiden. Am Ende der Hierarchie stehen hoch spezialisierte Zellen, die die Funktion von Tumorgewebe aufrecht halten. Da sie keine Fähigkeit zu Zellteilung und Zellwachstum und nur eine kurze Lebensdauer haben, müssen sie ständig erneuert werden. Dafür sorgen die sogenannten Vorläufer- oder Progenitorzellen. Diese besitzen eine sehr hohe Zellteilungs- und Zellwachstumsrate, verlassen bei Bedarf den Zellzyklus, differenzieren aus und ersetzen so die fehlenden Spezialzellen. In entarteten Geweben bilden diese Vorläuferzellen somit die laufend wachsende Tumormasse. An der Spitze der Hierarchie steht auch beim Krebs die Stammzelle, die Urgroßmutter aller Krebszellen, die in vielen Tumoren bereits nachgewiesen wurde. „Krebsstammzellen wurden als Erstes in Leukämien entdeckt. Da konnte man sehr genau zeigen, dass eine einzelne Krebsstammzelle einen ganzen Tumor initiieren kann. Inzwischen ist das Konzept der Krebsstammzellen weitgehend anerkannt“, erklärt Molekularbiologe Wolfgang Gruber von der Universität Salzburg.
Wie Krebs entsteht:
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Tumorstammzelle
Tumorstammzellen entstehen aus mutierten Stammzellen und gelten als die gefährlichsten Zellen im Tumor. Diese kleine Anzahl nicht ausdifferenzierter Zellen liefert laufend Nachschub an Krebszellen und erhält so den Tumor am Leben. Möglicherweise geht von diesen Zellen auch die Bildung von Metastasen aus und sie werden auch für Rückfälle verantwortlich gemacht.
Therapieresistent
Tumorstammzellen können lange Zeit in einem „Schlafzustand“ verharren. Da Chemotherapie und Bestrahlung hauptsächlich auf Zellen wirken, die sich gerade teilen, sind die „schlafenden“ Zellen in dieser Phase relativ behandlungsresistent. Die ruhenden Stammzellen können jederzeit „aufwachen“ und sollen mitverantwortlich sein, wenn ein scheinbar zerstörter Tumor plötzlich wiederkehrt.
Signalweg der Zellen
Um sich unendlich teilen und Gewebe erneuern zu können, müssen bestimmte Signalwege in den Zellen aktiv sein. Über diese Wege leitet die Zelle Signale von außen in den Zellkern. Bei den Krebsstammzellen ist der sogenannte Hedgehog-Signalweg, dessen Schlüsselfaktor das Protein DYRK1B ist, von zentraler Bedeutung.
Behandlungsresistent
Die Krebsstammzellen befinden sich meist in einer metabolischen Tiefschlafphase, werden nur in bestimmten Situationen aktiv, um sich zu teilen. Während die eine Tochterzelle zur Vorläuferzelle differenziert und für Zellnachschub sorgt, kann sich die andere als Stammzelle wieder zur Ruhe begeben, lange Zeit unbemerkt in diesem Schlafzustand verharren und jederzeit wie aus dem Nichts zu einem Tochtertumor heranwachsen. Der Krebs, der scheinbar wiederkehrt, war in Wirklichkeit nie weg. Da Chemotherapie und Bestrahlung hauptsächlich auf Zellen wirken, die sich gerade teilen, sind die Stammzellen relativ behandlungsresistent.
Kampf gegen den Krebs
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Vielversprechende Methode
In den Krebsstammzellen muss ein Signalweg (Hedgehog-Signalweg) aktiv sein, der als Masterregulator viele Auswirkungen hat. Schaltet man diesen Signalweg ab, ist die Krebsstammzelle nicht mehr in der Lage, sich zu teilen und stirbt ab. Forscher haben nun in diesem Signalweg ein zentrales Protein (DYRK1B) gefunden und ein Molekül entwickelt, das genau dieses spezifische Protein ausschaltet, so den Signalweg abdreht und die Krebsstammzellen gezielt eliminiert. Die Modelle wurden vor allem bei Bauchspeicheldrüsenkarzinomen durchgeführt, welches ein sehr bösartiger Krebs ist, der sehr schnell zum Tod führt. Dort waren sie sehr erfolgreich. Die Theorie könnte bei vielen Krebsformen Anwendung finden.
Der Weg zum Medikament
Die Methode ist noch präklinisch. Klinische Studien sind angedacht und könnten in den nächsten ein bis zwei Jahren starten. Um wirklich als Medikament zugelassen zu werden, müssen alle klinischen Studien erfolgreich durchlaufen werden. Im positiven Fall wäre es vielleicht in zehn Jahren so weit.
Neuer Therapieansatz
An der Universität Salzburg wurde nun ein potenziell neues Krebsmedikament entdeckt, beziehungsweise die Möglichkeit aufgezeigt, die extrem gefährlichen Krebsstammzellen zu eliminieren. Damit Stammzellen in der Lage sind, sich unendlich zu teilen und Gewebe zu erneuern, müssen bestimmte Signalwege in den Zellen aktiv sein. Von zentraler Bedeutung bei den Krebsstammzellen ist der sogenannte Hedgehog-Signalweg. So wichtig dieser Signalweg während der embryonalen Entwicklung ist, so problematisch kann er bei Erwachsenen werden und Krebs verursachen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei ein bestimmtes Protein (DYRK1B). Und genau hier setzt das neue Therapiekonzept an. Durch Blockierung des Proteins DYRK1B soll der Hedgehog-Signalweg ausgeschaltet, die Krebsstammzellen direkt angegriffen und so das Tumorwachstum gestoppt werden. Damit könnte man in Zukunft den Krebs direkt an der Wurzel packen.