Rückzieher

Aus Angst vor Strafe: Europäer verzichten auf One-Love-Binde

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Die europäischen Nationalteams machen kurz vor dem WM-Auftakt in Katar bei der mehrfarbigen One-Love-Kapitänsbinde als Zeichen für Vielfalt doch noch einen Rückzieher.  

Die Drohung des Fußball-Weltverbandes hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Nachdem die für Vielfalt und Toleranz stehende "One Love"-Kapitänsschleife von der FIFA bei der Katar WM nicht akzeptiert wird, erklärten am Montag sieben europäische Nationen ihren Verzicht. Ausschlaggebend für die Entscheidung sei eine offizielle Drohung der FIFA, dass jeder mit der Schleife auflaufende Spieler mit einer Gelben Karte bestraft werde, wie die Verbände mitteilten.

England, Deutschland, die Niederlande, Wales, Dänemark, Belgien und die Schweiz verzichten demnach auf die Schleife. Frankreichs Kapitän Hugo Lloris hatte zuletzt bereits angekündigt, sie nicht zu tragen.

"Dass die FIFA uns auf dem Platz bestrafen will, ist einmalig und geht gegen den Geist des Sports, der Millionen verbindet", hieß es vom niederländischen Verband KNVB. "Wir stehen zur "One Love"-Botschaft und werden diese weiter verbreiten, aber unsere oberste Priorität ist es, Spiele zu gewinnen. Da möchte man nicht, dass der Kapitän das Spiel mit einer Gelben Karte beginnt."

Inwieweit der streng muslimische WM-Gastgeber Katar in die Entscheidung involviert war, blieb am Montagmittag offen. Von den europäischen Verbänden hieß es jedenfalls, man werde in den kommenden Monaten einen "kritischen Blick auf unsere Beziehung zur FIFA" werfen.

FIFA unterstützt "One Love"-Kampagne

Der viel kritisierte Weltverband hob in einer Mitteilung vom Montag explizit den Artikel 13.8.1 der Ausrüstungsregeln hervor: "Für FIFA-Finalwettbewerbe muss der Kapitän jeder Mannschaft eine von der FIFA gestellte Armschleife tragen." Die FIFA unterstütze Kampagnen wie "One Love", aber dies müsse im Rahmen der allen bekannten Regeln erfolgen. Als Folge könnten die Spielführer der Teams nun mit vom Weltverband bereitgestellten Sprüchen auflaufen. Statt dem für den ersten Spieltag vorgesehenen Motto "Fußball verbindet die Welt" zog die FIFA kurzerhand den Slogan "Keine Diskriminierung" vor.

Dabei scheinen sich gerade bei der am Sonntag begonnenen WM Gräben zwischen den Fußball-Mächtigen und den Fans aufzutun. "Heute fühlen sich LGBT+-Fußballfans und ihre Verbündeten wütend. Heute fühlen wir uns verraten", paraphrasierte die Fan-Organisation Football Supporters' Association (FSA) die jüngste Rede von FIFA-Präsident Gianni Infantino. "Heute fühlen wir Verachtung für eine Organisation, die ihre wahren Werte unter Beweis gestellt hat, indem sie den Spielern die Gelbe Karte und der Toleranz die Rote Karte gezeigt hat."

Kritik von Amnesty International

Kritik übte auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. "Die FIFA fährt schweres Geschütz gegen einzelne Spieler auf, um nationale Fußballverbände daran zu hindern, sich für Menschenrechte auszusprechen", erklärte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus N. Beeko. "Das ist grotesk und ein weiterer Beleg dafür, dass die FIFA ihre eigenen Werte und Verantwortlichkeiten mit Füßen tritt." Die FIFA habe sich "zu den Menschenrechten bekannt und dazu gehört auch das Recht, zu lieben, wen man möchte, ohne Angst vor Verfolgung und Diskriminierung".

Diesem Bekenntnis folgten aber keine Taten, kritisierte Beeko. "Stattdessen geht der Verband gegen Spieler vor, die auf dieses Versäumnis reagieren und ihre Solidarität bekunden wollen." Beeko nannte dies einen "Schlag ins Gesicht aller Menschen, die sich für die Rechte der LGBTI+ Community einsetzen".

Kane hätte Strafe in Kauf genommen

Der erste Kapitän, der während der Endrunde offen gegen die FIFA-Regularien verstoßen hätte, wäre Englands Harry Kane im Spiel am Montag gegen Iran gewesen. "Wir waren bereit gewesen, (Geld)Strafen zu zahlen, was normalerweise bei Verstößen gegen Kleider-Regularien der Fall wäre. Dennoch konnten wir unsere Spieler nicht in eine Situation bringen, in der sie eine Gelbe Karte bekommen könnten oder gar gezwungen werden, das Spielfeld zu verlassen", hieß es in der von der englischen FA verbreiteten gemeinsamen Stellungnahme.

Der deutsche Verbandspräsident Bernd Neuendorf kritisierte das Vorgehen scharf. "Wir erleben einen beispiellosen Vorgang in der WM-Geschichte. Die von der FIFA herbeigeführte Konfrontation werden wir nicht auf dem Rücken von Manuel Neuer austragen", sagte Neuendorf. Er ortete eine "Machtdemonstration der FIFA".

"Eine Gelbe Karte zu kriegen, wenn man schon auf den Platz kommt - das kann nicht sein", sagte etwa Dänemarks Nationaltrainer Kasper Hjulmand, der bei der Spieltags-Pressekonferenz von den neuesten Entwicklungen überrascht wurde. Zwar ließ Hjulmand es offen, ob sein Kapitän Simon Kjaer nicht doch die Schleife verwenden wird, doch sein Verband trägt die Verzichterklärung laut der gemeinsamen Erklärung der Europäer mit.

Meunier: "Proteste sind jetzt zu spät"

Der Belgier Thomas Meunier sah einen Schachzug des Weltverbands. "Du kannst keine Proteste starten, wenn du hier bist. Jetzt ist es zu spät. Jetzt können wir die Situation nur akzeptieren", sagte der 31-Jährige von Borussia Dortmund. "Aus FIFA-Sicht ist es natürlich klug, dies erst jetzt zu verbieten", meinte Meunier. "Wir alle wissen, wie die Dinge hier sind. Wir kennen die Regeln und müssen akzeptieren, dass sie von unseren abweichen."

 

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