Interview

ISIS-Rückkehrer: »Ich hatte falsche Freunde«

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Der 16-jährige Wiener Oliver N. floh von seinem Einsatz für die ISIS-Terroristen zurück nach Wien.

Noch liegt Oliver N. (16) in der Sonderkrankenanstalt der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Vergangene Woche ist der Wiener von seinem Einsatz bei den ISIS-Terroristen in Syrien zurück nach Österreich geflohen. ÖSTERREICH am SONNTAG wollte wissen, wie Oliver N. jetzt über seinen ISIS-Einsatz denkt und bat dessen Anwalt, Werner Tomanek, Fragen an Oliver N. zu übermitteln. Das sagt der ISIS-Aussteiger:

ÖSTERREICH: Wie froh sind Sie darüber, wieder in Österreich zu sein?
Oliver N.: Ich bin sehr froh, dass ich es geschafft habe, wieder nach Österreich zurückzukehren und dass der ganze Spuk endlich vorbei ist.

ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen?
Oliver N.: Obwohl ich jetzt inhaftiert bin, geht es mir deutlich besser als in den letzten Monaten, insbesondere seit ich bei einem Bombentreffer schwer verletzt worden bin.

ÖSTERREICH: Bereuen Sie, dass Sie für die ISIS gekämpft haben?
Oliver N.: Ich habe niemals für die ISIS gekämpft, ich habe auch keine Kampfausbildung erhalten. Ich war ­lediglich drei Tage als Rettungsfahrer im Kampfgebiet eingesetzt.

ÖSTERREICH: Was ist Ihnen dort genau passiert? Wie schwer waren Sie verletzt?
Oliver N.: Ich wurde bei einem Bombenangriff schwerst verletzt, meine Bauchdecke wurde aufgeschnitten, meine Gedärme hingen raus, ich habe die Milz, die halbe Leber, einen halben Lungenflügel und eine Niere verloren, weiters hatte ich im Oberkörperbereich Granatsplitter.

ÖSTERREICH: Wie ist Ihnen die Flucht gelungen?
Oliver N.: Nach der Verletzung wurde ich in einem Lazarett vor Ort erstversorgt und dann habe ich gebeten, dass ich in die Türkei in ein Krankenhaus gebracht werde, da ich an der Front aufgrund meiner Verletzungen wertlos war. Als ich in der Türkei angelangt bin, bin ich von dort nach Istanbul gereist, wobei mein Vater bereits verständigt wurde, dass ich zurückkomme.

ÖSTERREICH: Wissen Sie, ob und wie viele Menschen Sie getötet haben?
Oliver N.:  Ich habe keinesfalls einen Menschen getötet, da ich niemals an Kampfhandlungen aktiv teilgenommen habe.

ÖSTERREICH: Warum wissen Sie, dass Firas tot ist?
Oliver N.:  Ich bin mir ­sicher, dass Firas tot ist, weil ich seine zerfetzte Leiche mit eigenen Augen gesehen habe …

ÖSTERREICH: Was hat Sie motiviert, für die ISIS zu kämpfen?
Oliver N.:  Ich habe – wie gesagt – niemals für die ISIS gekämpft, ich bin in das Ganze hineingeraten, da ich mir die völlig falschen Freunde ausgesucht habe, nämlich überzeugte radikale Moslems, die mich innerhalb kürzester Zeit dazu überreden konnten, mit ihnen in das Kampfgebiet zu gehen.

ÖSTERREICH: Sie sind zum ­Islam konvertiert, doch Vertreter des Islam sagen, die ISIS hat nichts mit dem Islam zu tun. Wie ist Ihre Meinung?
Oliver N.:  Ich kann über den Islam sehr wenig sagen, da ich erst im Mai 2014 konvertiert bin und bereits im August in Syrien bzw. im Irak eingetroffen bin. Ich habe auch niemals Unterricht durch einen islamischen Geistlichen erhalten.

ÖSTERREICH: Wie sehr sind Sie von Albträumen gequält?
Oliver N.:  Ich werde natürlich auch im Schlaf immer wieder von den furchtbaren Ereignissen eingeholt, die ich während dieser Monate gesehen habe, und bekomme daher entsprechende Medikamente und Behandlung.

ÖSTERREICH: Sie sind in Wien angeblich verheiratet. Stimmt das? Wenn ja, wollen Sie mit Ihrer Frau zusammenleben?
Oliver N.:  Es stimmt, dass ich kurz verheiratet war. Das Ganze ist via Skype zustande gekommen. Die Ehe wurde auf gleichem Weg nach kurzer Zeit wieder geschieden. Ich ­habe meine „Frau“ jedoch niemals persönlich getroffen.

ÖSTERREICH: Wenn Sie das Rad der Zeit um zwei Jahre zurückdrehen könnten, was würden Sie anders machen?
Oliver N.:  Wenn ich das Rad um zehn Monate zurückdrehen könnte, würde ich jedenfalls alles anders machen. Ich will nichts mit religiösem ­Fanatismus zu tun haben.

ÖSTERREICH: Gibt es etwas, wofür Sie sich entschuldigen möchten?
Oliver N.:  Ich möchte mich vor allem bei meinem Vater dafür entschuldigen, was ich ihm angetan habe, vor allem wegen der Sorgen, die er sich um mich machen musste.

ÖSTERREICH: Wie stellen Sie sich Ihr zukünftiges Leben vor?
Oliver N.:  Ich möchte nach ­Abschluss des Gerichtsverfahrens und nach meiner Enthaftung so bald wie möglich in ein normales Leben zurückkehren und bin natürlich auch bereit, meine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen, damit anderen nicht das Gleiche passiert wie mir.

Iris Brüggler

VIDEO: Wiener ISIS-Kämpfer verhaftet

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