Verfahren wegen schweren Betrugs

Karmasin-Prozess: WKStA fordert Haftstrafe für Ex-Ministerin

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Hochspannung am Wiener Landesgericht für Strafsachen, wo am Dienstag der Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen mitangeklagten Abteilungsleiter im Sportministerium wegen schweren Betrugs sowie Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen zu Ende geht.

Um 13.40 Uhr begann Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic mit seinem Schlussvortrag, mit der Urteilsverkündung dürfte nicht vor 17.15 Uhr zu rechnen sein.

Sophie Karmasin hatte in ihrem Schlusswort noch ein Mal betont, sie habe sich strafrechtlich nichts zu Schulden kommen lassen. Hinsichtlich des Vorwurfs, nach ihrer Tätigkeit als Ministerin betrügerisch Bezüge weiter bezogen zu haben, habe sie "unbedacht, unvorsichtig, vielleicht naiv" gehandelt: "Ich hatte aber nicht die Absicht, die Republik zu schädigen." Sie habe sich in einer "Ausnahmesituation" befunden und angesichts ihrer unklaren beruflichen Zukunft um Bezugsfortzahlung angesucht. Zu den inkriminierten Studien für das Sportministerium bemerkte Karmasin, sie habe sich dafür vom Ministerium "einspannen" lassen. "Bei mir stellt sich nicht die Frage, was war meine Leistung. Bei mir stellt sich die Frage, wo ist der Schaden", sinnierte die Meinungsforscherin, um sogleich festzuhalten: "Es gibt keinen Schaden."

Während U-Haft "nicht besonders gut" behandelt worden  

Karmasin beklagte sich, dass sie in während ihrer U-Haft "nicht besonders gut" behandelt worden sei. So habe man in ihrer Zelle "vier Mal in der Nacht das Licht aufgedreht". An ihrer ehemaligen Mitarbeiterin und Vertrauten Sabine Beinschab, die in der Vorwoche gegen sie ausgesagt hatte, ließ die Ex-Ministerin kein gutes Haar. Diese sei "eine toughe Geschäftsfrau und sicher kein Opfer" und nutze ihren Status als Kronzeugin aus. Seinerzeit habe sie bei bzw. mit ihr, Karmasin, gut verdient und sich von ihren Einkünften ein Haus in Kärnten gekauft.

Zuvor hatten die beiden Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in ihren Schlussvorträgen eine "spürbare teilbedingte Freiheitsstrafe" für Sophie Karmasin verlangt. Diese sei aufgrund ihrer Funktion einer einst ranghohen Politikerin "im oberen Strafdrittel" anzusiedeln. Im Fall einer anklagekonformen Verurteilung drohen der Meinungsforscherin bis zu drei Jahre Haft. 

Beweismittel würden keinen Spielraum für Zweifel lassen

"Die Beweismittel zeigen ein eindeutiges Bild und lassen keinen Spielraum für Zweifel", fasste Adamovic das Beweisverfahren zusammen. Und in Richtung der Angeklagten stellte der Vertreter der WKStA klar: "Sie hat konsequent gegen das Gesetz verstoßen." Sophie Karmasin habe "schon lange vor Beendigung ihrer Ministerschaft" Verdienstmöglichkeiten geplant und unmittelbar nach ihrer politische Karriere nahtlos entgeltliche berufliche Tätigkeiten aufgenommen. Dessen ungeachtet habe sie bis zum 23. Mai 2018 auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Bezüge als Ex-Ministerin bezogen. "Sie hat sich die ganze Zeit über das Tätigkeitsverbot hinweggesetzt und den Sachbearbeiter im Bundeskanzleramt schlicht und einfach angelogen", sagte Adamovic.

Der Oberstaatsanwalt warf der Ex-Politikerin weiters vor, diese habe "einen ordentlichen Aufwand betrieben, um ihre Zuverdienste zu verschleiern". Karmasin habe Honorare und Provisionen bezogen und diese über die Firma ihres Mannes verdeckt abgerechnet. Adamovic sprach von Scheinrechnungen und betonte, Karmasin habe ihre Einkünfte weder dem Parlament noch dem Rechnungshof gemeldet. Ihre Tathandlungen habe die Ex-Ministerin "erst beendet, als sie öffentliche Aufdeckung befürchten musste". Von Reue bzw. tätiger Reue könne bei Karmasin im Sinne des Gesetzes keine Rede sein, bemerkte der Vertreter der WKStA.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) plädiert für eine Haftstrafe. Die Strafe sei im oberen Bereich des zweiten Drittels des Strafrahmens zu bemessen (also von drei Jahren Höchststrafe), fordert die WKStA.

Vermögensverhältnisse offen gelegt

Der Oberstaatsanwalt warf der Ex-Politikerin weiters vor, diese habe "einen ordentlichen Aufwand betrieben, um ihre Zuverdienste zu verschleiern". Karmasin habe Honorare und Provisionen bezogen und diese über die Firma ihres Mannes verdeckt abgerechnet. Adamovic sprach von Scheinrechnungen und betonte, Karmasin habe ihre Einkünfte weder dem Parlament noch dem Rechnungshof gemeldet. Ihre Tathandlungen habe die Ex-Ministerin "erst beendet, als sie öffentliche Aufdeckung befürchten musste". Von Reue bzw. tätiger Reue könne bei Karmasin im Sinne des Gesetzes keine Rede sein, bemerkte der Vertreter der WKStA.

Adamovics Kollege Roland Koch billigte Karmasin hinsichtlich des Betrugsfaktum vollständige Schadensgutmachung zu. Diese habe ihre zu Unrecht bezogenen Bezüge zur Gänze zurückbezahlt. "Aber der Schaden für das Ansehen der Demokratie und des Rechtsstaates bleibt", beklagte Koch. Vor allem aber würden die Erschwerungsgründe die Milderungsgründe - Karmasin ist bisher gerichtlich unbescholten - "überdeutlich" überwiegen. Koch erwähnte in diesem Kontext den langen Tatzeitraum von 2018 bis 2021 und Karmasins führende Tatbeteiligung. Diese habe etwa Sabine Beinschab "zu Tathandlungen verführt".

Oberstaatsanwalt Koch hob die Stellung Karmasins hervor, die jahrelang eines der höchsten Ämter der Republik bekleidet habe. Sie habe "schwere Schuld" auf sich geladen. Der Bevölkerung müsse gezeigt werden, dass auch für eine ehemalige Ministerin "schwere Straftaten schwere Folgen haben. Denn ansonsten denkt sich die Bevölkerung, was sie sich eh schon denkt: denen da oben passiert nix."

"das Wirtschaftsstrafrecht fällt nicht vom Himmel" 

"Ich bin zutiefst überzeugt, dass Frau Doktor Karmasin kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden darf", forderte Verteidiger Norbert Wess einen Freispruch für die Ex-ÖVP-Ministerin. Bezüglich des angeblichen Betrugs habe Karmasin der Republik um 27.000 Euro zu viel refundiert - "rechtzeitig und freiwillig", wie Wess betonte. "Wenn Sie vor diesem Hintergrund annehmen, tätige Reue wäre nicht erfüllt, müssen wir uns das im Rechtsmittel ansehen", meinte der Verteidiger in Richtung der Oberstaatsanwälte. Hinsichtlich der behaupteten wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen waren laut Wess "alle im Ministerium eingeweiht". Wenn ein Wettbewerb nicht organisiert wird, könne dieser in weiterer Folge nicht beschränkt werden. "Das steht so im Gesetz", gab Wess zu bedenken, "das Wirtschaftsstrafrecht fällt nicht vom Himmel".

Zu Beginn des finalen Verhandlungstags hatte der vorsitzende Richter Karmasins Vermögensverhältnisse offen gelegt, die dazu von sich aus keine Angaben machen hatte wollen. Der Richter behalf sich mit einer Anfrage an den Rechnungshof, die Antwort verlas er nun im Großen Schwurgerichtssaal. Demnach besaß Karmasin zuletzt zwei Eigentumswohnungen am Mondsee, eine Eigentumswohnung in Wien-Josefstadt, eine weitere Mieteigentumswohnung in der Bundeshauptstadt, Unternehmensanteile an mehreren Firmen sowie ein Barvermögen in Höhe von einer Million Euro. Dazu kommt ein Grundstück in Klosterneuburg, auf dem - wie Oberstaatsanwalt Adamovic bemerkte - "ein schönes Haus" steht.

Die Meinungsforscherin und Ex-Politikerin war am 2. März 2022 fest- und zwei Tage später wegen Tatbegehungsgefahr in U-Haft genommen worden. Erst am 28. März gab das Oberlandesgericht (OLG) Wien einer Haftbeschwerde ihrer Anwälte Norbert Wess und Philipp Wolm Folge - Karmasin verbrachte somit immerhin 26 Tage in einer Zelle der Justizanstalt Josefstadt.

 78.589,95 Euro von Anklage umfasst

Die gegenständliche Anklage legt der Ex-Ministerin zur Last, sich nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen zu haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Familienministerin nahtlos fortsetzte. Von der Anklage umfasst sind 78.589,95 Euro. Der zweite Anklagekomplex betrifft drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag erhielt, indem sie laut Anklage zwei Mitbewerberinnen - darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab - dazu brachte, "von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde" (Anklageschrift).
"Fragen bitte mit Frischi abklären", liest sich dazu eine Chatnachricht von Karmasin an Beinschab. Gemeint ist damit der ehemalige Pressesprecher von Ex-Kanzler Kurz, Johannes Frischmann. 

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