Der 2. Tag des "Nova Rock"-Festivals brachte tolle Beatsteaks, Motörhead und Bad Religion. Allein bis Sonntagfrüh waren 200 Pannenfahrer im Einsatz.
Ob es nun am Wetter, fortgeschrittenem Alkoholkonsum oder gar den Bands selbst lag, dass die Stimmung am zweiten Tag des "Nova Rock"-Festivals erheblich besser war als beim in jeder Hinsicht unterkühlten Auftakt, ist am Ende eines langen Tages eigentlich nebensächlich. Mit Acts wie den Beatsteaks, Motörhead oder The Verve waren die Voraussetzungen für einen gelungenen Festival-Tag in Nickelsdorf am Samstag jedenfalls gegeben.
The Verve begeisterte wenig
Dass der Hauptact nicht unbedingt der
Höhepunkt des Tages sein muss, zeigte der Auftritt von The Verve: Zu stark
war der musikalische Kontrast der britischen Band rund um den eigenwilligen
Sänger Richard Ashcroft zum Vorgänger Beatsteaks, die eine energiegeladene,
kräfteraubende Turnstunde für Fortgeschrittene absolviert hatten. Zu
Hunderten strömten die Fans vor der "Blue Stage" schon kurz nach den ersten
beiden Songs Richtung Campingplatz oder Motörhead, was Ashcroft
schlussendlich dazu veranlasste, sich ein wenig schnippisch bei "all jenen
von euch, die die Songs kennen", für das Dableiben zu bedanken.
Beatsteaks mischten auf
Dabei hatte sich die Show nach dem
zurückhaltenden Beginn durchaus zu einem sphärischen Zusammenspiel aus
Britpop, Exzentrik und Unwirklichkeit entwickelt, die in kleinerem Rahmen
und nach einer schlechten Vorband durchaus ihren Charme gehabt hätte. Zu
stark war aber der Eindruck der Berliner Punkrocker Beatsteaks, die zuvor
nicht nur die Security-Kräfte ins Schwitzen gebracht hatten: "Das Sitzen ist
ja hier richtig zur Mode geworden", ätzte Sänger Arnim Teutoburg-Weiß in
Anspielung auf "Korn"-Frontman Jonathan Davis, der am Freitag sein Konzert
auf einem Thron sitzend absolviert hatte. "Dann machen wir mal was Neues,
von dem die anderen etwas lernen sollen" - und forderte die wild gewordene
Menge dazu auf, ihre T-Shirts auszuziehen.
Security auf der Hut
Es war ein Anblick wie in der Umkleidekabine
eines Schul-Turnsaals, als ein Großteil der dicht gedrängten Menge sich
umständlich ihrer Leiberl entledigte. Aber die Beatsteaks hatten damit nicht
genug: "So, und jetzt setzt euch alle hin". Und tatsächlich - mehrere
zehntausend Fans plumpsten gleichzeitig auf den Boden, für einen kurzen
Moment schuf die Verblüffung der Fans gespenstische Stille. "Und jetzt geht
schlafen", schrie Teutoburg-Weiß und riss die Menge mit einem
ohrenbetäubenden Gitarrenriff zurück auf die Beine, was den umstehenden
Sicherheitskräften angesichts des Chaos' den schieren Angstschweiß auf die
Stirn trieb. Schwer erschöpft strömten die Fans gegen 23 Uhr Richtung
Bier-Standln und verspürten wohl wenig Lust, sich nun auf den elaborierten
Sound von The Verve einzulassen.
Motörhead rockt
Da waren sie zweifelsfrei richtig bei
Motörhead. Die mussten sich auf der "Red Stage" nicht über zu wenig Publikum
beklagen und traten zwar nicht mit den besten, aber mit den richtigen Worten
auf: "Wir sind Motörhead, und wir spielen Rock'n'Roll", brüllte Lemmy
Kilmister, und die Fans dankten es ihm. Es folgte die hohe Schule des guten
alten Hardrock. Zwar musste Kilmister das mal quietschende, mal brummende
Mikro zuerst noch zurechtschreien, als die Einstellung dann passte, war
klar: Das verbliebene komische Grummeln war Kilmisters Stimme. Klassiker und
neuere Songs sowie die Ankündigung eines neuen Albums verschafften den vom
optisch eindrucksvollen "In Flames"-Gig angeheizten Fans einen guten
Abschluss des Samstagabends. Motörhead zeigten sich als Legende, die im
Gegensatz zu den Sex Pistols am Freitag aber höchst lebendig auftrat,
während ein steter Strom an Verve-müden vorbei Richtung Campingplatz zog.
In Flames heizen ein
Müde war bei In Flames zuvor niemand vor der
"Red Stage" gewesen: Die Schweden beklagten zwar die Niederlage ihres
Fußball-Teams bei der EURO, ließen aber sonst keine Zeit für schlechte Laune
(bzw. nur für diejenige Art Missmut, die bei Melodic Death Metal nun mal
dazugehört). Dem Namen gerechte Feuerwerkseffekte und ziemlich viel Melodie
in den harten Klängen versteckend, heizten die düsteren Gesellen um Anders
Friden ordentlich ein. Dass es zum Schluss am Nova Rock gar schneite, hätte
man am eiskalten Freitag vielleicht geglaubt - am Samstag war sofort klar,
dass es nur Papierschnitzel waren, die In Flames in die Luft blasen ließen.
"Wir werden heute großartig sein", kündigte die Band an - das war zwar etwas zu hoch gegriffen. Aber dem Publikum, das nach einem heißen und sonnigen Vormittag nun die typischen Festival-Farben sonnenbrandrot, staubgrau und natürlich blau angenommen hatte, gefiel's - was sie auch deutlich machten. "Es könnte sein, dass ihr das beste Publikum der Welt seid", rief Friden. Ob das wohl Johnny Rotten noch gehört hat?
Gavin Rossdale wenig beliebt
So hübsch Gavin Rossdale mit seiner
perfekt sitzenden Kurzhaarfrisur, dem eng anliegenden roten T-Shirt und der
weißen Fender auch aussehen mag - so klingt auch seine Musik. Der Brite, der
mit seiner US-Band "Bush" in der zweiten Hälfte der 90er vergeblich
versuchte, an die Erfolge von Grunge-Ikonen wie Nirvana oder Pearl Jam
heranzukommen, spielte sein Solo-Programm (sein Debüt "WANDERlust" erschien
vor einigen Tagen) sowie zahlreiche Bush-Songs bemüht cool und blieb dennoch
brav, was nicht gerade eine große Menge vor die "Blue Stage" lockte.
Bad Religion zog Leute an
Denn die Fans waren zu der Zeit zum
Großteil vor der "Red Stage", wo Bad Religion ein zwar ebenso biederes
Konzert spielten wie ihr Name plakativ ist, aber doch die meisten Fans des
Abends vor die hintere Bühne locken konnten. Ziemlich straighter Sound und
keine Angst vor Rock-Klischees gaben die notwendige Vorlage für die
Selbstverpflichtung der Fans zum Exzess: Da wurde aus dem Kübel gesoffen, am
Boden zusammengekauert geschlafen oder beim Hüpfen am Bühnenrand unter
Gleichgesinnten Schweiß ausgetauscht, dass es zwar nicht unbedingt eine
Freude war. Aber doch jene Entzivilisierungs-Erlaubnis, für die Festivals
nun mal da und die im Alltag offenbar von allzu viel Freiheit abgehaltenen
Fans dankbar sind. Davor hatten die britischen Altmeister New Model Army und
die kalifornischen Jungspunde Melee die Latte hoch gelegt.
Großeinsatz für Pannenfahrer
"Es hat sich nichts
geändert!" erzählt ÖAMTC-Pannenfahrer Harald Sternberg. Wie im Vorjahr sind
leere Batterien und verlorene Schlüssel die Hauptursache für über 200
Panneneinsätze am Novarock bis Sonntagfrüh. Seitens ÖAMTC rechnet
man bis zur Abreise Montagmittag mit gut vierhundert Einsätzen in und um das
Gelände in Nickelsdorf. "Viele werden Starthilfe brauchen, weil
Kühlboxen und andere Stromfresser angeschlossen wurden", so Sternberg.