Festspiele Reichenau

Beeindruckende Doderer-Dramatisierung von Nicolaus Hagg in Reichenau

Beverly Blankenship inszenierte "Die Wasserfälle von Slunj" spannungsreich und äußerst beeindruckend

Das ist wohl die stärkste und überzeugendste Produktion der diesjährigen Saison bei den Festspielen Reichenau: "Die Wasserfälle von Slunj" nach dem Roman von Heimito von Doderer in einer Dramatisierung von Nicolaus Hagg, hervorragend inszeniert von Beverly Blankenship, beeindruckten bei der Premiere am Sonntag im Neuen Spielraum.

Bei allen Vorbehalten gegenüber dem anhaltenden Dramatisierungsboom - gibt es wirklich keine lohnenden neuen Theaterstücke mehr? - ist auch anzuerkennen, wenn eine Bühnenfassung gelingt. Hagg ist sich der problematischen Ausgangslage bewusst, Personen und Handlungsstränge des Romans streichen zu müssen, um eine Aufführungsdauer von zweieinhalb Stunden nicht zu übersteigen. Und so besteht die Kunst der Bearbeitung zunächst aus der Reduktion, wobei das Publikum nicht merken sollte, dass etwas weggelassen wurde. Dies ist gelungen.

"Die Wasserfälle von Slunj"

© LaloJodlbauer

Die Geschichte vom englischen Industriellen Robert Clayton - Daniel Jesch spielt ihn überzeugend als virilen Macher -, dessen Frau Harriet (Emese Fay) an der Übersiedlung nach Wien zugrunde geht und der sich ausgerechnet mit der Freundin seines Sohns Donald (adäquat zugeknöpft gezeichnet von Skye MacDonald) verlobt, worauf dieser bei den titelgebenden Wasserfällen zu Tode stürzt.

Fatale Konstellation führt in die Katastrophe

Jene junge Frau namens Monica (Johanna Mahaffy) ist wiederum die Nichte von Roberts Anwalt (Günter Franzmeier gibt ihn vortrefflich als nervösen Alkoholiker mit Wurzeln in Wien-Erdberg). Dann gibt es noch die lebenskluge Gräfin Ergoletta (Sona MacDonald), die sich den jungen Studenten Zdenko (Markus Freistätter) angelt, den Hoteldirektor Milohnic (Rafael Schuchter), der seinen Intimfreund Chwostik (David Oberkogler) als Büroleiter bei Clayton unterbringt, und die gutherzigen "leichten Damen" Finy (Johanna Arrouas) und Feverl (Bettina Schwarz).

"Die Waserfälle von Slunj

© LaloJodlbauer

Wie aus dieser Konstellation eine Tragödie sondergleichen entsteht, ist dermaßen spannungsgeladen und psychologisch stringent ausgeführt, dass die Katastrophe unausweichlich scheint. Väter seien Raubtiere, sagt die Gräfin und lockt Zdenko mit der Aussicht, sein Medizinstudium zu finanzieren. Für den gehorsamen Donald kommt die Einsicht, seine Chancen bei Monica nicht genützt zu haben, zu spät. Dass just sein Vater diese Schwäche ausnützt, bricht ihm das Genick.

"Die Wasserfälle von Slunj"

© LaloJodlbauer

Einerseits stellt Hagg ein Panoptikum mehr oder weniger schrulliger Figuren aus längst vergangenen Donaumonarchie-Zeiten auf die Bühne, andererseits belässt er es nicht bei purer Nostalgie. Gerade die Fragen nach Verantwortung, Expansionsdrang, Schuld und Grenzen der Selbstverwirklichung stellen sich zeitlos, im privaten wie gesamtgesellschaftlichen Rahmen. Die Botschaft ist angekommen, der Beifall war emphatisch.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten