Lage katastrophal

Drama um das Wiener Burg
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Neue Chefin muss das Burgtheater retten: Ex-Direktor Hartmann klagt gegen "Fristlose"

„Das Burgtheater ist in einer katastrophalen Situation, wie ich es mir nicht vorstellen hätte können.“ Mit diesem Alarmruf präsentierte sich Karin Bergmann am vergangenen Mittwoch der Presse als neue Burgtheater-Direktorin (siehe Interview unten).

Am 11. März wurde 
Hartmann gefeuert
Die Wochen davor hatte ­Österreichs weltberühmtes Nationaltheater „lodernd gebrannt“, wie der neue Aufsichtsratsvorsitzende Christian Strasser es ausdrückte.

  • 14. Februar: Das Burgtheater-Ensemble drückt Direktor Matthias Hartmann nach alarmierenden Wirtschaftsprüfberichten sein Misstrauen aus.
  • 10. März: Hartmann kündigt seinen temporären Rückzug an.
  • 11. März: Kulturminister Josef Ostermayer feuert ihn fristlos. Hartmann habe seine „Sorgfaltspflicht als Geschäftsführer grob vernachlässigt“. Allein in der Saison 2012/13 seien 8,3 Millionen Euro versenkt worden. Der Ex-Direktor bekommt Hausverbot, die privaten Sachen muss seine Ehefrau abholen.
  • 17. März: Hartmann erstattet Selbstanzeige, nachdem ihm Medien vorgeworfen haben, er habe bei seinem Amtsantritt in Wien bis zu 360.000 Euro nicht versteuert.
  • 19. März: Karin Bergmann wird mit tosendem Applaus des Ensembles als Retterin der Burg gefeiert.
  • 22. März: Die gefeuerte Ex-Vize-Direktorin der Burg, Silvia Stantejsky, sagt, sie habe persönlich 293.000 Euro für Hartmann verwahrt …

Klage
Matthias Hartmann, der ehemalige „Überflieger“, der so tief fiel – und auch fallen gelassen wurde –, wehrte sich: Die kaufmännische Direktion und die Holding hätten ihn „im Stich gelassen“. Im Übrigen habe er schon 2011 Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer vor der finanziellen Katastrophe gewarnt. Hartmann klagt gegen die Fristlose. Und sagt im Interview mit ÖSTERREICH: „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“
 

Ex-Burg-Chef : "Über mich wird nur noch gelogen!"

ÖSTERREICH: Empfinden Sie die Berichte über Sie gerechtfertigt oder als Kampagne?
Matthias Hartmann: Im Standard lügt Franzobel, ich hätte Autorengagen genommen, im Profil wird gelogen, dass meine Produktionen dreimal so teuer sind wie die anderen. Alle dürfen lügen. Und wenn sich herausstellt, dass es nicht gestimmt hat, wechselt man zum nächsten Skandalthema.

ÖSTERREICH: Sie wurden gefeuert, obwohl Sie Holding-Chef Springer früh warnten …
Hartmann: Diese Entscheidung erweckt allerseits Kopfschütteln. Welcher künstlerische Direktor unterschreibt je wieder so einen Vertrag?!

ÖSTERREICH: Nach Ihrer Selbstanzeige munkelt man schon von einem „österreichischen Fall Hoeneß“ …
Hartmann: Kein Mensch muss öffentlich über seine Steuer reden.

ÖSTERREICH: Karin Bergmann bietet Ihnen Regiearbeiten an …
Hartmann: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

ÖSTERREICH: Ihre Pläne?
Hartmann: Höchste Priorität hat für mich derzeit, meine Familie aus dem Feuer zu nehmen.
 

Bergmann: "Frauen, traut euch!"

ÖSTERREICH: In den 138 Jahren des Burgtheaters sind Sie die erste Direktorin …
Karin Bergmann: Das war überfällig. Ich hoffe aber, dass in naher Zukunft eine Frau an der Spitze eines großen Theaters normal sein wird. Natürlich ist die Burgtheaterdirektion ein heißer Stuhl, und es wäre schöner, wenn ich nicht in so einer Notsituation zum Zug gekommen wäre. Es ist ja erstaunlich, dass sich jetzt fürs Schauspielhauses Graz nur zwei Frauen beworben haben. Da kann ich nur sagen: Frauen, traut euch! Wir können das!

ÖSTERREICH: Sie haben von einer „katastrophalen Situation“ des Burgtheaters gesprochen …
Bergmann: Das Schlimmste ist, dass es nicht mehr in erster Linie um die Kunst geht, sondern um die Finanzmisere und Schuldzuweisungen und dass es ein verunsichertes Ensemble gibt. Die Schauspieler müssen sich frei fühlen, um auf höchstem Niveau zu spielen.

ÖSTERREICH: Welche ersten Schritte planen Sie?
Bergmann: Man muss gravierende Maßnahmen ergreifen, denn es geht um beträchtliche Summen. Ich führe von morgens bis abends Gespräche. Spielstätten verkaufen ist für mich kein Thema, aber man wird an einer Nebenspielstätte wie dem Kasino nicht eine Mammutproduktion nach der anderen machen. Da hat man das Maß aus den Augen verloren. Man kann nicht überall aus dem Vollen schöpfen.

ÖSTERREICH: Wie wird es mit den Inszenierungen von Matthias Hartmann weitergehen?
Bergmann: Wir sprechen über sein Projekt Der falsche Film im Akademietheater. Die Uraufführung am 6. April werden wir nicht halten können. Und für Die letzten Tage der Menschheit, eine Koproduktion mit den Salzburger Festspielen, suche ich mit Sven-Eric Bechtolf einen neuen Regisseur.

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