Mysteriöser Tod

Alijevs Leiche wird nicht freigegeben

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Staatsanwaltschaft will umfassende Untersuchungen durchführen.

Nach der Obduktion des ehemaligen kasachischen Botschafters in Wien, Rakhat Aliyev, der am vergangenen Dienstag erhängt in seiner Einzelzelle in der Justizanstalt (JA) Josefstadt aufgefunden wurde, wird die Leiche von der Staatsanwaltschaft Wien vorerst nicht freigegeben.

Grund dafür ist, dass die Anklagebehörde den Todesfall umfassend untersuchen lassen will. "Das soll perfekt gemacht werden", betonte der stellvertretende Behördenleiter Gerhard Jarosch. Die Ermittlungen würden in enger Absprache mit dem Justizministerium und der Oberstaatsanwaltschaft Wien erfolgen. Auch für Anregungen seitens der kasachischen Behörden und der Rechtsvertreter Aliyevs sei man offen, sagte Jarosch: "Wir machen alles, was möglich ist. Die Kosten spielen dabei keine Rolle. Wir wollen uns später nicht allfälligen Vorwürfen aussetzen, es sei irgendetwas unterlassen worden."

Zweite Obduktion möglich
Üblicherweise wird bei gerichtlichen Obduktionen der Leichnam 24 bis 36 Stunden danach freigegeben. Im Fall Aliyev hat das vorläufige Obduktionsergebnis vorerst keine Hinweise auf ein Fremdverschulden ergeben. Die Staatsanwaltschaft geht daher von einem Selbstmord aus, der allerdings von den Rechtsvertretern des Ex-Diplomaten angezweifelt wird. Diese fordern unter anderem die Überprüfung der bisherigen Obduktionsergebnisse durch einen zweiten, unabhängigen Sachverständigen. Die Anklagebehörde steht diesem Ansinnen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, ließ Jarosch durchblicken.

Tagebuch gefunden
Die Staatsanwaltschaft bestätigte außerdem, dass in der Zelle Aliyevs tagebuchartige Aufzeichnungen in kyrillischer Schrift gefunden wurden. In diesem Tagebuch soll - so zumindest die Aussage eines Chefinspektors der Polizei - Aliyev ihm im Gefängnis widerfahrene Einschüchterungsversuche festgehalten haben. "Die Aufzeichnungen werden selbstverständlich übersetzt und ausgewertet", sagte Jarosch. Offen ist, ob sich daraus Rückschlüsse gewinnen lassen, die zur eindeutigen Klärung der Todesursache beitragen. Abschiedsbrief hat Aliyev keinen hinterlassen.

Mullbinden stammten aus Krankenanstalt
Falls es tatsächlich Selbstmord war, dürfte der 52-Jährige zielgerichtet vorgegangen sein und wäre binnen kurzer Zeit bewusstlos gewesen.

Die Mullbinden, mit denen Aliyev sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft und der Vollzugsdirektion an einem Kleiderhaken im Nassbereich seiner Zelle erhängt haben soll, stammten aus der Krankenabteilung der JA Josefstadt, wo der herzkranke Ex-Diplomat untergebracht war. Dort können sich die Häftlinge relativ frei bewegen, Aliyev wäre es daher leicht möglich gewesen, die Mullbinden unbemerkt an sich zu bringen.

Sich mit diesem eher ungewöhnlichen Tatwerkzeug das Leben zu nehmen, wäre grundsätzlich kein schwieriges Unterfangen gewesen. Wie gerichtsmedizinischen Lehrbüchern zu entnehmen ist, reicht es beim Erhängen bereits aus, ein Gegengewicht von dreieinhalb Kilogramm zu erzeugen, um das Bewusstsein zu verlieren. Damit hätte sich Aliyev nur in eine aus den Mullbinden gebildete Schlaufe fallen lassen müssen, um sich die Sauerstoffzufuhr zu nehmen. Selbst im Stehen wäre in diesem Fall binnen weniger Sekunden die Bewusstlosigkeit und nach vier bis spätestens fünf Minuten der Hirntod eingetreten.

VIDEO: Aliyev erhängt sich in Zelle

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