Heute fuhren 30 Traktoren vor dem Haus der EU und in der City auf.
Eines ist sicher: Die Langschläfer unter den Gästen im Nobelhotel auf der anderen Seite der Wiener Ringstraße sind heute spätestens gegen dreiviertel zehn hellwach gewesen. Schließlich haben Milchbauern, die sich um ihre Existenz sorgen, nur wenige Meter entfernt vor dem Haus der EU in der Wiener Innenstadt mit ohrenbetäubenden Lärm gegen eine aus ihrer Sicht falsche Agrarpolitik demonstriert.
Milchbauern bekommen derzeit rund 27 Cent pro Liter für konventionelle Milch und rund 40 Cent für Biomilch. Zum Überleben notwendig sind, wie es beim APA-Lokalaugenschein an Ort und Stelle von mehreren Milchbauern hieß, "mindestens 47 Cent". Dabei betonten mehrere Gesprächspartner, "sicher keine Almosen von der Politik" zu wollen. Was man aber sehr wohl fordere sei eine bedarfsorientierte Milchmengensteuerung.
Lautstarke Forderungen
Das wurde mehr als lautstark auch unter neugierigen Augen von EU-Mitarbeitern, die aus ihren Bürofenstern blickten, gefordert. Kuhglocken wurden gebimmelt, Milchkannen und Deckel aneinandergeschlagen und extra-laute Traktor-Hupen betätigt. Symbolisch wurde zur Veranschaulichung der IG-Milch-Meinung zum problematischen Welt-Milchmarkt eine kleine Weltkugel mit Milchpulver aus Europa überflutet.
Derzeit laufe vieles falsch, sagte ein Bauer, der netto acht Stunden lang mit seinem Traktor aus dem oberösterreichischen Mühlviertel in die Bundeshauptstadt getuckert war. Es gebe eine "politisch gewollte Überproduktion in der EU". Nur die Politik, auch die heimische, würde das nicht offen sagen. Zusammengefasst würden in den großen EU-Milchländern Leistungsmilchkühe mit Gen-Soja aus Südamerika gefüttert, um schlussendlich so viel Milch zu erzeugen, dass Milchpulver bis nach Indien exportiert werde - wo die ansässigen Milchbauern ebenso sterben würden, da sie auch preislich unterboten würden.
"Grauslichkeiten"
Ähnlich argumentierte der Obmann der Demo-Veranstalterin IG-Milch, Ewald Grünzweil, der viele "Grauslichkeiten am Milchmarkt" ortet. Es brauche kein Geld für neue Exportstützen, in der die Politik ein Heilmittel sehe. Das Gegenteil sei der Fall: Solche Förderungen würde die Überproduktion nur weiter steigern. "Geld für Exportstützen macht keinen Sinn." Steuergeld dafür einzusetzen, dass nicht nur der heimische sondern auch der ausländische Markt zerstört werde gehe - "das kann keiner wollen, das ist krank und gehört den Politikern gesagt".
Kernforderung an die EU ist, dass keine weiteren Gelder für den Export oder die Milcheinlagerung verwendet werden sollen. Dafür wurde eine Petition übergeben. Der leitende Mitarbeiter der Kommissionsvertretung in Wien, Wolfgang Bogensberger, betonte im APA-Gespräch, dass die EU die Sorgen der Bauern ernst nehme. Die Krise im Milchsektor dauere schon lange, daher sei auch ein großes Paket geschnürt worden. Darauf angesprochen, dass dieses offenbar nicht reiche, sagte Bogensberger, dass die EU ihr möglichstes tue, um eine Preisstabilität zu erreichen. Kurzfristig kaufe die EU aktuell auch um 30 Mio. Euro Milch, um diese für Syrien zur Verfügung zu stellen.
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