Tragödie

Mädchen (14) starb an Krebs: Bedingte Haft für Eltern in Kärnten

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Die Eltern eines 14-jährigen Mädchens, das vor einem Jahr an Krebs gestorben war, sind am Mittwoch am Landesgericht Klagenfurt zu zwölf Monaten bedingter Haft verurteilt worden. 

Die Staatsanwaltschaft warf ihnen Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen vor. Das Mädchen sei nicht über seine Erkrankung aufgeklärt worden und habe unter qualvollen Schmerzen gelitten, bis es viel zu spät ins Spital kam, wo es kurz darauf starb.

Das sagte die Richterin 

Richterin Michaela Sanin betonte, die Eltern hätten einige Schritte unternommen, aber: "Mangels kompetenter Aufklärung durch Fachpersonal konnte sich das Mädchen keinerlei Bild machen, wie das Ganze abläuft." Mit der 14-Jährigen sei nicht über den Tod gesprochen worden, sie selbst habe immer wieder gesagt, ihr Pferd werde sie heilen: "Sie ging von falschen Parametern aus. Eine Informationseinholung über das Internet kann diese Aufklärung in keiner Weise ersetzen", so die Richterin.

Fürchterliche Schmerzen

Die 14-Jährige habe an "sehr starken, fürchterlichen Schmerzen" gelitten, es sei zu wenig unternommen worden, um diese auch zu lindern - so habe das Mädchen lediglich Parkemed genommen. Zwar hätte die 14-Jährige ein Recht auf Selbstbestimmung, es sei aber die Verpflichtung von Eltern, das Wohl des Kindes "bestmöglich zu fördern". Und das sei nicht passiert: "Wenn man nicht darüber spricht, dass das Kind bei Ablehnung einer medizinischen Behandlung auf jeden Fall sterben wird und das gegen Ende hin sehr qualvoll ist, dann ist es nicht so, dass es die Bedeutung erkennt."

Kind war völlig abgemagert

Das Mädchen war im Februar 2023 ins Klinikum Graz eingeliefert worden. Das abgemagerte Kind hatte mehrere Tumore im ganzen Körper, die schwere Auswirkungen hatten, unter anderem litt die 14-Jährige an Gelbsucht, sie konnte nicht mehr schlucken und hatte Erstickungsängste, weil einer der Tumore auf die Speise- und Luftröhre drückte. Eine medizinische Behandlung und eine Biopsie waren zuvor abgelehnt worden, stattdessen hatten die Eltern mit ihrer Tochter Energetiker, Handauflager und schamanische Heiler besucht.

Verteidiger Alexander Todor-Kostic hatte immer wieder betont, dass die Eltern "nichts anderes als ihr Kind auf dem selbstbestimmten Weg begleiten" wollten. Das Mädchen hätte einen geistigen Reifegrad wie eine 16-jährige Jugendliche gehabt und eine schulmedizinische Behandlung wie auch Schmerzmittel abgelehnt. "Sie war bis zu ihrem Tod klar und einsichtsfähig." Die Entscheidung, einen Termin zur Biopsie nicht wahrzunehmen, habe die Tochter selbst getroffen, weil diese nur in einer Chemotherapie und Bestrahlung geendet hätte.

Ärzte mussten um Fassung ringen

Spitalsärzte, die am Mittwoch als Zeugen geladen wurden, mussten teilweise um Fassung ringen, als sie von den letzten Stunden ihrer jungen Patientin berichteten: "Das Kind ist bereits sterbend zu uns gekommen. Und zwar in so einem Zustand, wie ich ihn in 35 Jahren als Arzt nicht gesehen habe. Die Tumore waren sogar schon von außen sichtbar", erklärte ein Mediziner. Die Eltern hätten erklärt, die Tochter habe Angst vor Ärzten und sei deshalb erst jetzt ins Spital gekommen. Der nun angeklagte Vater hätte gesagt: "Es ist wie es ist", die Mutter habe nur gemeint: "Meine Tochter ist stark."

Aus medizinischer Sicht sei es wahrscheinlich, dass die 14-Jährige über Wochen hinweg Schmerzen gehabt haben müsse. Als sie im Sterben lag, habe sie auch noch einige Zeit die Schmerztherapie mit Morphium abgelehnt. Er habe nicht den Eindruck, dass das Mädchen Angst vor Ärzten gehabt habe, sehr wohl aber Misstrauen, so ein Arzt: "Sie hat Therapieversuche hinterfragt und auch kritisch gesehen, was auch ihr gutes Recht ist."

Unglaublicher Fall

Eine Ärztin formulierte es drastisch: "Das Fall war außergewöhnlich, es war die maximale Form des Leids." Sie habe immer noch Bilder ihrer Patientin im Kopf. Ziel sei es, dass Kinder so wenig wie möglich leiden müssen: "Aber hier wurde das Leiden zugelassen und es wurde dem Leiden zugeschaut, es wurde nichts unternommen." Den Vorhalt der Verteidigung, dass die 14-Jährige sehr selbstbestimmt gewesen sei und selbst Entscheidungen treffen habe können, bezweifelte sie: "Die Frage ist, ob sie sich überhaupt bewusst war, welche Erkrankung sie hatte, und davon gehe ich nicht aus, weil sie ja überhaupt keine Aufklärung bekommen hat." Diesen Eindruck hatte auch eine klinische Psychologin gehabt, erklärte diese in ihrer Aussage: "Die Mutter hat gesagt, ihre Tochter würde aufgeben, wenn sie das Wort Krebs höre." Die 14-Jährige selbst habe immer wieder angegeben, sie habe die Schmerzen wegen einer Sehnenverkürzung im Oberschenkel.

Mehrere Zeugen

Als Zeugen geladen waren auch insgesamt vier Männer: Einer von ihnen hatte mit Handauflegen gearbeitet, um ein "Energiefeld" bei dem Mädchen aufzubauen, sagte er: "Beim ersten Mal hat das auch funktioniert, der Tumor ist innerhalb einer halben Stunde um die Hälfte geschrumpft." Ein Allgemeinmediziner mit Schwerpunkt Naturheilkunde und Energetik setzte auf Infusionen mit hoch dosiertem Vitamin C sowie Extrakten aus den "Wunderpflanzen" Graviola und Katzenkralle - Ausführungen, bei denen der medizinische Sachverständige im Saal sichtlich Mühe hatte, die Contenance zu wahren.

Schwer belastet

Der Energetiker-Arzt wurde vom Vater des Mädchens auch schwer belastet: Dieser hätte den Tumor ausgependelt und gemeint, dass er gutartig sei. "Stimmt nicht!", betonte dieser, er habe vielmehr ein MRT und eine Biopsie angeordnet. Und überhaupt: "Das ist kein Pendel, sondern ein Biotensor", sagte er, während er eine Metallfeder an einem Holzgriff aus der Tasche holte, deren geschwungenes Ende hin und her pendelte. Nach der Bitte der Staatsanwältin, das Gerat einmal bei ihr anzuwenden, bescheinigte ihr der Energetiker nach kurzer Konsultation des Metallstabes, dass ihr Immunsystem "nicht vorhanden" sei.

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