Georg Preidler

Doping-Beben: Nächster Radprofi gesteht

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Der Doping-Skandal weitet sich immer weiter aus.

Das Doping-Beben geht weiter. Nachdem vergangene Woche die beiden Langläufer Hauke und Baldauf erwischt wurden, verbuchen die Dopingjäger derzeit fast täglich einen neuen großen Erfolg. Am Wochenende ging ihnen der Tiroler Radprofi Stefan Denifl (31), für den die Unschuldsvermutung gilt, ins Netz. Nun gesteht auch Georg Preidler. Der 28-jährige Radprofi erstattet Selbstanzeige wegen Blutdopings. Der Steirer räumt gegenüber der "Kleinen Zeitung" ein, dass er Teil des jüngst ausgehobenen Netzwerkes war.

Selbstanzeige

Radprofi Georg Preidler ist der nächste österreichische Spitzensportler, der im Zuge der Enthüllungen um das Netzwerk eines deutschen Mediziners Blutdoping gestanden hat. Er habe sich bei den Behörden selbst angezeigt, bestätigte Preidler in Interviews.

 
Er sei von dem Zirkel um den deutschen Sportmediziner angesprochen worden und habe sich vor kurzem Blut abnehmen, aber nie rückführen lassen. Der 28-Jährige fühlt sich als Betrüger, aber nicht als Krimineller. "Ja. Ich hatte betrügerische Absichten oder Gedanken. Ich fühle mich aber nicht als Verbrecher", sagte Preidler zur "Kleinen Zeitung". Seine bisherigen Leistungen wie ein dritter Etappenplatz beim Giro d'Italia 2016 seien alle sauber zustande gekommen, behauptete der für das französische Spitzenteam Groupama-FDJ fahrende Profi. "Alle meine Erfolge, etwa beim Giro, waren sauber. Ich war ohne Doping gut, habe nie etwas getrickst", so Preidler in der "Kronen Zeitung".
 

Riesenfehler und Dummheit

Wann die Hemmschwelle, Blutdoping zu betreiben, bei ihm gefallen sei, wollte Preidler nicht angeben. "Dazu kann ich noch nichts sagen, weil alles mit der Staatsanwaltschaft im Laufen ist. Aber sie ist erst vor Kurzem gefallen. Nach langem Überlegen habe ich mich zu diesem Riesenfehler und dieser Dummheit entschlossen." Im Profizirkus höre man, dass ohnehin viele dopen. "Irgendwann fällt die Hemmschwelle weg."
 
Sein Umfeld habe nichts gewusst, er habe alleine gehandelt, erklärte Preidler. Außerdem gab der mehrfache Staatsmeister an, er kenne keine weiteren Kunden des Netzwerkes. "Ich kenne keine Namen." Die Selbstanzeige sei wegen des Drucks der Enthüllungen der vergangenen Tage erfolgt. "Ich kann nur sagen, mit dem Wissen des Betrugs im Hinterkopf zu leben, ist die Hölle. Ich weiß nicht, wie das andere aushalten. Ich musste nun an die Öffentlichkeit gehen. Ich habe das nicht mehr ausgehalten."
 

Ermittler haben jetzt die Namen der Hintermänner

Netzwerk. Insider werten das als Hinweis darauf, dass neue Festnahmen bevorstehen. Denn es bedeutet wohl, dass die Ermittler von den Sportlern alles bekamen, was sie wollten: Namen von Hintermännern und Informationen über das Netzwerk.

„Konkret kann ich es nicht sagen, aber es ist möglich, dass in Österreich oder im Ausland weitere Polizeiaktionen stattfinden“, sagte am Sonntag Hansjörg Mayer von der Staatsanwaltschaft Innsbruck zu ÖSTERREICH.

Analyse. Im Bundeskriminalamt (BKA) in Wien laufen alle Fäden der Ermittlungen zusammen: von Befragungsprotokollen aus Tirol bis hin zu Blutdaten aus dem Doping­labor in Deutschland. „Alle Informationen werden hier analysiert, abgeklärt und vernetzt“, beschreibt BKA-Sprecher Vincenz Kriegs-Au die Arbeit. Bis zu sechs Personen sind dafür gerade abgestellt.

Doping-All-inclusive-Paket: 15.000 Euro pro Saison

Blutbeutel. Der Skandal bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld war nur der Anfang. Im Labor von Sportmediziner Mark Schmidt (40) in Erfurt fanden die Ermittler mindestens 40 Blutbeutel von aktuellen ‚Dopingkunden‘.

Die Staatsanwaltschaft München geht aber davon aus, dass Schmidt, für den die Unschuldsvermutung gilt, seit Anfang der 2000er-Jahre Blutdoping betrieben hat. Er bot ein „All-inclusive-Paket“ an: 8.000–15.000 Euro pro Sportler pro Saison.

Schröcksnadel bleibt, um ÖSV umzubauen

Seefeld. Nach dem Dopingskandal wurden Rücktrittsaufforderungen an ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel (77) immer lauter. Doch der Skiboss (seit 1990 im Amt) hat das Gegenteil vor: „Diesen Gefallen werde ich meinen Gegnern nicht tun. Wenn so was auftritt, kann ich es nicht lassen. Ich werde aufräumen, weil ich keinen Verband mit Unstimmigkeiten übergebe.“

Als ersten Schritt wird sich Schröcksnadel nach der WM von Markus Gandler trennen. Gandler war 1999 Teil der vom später lebenslang gesperrten Skandaltrainer Walter Mayer betreuten WM-Goldstaffel. Seit 2003 ist er Langlauf- und Biathlon-Chef im ÖSV. Trotz der Dopingfälle in Turin 2006 und in Sotschi 2014 in seinem Team durfte Gandler bleiben. Jetzt reicht es.

Insider Kohl: "So läuft Blutdoping"

Bernhard Kohl, überführter Tour-de-France-Dritter 2008, plaudert aus dem Nähkästchen.

Kohl über das Blutdoping­prozedere: „Da im Blutpass auf Auffälligkeiten geachtet wird, wird das Blut oft schon viel länger vorher abgenommen und bei minus 80 Grad gelagert. Kurz vor dem Wettkampf wird es dann rück­geführt. Dadurch kriegst du in kurzer Zeit mehr rote Blutkörperchen. Die sind für den Sauerstofftransport verantwortlich, und das steigert die Ausdauerleistung. Da der Körper damit die Produktion der roten Blutkörperchen einstellt, musst du, um nicht auffällig zu werden, die Produktion gleichzeitig anregen. Das geht nur mit Minidosierungen eines EPO-Mittels oder einer noch nicht nachweisbaren Substanz.“

Kohl über Doping vorm Wettkampf: „Bei uns lief das genauso. Wir haben das Blut z. B. am Ruhetag der Tour de France zurückbekommen, wobei wir penibel darauf achteten, alle Beweise sofort verschwinden zu lassen.“

Kohl über die Leistungssteigerung: „Die lässt dich um ein paar Prozentpunkte später ermüden, was im Kampf um eine Medaille entscheidend ist. Du fühlst aber auch einen mentalen Boost, der dich stark macht.“

Kohl über das „Pech“ der Langläufer: „Der Sportler ist bedacht, negativ bei einer Antidopingkontrolle zu sein. Daher achtest du in erster Linie darauf, dass du keine auffindbaren Substanzen im Körper hast. Wenn du nur Eigenblutdoping betreibst, hast du wenig zu befürchten. Die Athleten in Seefeld sind aufgeflogen, weil sie die Kripo erwischt hat bzw. die Polizei Beweise gesammelt hat. Um den Dopingsumpf trockenzulegen, ist das genau der Weg.“

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