Entscheidung

Rendi-Wagner oder Doskozil: SPÖ beschließt Mitglieder-Befragung und Parteitag

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Die Entscheidung über die Führung der SPÖ fällt in einer Mitgliederbefragung. Deren Ergebnis wird Basis für einen danach stattfindenden außerordentlichen Parteitag.

Das hat der Parteivorstand einstimmig beschlossen nach einem entsprechenden Vorschlag des Präsidiums, wie Parteichefin Pamela Rendi-Wagner im Anschluss berichtete. 

Wann die Befragung stattfindet, der sich zumindest sie und der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) stellen werden, steht noch nicht fest. Die genauen Verfahrensrichtlinie wird das Präsidium in der kommenden Woche festlegen, erklärte Rendi-Wagner in einer Pressekonferenz nach den Gremien Mittwochabend. Die Diskussion sei "sehr ehrlich abgelaufen", berichtete sie, fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten nach vorne geblickt.

Die Parteichefin pochte auf eine Klärung "so rasch wie möglich". Ebenso steht noch nicht fest, wer die Wahlkommission leitet und wer die Befragung abwickelt. Laut Rendi-Wagner wird aber die Bundesgeschäftsführung "federführend" beteiligt sein.

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Doskozils Brief, in dem er sich zu seiner Kandidatur bekannte, sei absehbar gewesen, meinte die Parteichefin. Dritte oder vierte Kandidaten könne niemand ausschließen. Für sie steht fest, dass das Ergebnis der Befragung von allen zu akzeptieren sei. Danach hätten alle an einem Strang zu ziehen.

Entscheidung vor dem Sommer

Was den Termin angeht, werde man Rücksicht auf Salzburg nehmen, sodass die "Genossinnen und Genossen auch eine ordentliche Wahl schlagen können", sagte Landeshauptmann Doskozil in einem eigenen Statement nach dem Vorstand. Danach solle das Prozedere beginnen, sodass es noch vor dem Sommer eine Entscheidung gebe.

Pamela Rendi Wagner und Hans Peter Doskozil. 

Pamela Rendi Wagner und Hans Peter Doskozil. 

© APA/SCHLAGER
× Pamela Rendi Wagner und Hans Peter Doskozil. 
 

Der Wettbewerb zwischen der Amtsinhaberin und ihrem burgenländischen Herausforderer soll möglichst transparent ablaufen. Dem Vernehmen nach wird erwogen, dass sich die beiden mehrfach gemeinsam den Parteimitgliedern mit ihren Ideen präsentieren, ähnlich wie es dereinst beim Duell um den Wiener SPÖ-Vorsitz geschehen war.

Befragung statt Mitgliederentscheid

Schon vor den Gremien hatte sich diese Lösung abgezeichnet. Auch der burgenländische Landeshauptmann Doskozil hatte vor der Sitzung des Präsidiums gemeint, dass es im Zuge des Prozesses einen Parteitag geben werde müssen. Grundsätzlich will er aber die Basis entscheiden lassen. Einen Mitgliederentscheid alleine gab das Statut der Partei jedoch nicht her. Nun wird das Ergebnis der Mitgliedsbefragung als Basis für den Parteitag hergenommen.

Video zum Thema: Duell um SPÖ-Vorsitz: Das sagt Hans Peter Doskozil

Von der SPÖ-Chefin gab es am Mittwoch bisher keine Stellungnahme. Doskozil beantwortete bei seinem Eintreffen vor dem Parlament einige Fragen, ohne noch allzu viel preis zu geben. So wollte er weder einschätzen, wer seine Unterstützer seien, noch, wie groß seine Chancen seien. Die Entscheidung zur Kandidatur sei diese Woche getroffen worden.

SPÖ-Chefs seit 1945:

Adolf Schärf von 1945 bis 1957
Bruno Pittermann von 1957 bis 1967
Bruno Kreisky von 1967 bis 1983
Fred Sinowatz von 1983 bis 1988
Franz Vranitzky von 1988 bis 1997
Viktor Klima von 1997 bis 2000
Alfred Gusenbauer von 2000 bis 2008
Werner Faymann von 2008 bis 2016
Christian Kern von 2016 bis 2018
Pamela Rendi-Wagner von 2018-aktuell

 

LH Peter Kaiser: "Etwas Vernünftiges"

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) versprühte bei seiner Ankunft nicht unbedingt beste Laune: "Ich hoffe auf irgendetwas Vernünftiges", meinte er zum Prozedere, nicht ohne anzufügen, sofern überhaupt noch etwas Vernünftiges herauskommen könne. Nach der Sitzung war er ein wenig zuversichtlicher: "Heute wurde zumindest eine Entscheidung getroffen, und diese ist jetzt von allen ebenso zu akzeptieren, wie das Ergebnis das am Ende des heute beschlossenen Prozesses."

Wie sämtliche der zur Sitzung eintreffenden Granden wollte Kaiser nicht öffentlich sagen, auf welcher Seite er steht. Die Standard-Antwort etwa von ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian oder dem Tiroler Landeschef Georg Dornauer war: "Auf Seiten der SPÖ." Einzig Selma Yildirim als eine der Frauen-Vertreterinnen im Präsidium bekundete einmal mehr ihre Unterstützung für Rendi-Wagner.

Wiener SPÖ stellt sich hinter Rendi-Wagner

Die Wiener SPÖ hatte sich schon in der Früh hinter die Vorsitzende gestellt. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) meinte diesbezüglich am zweiten Tag der Klubtagung der Hauptstadt-Roten in Frauenkirchen, er habe dies schon gestern klar gemacht und daran habe sich nach der Kandidatur von Doskozil nichts geändert. An einen dritten Kandidaten für den Parteivorsitz glaubt er nicht und hält ihn auch nicht für nötig.

Der steirische Landesvorsitzende Anton Lang, der sich bisher zurückgehalten hatte, sprach sich am Mittwoch für eine Befragung der Mitglieder aus. Auch 50 Kommunalpolitiker aus fünf Bundesländern starteten eine entsprechende Initiative, darunter Bürgermeister großer steirischer Gemeinden wie Leoben, Knittelfeld und Fohnsdorf.

Chronologie des Konflikts Doskozil gegen Rendi-Wagner

Der Konflikt zwischen SPÖ-Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil schwelt bereits seit Jahren, immer wieder befeuert durch angriffige öffentliche Aussagen Doskozils. Ein Überblick über die Geschichte des Konflikts:

  • 22. September 2018: Rendi-Wagner wird als neue SPÖ-Chefin designiert. "Könnte sie Opposition nicht, würden wir sie nicht heute zur Parteivorsitzenden designieren", kommentiert Doskozil, der von Beginn an als Rendi-Skeptiker gilt, ihre Kür damals. Beim Parteitag Ende November erhält Rendi-Wagner 97,8 Prozent der Delegiertenstimmen, der in Umfragen beliebte Doskozil schneidet mit 82,3 Prozent unter ihren Stellvertretern am schwächsten ab.
  • Dezember 2018: Doskozil richtet der Bundespartei am Beispiel Mindestsicherung aus, sie solle eine "konstruktivere Oppositionspolitik" fahren. Auch danach sorgt er mit öffentlichen Wortmeldungen etwa zur Sicherungshaft in der Partei für Konfliktstoff.
  • 2. März 2019: Beim Landesparteitag der Tiroler SPÖ fordert Rendi - auch in Richtung Doskozil - Geschlossenheit in der Partei ein. Der kündigt aber gleich an, seine Meinung weiterhin zu äußern, wenn er es als "richtig" erachtet - und das tut er in der Folge häufig.
  • November 2019: Nach dem schlechten Abschneiden der SPÖ nicht nur bei der Nationalratswahl erklärt Doskozil die SPÖ für "nicht regierungsfähig". Nach Gerüchten über die Ablöse der Bundesparteivorsitzenden fordert er ein Ende der Personaldebatte, betont aber gleichzeitig: "Erst kommt die inhaltliche Diskussion, und dann kann man am Ende des Prozesses noch einmal offen und ehrlich die Personalfrage stellen."
  • Jänner 2020: Im Vorfeld der burgenländischen Landtagswahl zieht Doskozil wieder gegen die "thematisch passive" Bundes-SPÖ vom Leder. Nach seinem Erdrutsch-Sieg legt er der Bundes-SPÖ noch am Wahlabend nahe, ihre Linie etwa bei der Sicherungshaft zu überdenken, und tritt damit die nächste Führungsdebatte los.
  • 6. Mai 2020: Rendi-Wagner versucht einen Befreiungsschlag durch eine Mitgliederbefragung und bekommt 71,4 Prozent Zustimmung. Nur zwei Monate später schließt Doskozil eine Nationalrats-Spitzenkandidatur lediglich "derzeit" aus. "Man kann nie wissen, was politisch passiert."
  • April 2021: Doskozil zieht sich aus dem Parteipräsidium zurück, damit wolle er "einen Neustart ermöglichen".
  • 20. Juli 2021: Kärntens SPÖ-Parteichef Landeshauptmann Peter Kaiser lädt Rendi und Doskozil zum Versöhnungsgespräch nach Kärnten.
  • November 2022: Die SPÖ Burgenland sorgt mit einer von ihr beauftragten Umfrage für Aufsehen, in der auch abgefragt wird, wie die SPÖ bei einer bevorstehenden Nationalratswahl mit Doskozil als SPÖ-Kanzlerkandidat im Vergleich zu Rendi-Wagner abschneiden würde. SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst betont zwar, man habe nur Doskozils Inhalte abfragen wollen. Wenig später wirbt er aber in einem Interview offen für Doskozil als Bundeskanzler und bringt eine Befragung der SPÖ-Mitglieder ins Spiel.
  • Frühjahr 2023: Nach den Verlusten der SPÖ bei den Wahlen in Niederösterreich nimmt die Debatte um Rendi-Wagner - befeuert durch Aussagen Doskozils, dass die SPÖ mit der aktuellen Führung nicht ihr volles Wählerpotenzial ausschöpfe - weiter an Fahrt auf. Als Rendi-Wagner Doskozil ersucht, Anfang März "angesichts der aktuellen Situation" am SPÖ-Präsidium teilzunehmen, sagt dieser zu - um dort "Zukunftsperspektiven für die Sozialdemokratie" zu diskutieren.
  • 14. März 2023: Doskozil legt sich fest und gibt bekannt, dass er sich um den Vorsitz der Bundes-SPÖ bewerben will. Die jahrelangen Querschüsse gegen die Bundesvorsitzende relativiert er in seinem Bewerbungsbrief: Es gehe dabei nicht um einen "Rosenkrieg", sondern "um die Frage, mit welchen konkreten Programmen und Maßnahmen wir als SPÖ auf die konkreten Sorgen der Menschen in Österreich reagieren wollen".
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