Das sagt ÖSTERREICH

Die EU-Wahl war eine Kanzler-Abstimmung

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Ein Kommentar von oe24-Chefredakteur Niki Fellner.

Die EU-Wahl wurde gestern zur Abstimmung über Bundeskanzler Sebastian Kurz – mit einem klaren Ergebnis. Der Kanzler hat mit seiner ÖVP einen fulminanten Wahlsieg eingefahren. Für jene Parteien, die den Kanzler heute stürzen wollen, gab es hingegen eine schallende Ohrfeige.

ÖVP: Kurz marschiert jetzt Richtung 40 %

Die ÖVP geht jetzt mit ­einem Kurz-Turbo in die nächsten Wochen. Das EU-Wahl-Ergebnis liegt sogar deutlich über jenem der letzten Nationalratswahl (31,5 %). Das zeigt: Die Österreicher wollen definitiv keinen Kanzler-Sturz. Wenn SPÖ und FPÖ ihren Selbstzerstörungskurs wirklich durchziehen und den Kanzler heute abwählen, dann marschiert Kurz mit der ÖVP bei der Neuwahl Richtung 40 %+. Dann ist der ÖVP dieser Wahlsieg nicht mehr zu nehmen.

SPÖ: Ab heute wackelt 
Parteichefin Rendi-Wagner

Die SPÖ hat sich mit ihrem „Ja“ zum Misstrauensantrag hingegen definitiv vergogelt. Einen amtierenden (und beliebten) Kanzler gegen eine klare Mehrheit der Bevölkerung zu stürzen, war eine saudumme Idee. Welcher Berater auch immer Pamela Rendi-Wagner da reintheatert hat, hat ihr und der Partei damit einen Bärendienst erwiesen. Dafür hat die SPÖ gestern die Rechnung präsentiert bekommen. Dass die SPÖ in so einer Situation (Ibiza-Affäre, gesprengte Regierung, Neuwahl) zum ohnehin schwachen EU-Wahlergebnis aus dem Jahr 2014 sogar Stimmen verliert (!), ist ein Kunststück. Spätestens ab heute hat die SPÖ eine Obfrau-Debatte. Bei der Neuwahl im September droht ihr ein Debakel – vor allem, wenn sie heute den Kanzler stürzt.

FPÖ: Blaue müssen Anti-Kurz-Kurs überdenken

Die FPÖ hat heute die Rechnung für die Ibiza-Affäre präsentiert bekommen. Das Ergebnis ist ein „blaues Auge“. Zwar hatten die FPÖ-Strategen zuletzt auf mehr Mobilisierung gehofft, das Minus hätte nach dem Strache-Beben aber durchaus auch schlimmer ausgehen können. Fest steht freilich: Die FPÖ konnte mit ihrem harten Anti-Kurz-Kurs bei dieser Wahl nicht punkten. Sie wird ihre Strategie für die Neuwahl überdenken müssen.

Grüne: Kogler hat die
Partei aus Koma geholt

Die Grünen sind neben Kurz der zweite Wahlgewinner des Abends. Werner Kogler hat die Öko-Partei mit einer klaren Klimaschutz-Positionierung aus dem Koma geholt. Er hat die Stimmung der „Friday’s for Future“-Demos ideal genützt. Dass die Grünen sogar die Neos überholt haben, ist beachtlich. Bei der Nationalratswahl im September ist ihnen der Wiedereinzug ins Parlament so gut wie sicher.

Wenn Rot-Blau Kurz stürzt, ist er nicht mehr zu stoppen

Was heißt dieses Ergebnis für die Neuwahl? Der Kanzler ist jetzt in der Poleposition. Wenn SPÖ und FPÖ wirklich so blöd sind, ihn heute mit einer rot-blauen Mehrheit zu stürzen, dann wird der Wahlkampf zum Homerun für Kurz. Dann wird er bei der Neuwahl mit dem „Märtyrer“-Image gegen das rot-blaue Schreckgespenst antreten – und nicht mehr zu stoppen sein.

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