Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.
Zwei Bilanz-Interviews in ÖSTERREICH: Eines mit dem Präsidenten, eines mit dem Kanzler. Stärker könnte der Unterschied kaum sein:
Van der Bellen wirkt immer mehr wie ein „Ersatz-Kaiser“, zurückhaltend, ausgleichend, überparteilich – nur ja keine Aufreger.
Sebastian Kurz dagegen strotzt vor Mut, macht Tempo, kämpft wie Tom Turbo gegen die Mindestsicherung für Flüchtlinge, für das Nulldefizit, scheut heikle Themen wie die Zusammenlegung der Sozialversicherung und deren Streikdrohung nicht, polarisiert bewusst. Und trotzdem:
In den Umfragen hat der Präsident die schlechtesten Werte aller Zeiten – und der junge Kanzler die besten. Sogar weltweit. Warum?
Van der Bellen wird die Schatten seines polarisierenden Hofburg-Wahlkampfs nicht los. Sein Interview war auf oe24.TV noch gar nicht auf Sendung (!), da ging im Internet schon der Shitstorm los. Tatsächlich stehen 34 % der Wähler dem rot-grünen „Kaiser“ in der Hofburg ausdrücklich „negativ“ gegenüber. Nur 40 % der Wähler sehen Van der Bellen „positiv“. Der schlechteste Wert, den ein Präsident bei uns je hatte.
Sebastian Kurz dagegen fliegen die Herzen zu. 53 % der Österreicher sehen ihn „positiv“ (obwohl nur 32 % ÖVP wählen würden) – nur 14 % bewerten den jungen Kanzler „negativ“. Der Positiv-Saldo von 39 % ist Weltrekord. Sebastian Kurz ist mit seinen 31 Jahren sowas wie ein „Jungbrunnen“ für unser Land. Nach all den Jahren des Stillstands, des Streits, des Frusts gibt der „Wonderboy“ endlich Gas.
Jetzt muss Kurz aufpassen, dass er sich in den zweiten 100 Tagen seiner Regierung nicht in Nebensächlichkeiten wie Sozialversicherung, 12-Stunden-Tag, Mindestsicherung verzettelt, aufreibt und zu stark polarisiert.
So wichtig eine Sozialversicherungs-Reform und ein Nulldefizit auch sind. Wirklich wichtig für unser Land sind andere Themen: die Bildungsreform, Vollgas in die Digitalisierung und die große Steuerreform.