'Ja' zum Pakt mit der ÖVP und zu den Regierungsmitgliedern – Letzte Hürde: Bundeskongress der Grünen am Samstag.
Salzburg/Wien. Der Weg für die türkis-grüne Koalition ist so gut wie frei: Der Erweiterte Bundesvorstand (EBV) der Grünen stimmte Freitagabend in Salzburg sowohl dem Regierungspakt als auch dem Personal auf grüner Seite zu, berichtete Werner Kogler, Bundessprecher und nun auch offiziell designierter Vizekanzler, nach siebenstündiger Sitzung in einer Pressekonferenz. Die Beschlüsse erfolgten einstimmig.
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Kogler: "Nicht unterbuttern lassen"
Kogler verteidigte den Pakt mit der ÖVP, eine "große grüne Handschrift" sei darin erkennbar. Zweiflern empfahl er die genaue Lektüre des Programms, und im Übrigen werde die Regierungspraxis und die Änderung der politischen Kultur zeigen, wo der Unterschied zwischen Türkis-Blau und Türkis-Grün liege.
"Selbst bei einer Biobutter würde ich mich nicht unterbuttern lassen", meinte Kogler zu entsprechenden Kritikern. Er erinnerte an Vorhaben wie das Informationsfreiheitsgesetz, eine ökologische Steuerreform mit ersten Schritten bereits vor 2022 und generell den Ausstieg aus dem Fossil- und den Einstieg ins Solarzeitalter mit dem Jahr 2040.
Die Frage der präventiven Sicherungshaft wollte Kogler - flankiert mit seinen künftigen Regierungskollegen Leonore Gewessler, Rudolf Anschober, Alma Zadic und Ulrike Lunacek - auch auf Nachfrage nicht groß ausbreiten. Auch hier verwies er auf den Pakt, in dem auf Verfassungskonformität abgestellt werde. Er wolle sich nicht auf Schlagworte reduzieren lassen, meinte Kogler, "ich spiele da nicht mehr mit". Deutlicher wurde da seine Stellvertreterin Nina Tomaselli. In der "Presse" glaubt sie nicht, dass eine Sicherungshaft kommen wird. Sie geht davon aus, "dass das verfassungskonform nicht möglich ist, dass man Menschen nur aufgrund ihrer Gedanken oder aufgrund desse, was sie tun könnten, einsperrt".
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Dass die Grünen über keinen kontrollierenden Finanzstaatssekretär verfügen, begründete Kogler damit, dass es opportuner sei, sich Unterstützung in seinem eigenen Ressort zu sichern. Im Übrigen habe er mit dem designierten ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel eine gute Arbeitsbasis. Er, Kogler, werde zumindest in erster Zeit auch dessen Gegenüber in der Regierungskoordination sein. "Wir werden uns auf Augenhöhe begegnen", so Koglers Fazit.
Die EBV-Sitzung war seitens der Grünen die vorletzte Hürde für die Koalition. Die letzte ist der Bundeskongress morgen, Samstag. Gibt die Mehrheit der 275 Delegierten dieses höchsten Parteigremiums ihr Okay zum Vorschlag des EBV und zum Eintritt in die Koalition, steht der Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag nichts mehr in Wege.
Grüne Hebein: „Schmerzhafte Punkte im Asylbereich"
Wiens Grünen-Chefin Birgit Hebein sieht im türkis-grünen Pakt, den sie als Mitglied des Kernteams federführend mitverhandelt hat, vieles gelungen. "Wir haben im Bereich Klimaschutz, Armutsbekämpfung und Transparenz unseren Wählerinnen und Wählern einiges versprochen und das halten wir auch", sagte sie der APA am Freitag. Dennoch gebe es einige "schmerzhafte Punkte - vor allem im Asylbereich".
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"Natürlich sind Teile im Asylbereich schmerzhaft bzw. dass der Arbeitsbereich zur ÖVP gewandert ist. Aber man darf nicht vergessen: Wir sind eine 14-Prozent-Partei und wir übernehmen jetzt eine große Verantwortung für das Land. Dass es Kompromisse geben wird und geben muss, war von vornherein klar", zeigte sich Hebein realistisch. Dinge wie die Sicherungshaft oder das Kopftuchverbot für Schülerinnen bis 14 Jahre seien der ÖVP offensichtlich wichtig gewesen.
Dass die ÖVP den festgeschriebenen Spielraum, wonach im Fall einer erneuten Flüchtlingskrise und einer Nicht-Einigung im Umgang damit andere Mehrheiten erlaubt sind, für eine Flüchtlingspolitik mit der FPÖ und damit an den Grünen vorbei nutzen könnte, befürchtet Hebein nicht - denn: "Wenn es soweit kommt, ist es ein Ausdruck einer nicht funktionierenden Koalition." Außerdem sei dieser Passus "ausnahmslos für den Notfall gedacht".
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Dass die noch ohne jegliche Details angekündigte Ökosoziale Steuerreform erst 2022 kommen soll, stört Hebein nicht. Dieser Zeitraum sei "realistisch - noch dazu, wenn man alle Beteiligten einbeziehen möchte". Es gebe aber darüber hinaus zahlreiche Klimamaßnahmen, verwies sie auf die beiden Öffi-Verkehrsmilliarden, den Auslaufplan für fossile Heizungen oder die geplanten billigen Öffi-Jahreskarten, wonach man um einen Euro pro Bundesland, zwei Euro in zwei Bundesländern und um drei Euro in ganz Österreich unterwegs sein kann. Letzteres soll "so schnell wie möglich" umgesetzt werden.
Auch in anderen Bereichen sei einiges erreicht worden - von der anvisierten Halbierung der Kinderarmut über mehr Geld für Gewaltschutz von Frauen bis zum Aus für Löhne unter den niedrigsten Kollektivvertragsgehältern.
Die Zurückführung der Mindestsicherung in Länderkompetenz begrüßt Hebein, die die Sozialagenden federführend ausverhandelt auch. Auch wenn sie grundsätzlich für eine bundeseinheitliche Lösung plädiert habe - es sei hier keine zufriedenstellende Einigung mit der ÖVP möglich gewesen: "Die Länder haben jetzt das Pouvoir, selbst die Sozialhilfe zu gestalten. Das ist mir lieber als keine guten Kompromisse in der Frage einzugehen." Und: Die Wiener Mindestsicherung könne dadurch bestehen bleiben.
Ob die Wiener Verkehrsstadträtin durch das künftig Grün-besetzte Verkehrs- und Infrastrukturministerium höhere Chancen sieht, ungeliebte Projekte wie den Lobautunnel oder die 3. Piste am Flughafen Wien-Schwechat doch noch zu stoppen, wollte Hebein nicht direkt beantworten. Türkis-Grün habe sich geeinigt, Großprojekte mit Blick auf das Klima zu überprüfen: "Das ist der Stand der Dinge - nicht mehr und nicht weniger."
Einen raueren Ton in der Rathaus-Koalition erwartet sie angesichts der von der Wiener SPÖ schon geäußerten Kritik am türkis-grünen Regierungsprogramm nicht. "Nein. Wir haben eine aufrechte gute Koalition und noch einige Vorhaben." Eine etwaige Abwanderung von Wählern bei der Wien-Wahl im Herbst will Hebein mit einer "glaubwürdigen Politik und im Dialog mit der Bevölkerung" entgegentreten. Kompromisse seien Teil der Demokratie - egal ob im Bund oder in Wien.
Letzte Hürde: Grüner Bundeskongress
Die von ÖVP und Grünen vereinbarte Koalition hat am Samstag die letzte Hürde vor sich. Bei einem außerordentlichen Bundeskongress der Grünen in Salzburg stimmen 275 Delegierte über die Regierungsbeteiligung und den Pakt mit der ÖVP sowie über das grüne Regierungsteam ab. Erwartet werden die Beschlüsse für den Nachmittag.
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Nach der einstimmigen Empfehlung zur Annahme, die der Erweiterte Bundesvorstand der Grünen am Freitagabend getroffen hat, stehen die Chancen für ein Ja außerordentlich gut. Interessant bleibt aber, wie hoch die Zustimmung ausfallen wird.
Los geht es - nicht öffentlich - um 10 Uhr, die Delegierten können sich über das Abkommen ausführlich informieren. Ab 13 Uhr dürfen Journalisten dann dabei sein. Angesetzt ist zunächst eine Rede von Bundessprecher (und Vizekanzler in spe) Werner Kogler. Dann folgt die Präsentation des Pakts durch die Verhandler und (nach einer Debatte) die Abstimmung darüber. Auch der Rest des Regierungsteams darf sich dann präsentieren, bevor sich alle fünf ebenfalls dem Votum der Delegierten stellen.