Mit 30 erhält die Sportmoderatorin und ehemalige Sprinterin die Diagnose Multiple Sklerose. Mit ihrem Buch möchte Anna Kraft Betroffenen Mut machen.
Anna Kraft, mehrfach deutsche Meisterin in der Sprint–Staffel und bekannte Fußball-Moderatorin im deutschen TV, erhielt 2015 mit Anfang 30 die niederschmetternde Diagnose Multiple Sklerose. Zunächst einmal hielt sie die Erkrankung vor Arbeitgeber und Publikum geheim. Sie brauchte Zeit, um sie zu verarbeiten. Im Jahr 2021 ging Anna mit ihrer Diagnose an die Öffentlichkeit. Als Mutter zweier Töchter wollte sie anderen Betroffenen Mut machen und zeigen, dass ein aktives Leben auch mit MS möglich ist.
Annas Kraftakt
Ihre Offenheit in Bezug auf ihre MS-Erkrankung hat vielen Menschen Kraft gegeben. Aus diesem Grund hat sich die Moderatorin dazu entschieden, ein Buch über ihre Erkrankung zu schreiben. Verstärkung dazu holte sie sich von ihrem behandelnden Arzt Prof. Dr. Bernhard Hemmer, Direktor der Neurologischen Klinik der Technischen Universität München. Im Buch „Kraftakt. Mein Leben mit Multipler Sklerose“ beschreibt die Autorin, wie sie ihr Leben mit der Krankheit meistert. Prof. Hemmer sorgt für die fachliche Expertise. Laut Anna Kraft ist es ein Buch, das sie sich zum Zeitpunkt ihrer Diagnose selbst zu lesen gewünscht hätte, eines das Fragen beantwortet und Ängste nehmen soll, jedoch ohne Etwas zu beschönigen.
Südwest Verlag, 23,50 Euro
Krankheit mit tausend Gesichtern
Multiple Sklerose ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, also der Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark. Frauen sind ungefähr dreimal so häufig betroffen wie Männer. Die Multiple Sklerose tritt vor allem bei jungen Erwachsenen auf, das Durchschnittsalter bei der Diagnose beträgt 32 Jahre. Weil bei MS das Nervensystem erkrankt, handelt es sich um eine sogenannte neurologische Erkrankung, bei der die Myelinschicht um die Nerven herum, aber auch die Nervenzellen selbst, von Immunzellen angegriffen werden. Die Entzündungen führen zu Narben in Gehirn und Rückenmark. Diese Narben stören fortan die Weiterleitung von Nervenimpulsen. Es kommt zu den MS-typischen neurologischen Ausfällen.
MS ist noch nicht heilbar und wird auch die Krankheit mit den tausend Gesichtern genannt, denn Symptome und Verläufe sind vielfältig und variieren von Patient:in zu Patient:in. Die klassischen MS-Symptome sind laut Prof. Hemmer Empfindungsstörungen wie beispielsweise Taubheit in einer Hand oder den Zehen, Sehstörungen, wie doppelte Bilder sehen oder Schleier vor den Augen.
Weiters häufig: Schwindel, insbesondere ein sogenannter Schwankschwindel, der sich mit Stand- und Gangunsicherheit bemerkbar macht, Fallneigung, Benommenheit und eingeschränkte Gehfähigkeit – ein Bein fühlt sich bei längerem Gehen schwächer als das andere an. Dazu kommen Fatigue – ein andauerndes Gefühl von Müdigkeit und Erschöpfung, Koordinationsstörungen, Muskelstörungen und Verdauungsstörungen. Die Diagnose wird mittels MRT (Anm.: Magnetresonanztomografie) gestellt. Dabei handelt es sich um ein bildgebendes Verfahren, bei dem präzise Schnittbilder des Körpers in hoher Auflösung erstellt werden. Es eignet sich gut zur Darstellung von Weichteilen und Organen.
Nach der Diagnose
Die Krankheit kann sehr mild mit geringen Beeinträchtigungen im Leben verlaufen oder auch schwerwiegend ausfallen. Man unterscheidet zwei Formen. Erstens den schubförmigen Verlauf: Hier treten Symptome in Form von Schüben auf, das heißt, dass Symptome sich in der Regel über Stunden bis Tage entwickeln und mindestens für 24 Stunden anhalten. Und zweitens den primär progredienten (fortschreitenden) Verlauf: Bei einem fortschreitenden Verlauf entwickeln Patient:innen langsam Symptome, die sich mit der Zeit nicht mehr verbessern, sondern bleiben oder sich gar verschlechtern. Es gibt keine spürbaren Schübe, sondern eine schleichende Verschlechterung.
Therapie
Die Behandlung der Multiplen Sklerose fußt auf drei Säulen. Die erste Säule der MS-Therapie sind allgemeine Maßnahmen, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen und körperliche Reserven aufzubauen. Dazu zählen eine gesunde vorwiegend pflanzliche Ernährungsweise („Mittelmeerdiät“ mit frischem Obst und Gemüse, Getreide, pflanzlichen Ölen, Samen und Nüssen), Nikotinverzicht und sportliche Aktivität, um den Körper zu stärken.
Die zweite Säule der MS-Therapie ist die Schubtherapie. Das Ziel dieser Behandlung ist, dass sich die typischen Symptome eines MS-Schubes möglichst rasch zurückbilden und komplett verschwinden. In der Regel wird mit Kortison behandelt.
Die dritte Säule der Therapie sind Arzneimittel, die dazu beitragen, die Krankheit zu deaktivieren. Es sollen keine Schübe mehr auftreten, keine neuen Entzündungen in Gehirn und Rückenmark entstehen und es soll zu keinen bleibenden Nervenschäden und damit verbundenen Behinderungen kommen. Sowohl die kurzfristige Schubtherapie als auch die langfristige Behandlung mit MS-Therapeutika, sind sogenannte Immuntherapien. Sie wirken auf Basis der beiden Prinzipien Immunmodulation und Immunsuppression.
Ein Baby trotz MS?
Diese war eine der vielen Fragen, die sich Anna nach ihrer Diagnose stellte. Sie ist heute zweifache Mama. Denn aus medizinischer Sicht besteht fast nie ein Grund, auf eine Schwangerschaft zu verzichten. Der Langzeitverlauf der MS wird durch Schwangerschaft, Geburt und Stillen nicht negativ beeinflusst. Im Gegenteil. Viele Patientinnen berichten, dass die Schwangerschaft die Erkrankung positiv beeinflusst. Symptome und Schübe zeigen sich seltener bis gar nicht. In den ersten Monaten nach der Geburt kann es – vermutlich aufgrund der hormonellen Umstellung – zu einem Wiederauftreten einer erhöhten Krankheitsaktivität kommen.
Ein alltäglicher Kraftakt
Anna: „Mein Leben mit MS ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“ Kleinere Schritte machen und Tempo rausnehmen sind jetzt angesagt.